Steht das gemeinsame Haus Europa vor dem Einsturz? Oder malen Skeptiker und Populisten die Zukunft des Kontinents viel zu schwarz? Bei "Maybrit Illner" prallen ganz unterschiedliche Ansichten aufeinander.
In Brüssel ringen die Regierungschefs am Donnerstagabend um einen Aufschub für den EU-Austritt der Briten. Und auch die Gäste von
Was ist das Thema bei "Maybrit Illner"?
Finanzkrise, Wahlerfolge der EU-Hasser, Brexit – die Europäische Union ist in den vergangenen Jahren von einer Krise in die nächste geschlittert.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat wiederholt Vorschläge unterbreitet, mit der die europäische Gemeinschaft wieder das Vertrauen der Bürger gewinnen soll.
Doch die EU ist im Krisenlösungsmodus gefangen. Und die deutsche Regierung hat auf Macrons Vorschläge nach Auffassung vieler Experten und Politiker viel zu reserviert reagiert.
Wer sind die Gäste?
- Greg Hands: Für die Hängepartie beim Brexit ist nicht nur London verantwortlich – davon ist der Abgeordnete der konservativen Tories im britischen Unterhaus überzeugt. Brüssel halte an einem Ausstiegsabkommen fest, das in seiner Heimat nicht mehrheitsfähig sei. "Es ist völlig gegen britische Interessen."
- Sabine Thillaye: Man dürfe die EU nicht schlechtreden, sondern müsse ihre Erfolge sehen, mahnt die französische Abgeordnete für die Macron-Partei "La République en Marche". Dass Brüssel für die Lage beim Brexit verantwortlich wäre, weist sie zurück. Die Entscheidung sei auf der Insel gefallen. "Und nicht hier auf dem Kontinent."
Ulrich Wickert : Der frühere Moderator der ARD-"Tagesthemen" kennt sich in Frankreich aus – und plädiert vehement dafür, die deutsch-französische Zusammenarbeit wieder zu vertiefen: "Die Franzosen wollen Europa mit Hilfe der Deutschen modernisieren."Heiko Maas : Der Bundesaußenminister muss sich in dieser Sendung gegen eine ganze Reihe von Vorwürfen wehren. Sind die EU-Partner den Briten zu wenig entgegengekommen? Hat die Bundesregierung die Reformvorschläge von Macron ignoriert? Der SPD-Politiker bestreitet das: Ideen wie ein europaweiter Mindestlohn stünden sogar im Koalitionsvertrag der Großen Koalition.- Dirk Schümer: Der Europa-Korrespondent der Tageszeitung "Die Welt" gibt sich als Raufbold der Runde. Für ihn ist der Austritt der Briten eine "Amputation" – und ein Warnschuss für die EU: "Vielleicht ist das der erste rausgezogene Stein, der das Gebäude zum Einsturz bringt."
Was war das Rede-Duell des Abends?
Laut wird es, als der "Welt"-Journalist Schümer den Finger in die europäischen Wunden legt: Seiner Meinung nach ist die EU zu bürgerfern, kümmert sich zu wenig um die Probleme der Menschen.
Das macht den Bundesaußenminister wütend: Maas findet, die Lage sei nicht so düster wie beschrieben. "Sie reden das gleiche Zeug, das die Populisten reden. Und dann wundern Sie sich, dass es so viele Populisten gibt", schimpft er.
Schümer aber bleibt dabei: Solange es der EU nicht gelinge, bürgernäher zu werden, würden die Wähler "Schmuddelkinder" wie den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban weiter demokratisch an die Macht bringen.
Welche Lösungsansätze er denn habe, will die Französin Thillaye wissen. Die Vorschläge des "Welt"-Journalisten: weniger Bürokratie in Europa und mehr Engagement im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit im Süden.
Was war der Moment des Abends?
Eine süffisante Gemeinheit wirft Wickert in die Runde. Hintergrund sind die Reformvorschläge von Macron, auf die in Deutschland statt der Kanzlerin die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer antwortete.
"Es ist sehr bedauerlich, dass wir keine deutsche Außenpolitik mehr haben", lästert Wickert. "Erst ist die Außenpolitik ins Bundeskanzleramt gewandert – und jetzt von da aus in die CDU-Parteizentrale." Das gefällt dem wahren Außenminister Maas natürlich gar nicht.
Wie hat sich Maybrit Illner geschlagen?
Wie so häufig bleibt die Moderatorin Herrin der Diskussion und weiß, wo sie nachhaken muss.
Ihre Redaktion muss sich allerdings fragen lassen, ob nicht auch ein CDU-Mitglied der Runde gutgetan hätte. Schließlich haben die Christdemokraten auf Macrons Reformvorschläge ablehnender reagiert als die meisten SPD-Kollegen.
Was ist das Ergebnis?
Acht Minuten überzieht die Runde, dann erst gibt Illner an Markus Lanz ab – und stellt fest: "Es hätte noch 60 Minuten so gehen können."
Auf jeden Fall liefert die Zukunft Europas reichlich Zünd- und Gesprächsstoff, das hat die Sendung gezeigt. Wie es beim Brexit weitergeht, ist dagegen weiter so offen wie eh und je.
Vielleicht wird der EU-Austritt sogar noch abgesagt? Das will sogar der konservative Brite Hands nicht komplett ausschließen: "Beim Brexit ist im Moment alles noch möglich."
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