Die SPD hat bei der diesjährigen Europawahl enorm an Stimmen verloren. Bei "Markus Lanz" versuchte Co-Chefin Saskia Esken, Gründe für das Wahldebakel zu suchen. Selbstkritik war dabei kaum zu spüren. Stattdessen offenbarte Esken, dass sie das Ergebnis nicht überrascht habe.
SPD-Chefin
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Die Ampel-Parteien schnitten bei der diesjährigen Europawahl katastrophal ab, während die AfD hinter der Union zur zweitstärksten Kraft wurde. Die SPD lag bei der Bundestagswahl 2021 noch bei 25,7 Prozent und erzielte jetzt, nur drei Jahre später, 13,9 Prozent. Markus Lanz analysierte am Donnerstag den Aufstieg der konservativen Parteien und versuchte herauszufinden, warum vor allem die SPD so viele Wähler an die AfD verloren hat.
Das sind die Gäste
- Saskia Esken, SPD-Co-Vorsitzende: "Die Konzepte der AfD sind menschenverachtend."
- Michael Bröcker, Journalist: "Es wäre am logischsten, wenn Kanzler
Scholz die Vertrauensfrage stellen würde." - Rüdiger von Fritsch, Ex-Botschafter: "Es gibt innerhalb der europäischen Rechten keine einheitliche Position in Bezug auf Russland."
- Simon Schnetzer, Jugendforscher: "Viele junge Menschen fühlen sich nicht ernst genommen."
- Britta Hilpert, ZDF-Korrespondentin: "Die einfachen Rezepte der FPÖ sind offenbar gut angekommen."
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Zu Beginn der Sendung wollte Markus Lanz wissen: "Wie hat es die SPD geschafft, von fast 26 Prozent bei der letzten Bundestagswahl auf 13,9 Prozent sich quasi zu halbieren?" Saskia Esken reagierte schwammig: "Wir müssen vieles erklären, ganz klar." Die SPD-Co-Vorsitzende fügte jedoch hinzu, dass die Regierung mit Olaf Scholz an der Spitze "damals eine Aufbruchstimmung auch hat erzeugen können, mit dem, was sie sich vorgenommen hat. Nicht wenig davon wurde auch umgesetzt".
Statt Fehler einzugestehen, versuchte Esken zu vermitteln, dass das Wahldebakel vor allem an äußeren Umständen hänge. Auf die auslaufende Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg folgte laut der Politikerin "eine anwachsende Inflation, die die Bevölkerung wahnsinnig unter Druck gesetzt hat. (...) Und deswegen ist die Stimmung in Deutschland dermaßen schlecht derzeit, dass wir dieses Wahlergebnis nicht anders erwarten konnten." Eine Aussage, die Lanz irritierte: "Sie sind sehenden Auges so in dieses Ergebnis rein?"
Saskia Esken wiegelte ab: "Nein, nicht sehenden Auges, sondern realistischerweise. Wir haben ja Umfragen gehabt." Lanz fragte daher stichelnd, ob die Wahlergebnisse "zu Recht" so schlecht gewesen seien, woraufhin die SPD-Politikerin genervt konterte: "Das ist ein ganz anderes Thema. Ich habe gerade beschrieben, was die Regierung geleistet hat." Der ZDF-Moderator zeigte sich unbeeindruckt und unterstellte Esken, "Ausreden" zu suchen.
Die SPD-Politikerin versuchte daraufhin, einzulenken und gab zu, dass ihre Partei "in vielen Dingen besser" hätte sein können. Dennoch wiederholte sie nüchtern: "Diese Krisen sind natürlich maßgeblich für die Stimmung in Deutschland." Gleichzeitig fügte Esken hinzu, dass "das Bitterste (...) an diesem Wahlergebnis" die "Zustimmung zu einer rechtsradikalen Partei" sei, "die sich ja in den letzten Monaten und Jahren immer weiter radikalisiert hat". Eine Steilvorlage für Lanz, der klarstellte: "Und trotzdem werden sie gewählt. Sie haben 570.000 Leute an die AfD verloren."
Esken nickte nachdenklich: "Ich weiß, ich bin mir darüber im Klaren." Der ZDF-Moderator ließ nicht locker und hakte weiter nach, warum so viele Menschen "von der guten SPD zur bösen AfD" wechseln. Eine Fragestellung, die der SPD-Politikerin nicht zu gefallen schien: "Das hat mit böse nichts zu tun. Ich finde diese Kategorien auch wirklich unterkomplex, ganz ehrlich." Laut Esken seien "die Konzepte der AfD" nicht nur "menschenverachtend", sondern wären auch "für unsere Volkswirtschaft hochgefährlich".
Trotzdem räumte die Politikerin ein, dass die AfD es trotzdem irgendwie schaffe, Menschen anzulocken, "die in großer Sorge sind". Grund genug für Lanz, zu fragen, warum genau diese Menschen "nicht mehr bei der SPD" seien. Saskia Esken antwortete darauf ehrlich: "Weil es uns offenbar nicht so gut gelingt, den Menschen deutlich zu machen, dass wir an ihrer Seite stehen."
Das ist das Rede-Duell des Abends
Nachdem Saskia Esken versucht hatte, das Wahldebakel der SPD auf die Inflation zu schieben, brach es aus Michael Bröcker heraus: "Man müsste doch jetzt als Parteichefin sagen: 'Okay, was haben wir falsch gemacht?' Sie haben einen Wahlkampf gegen Rechts geführt, und trotzdem laufen die Leute in Scharen zu den Rechten!" Der Journalist wetterte weiter: "Vielleicht liegt es an der Politik der SPD!" Bröcker warf der Partei vor, die Prioritäten vieler Bürger ignoriert zu haben. Demnach habe es keine harten Maßnahmen gegen die Inflation oder die illegale Migration gegeben.
"Bei den großen Themen, die die Leute wirklich umtreiben, da kommt von diesem Kanzler wenig Führung, wenig Klarheit und erst recht kein großer Maßnahmenplan", konstatierte der Journalist. Ein Vorwurf, den Saskia Esken nicht unkommentiert lassen konnte: "Das ist ganz sicher nicht richtig!" Die Inflation sei laut der Politikerin am Ende einfach "noch viel höher" gewesen, "als das, was wir tun konnten". Lanz konterte fassungslos: "Wir wollen uns doch jetzt nicht gegenseitig erzählen, dass die Inflation Schuld daran ist, (...) dass die AfD 570.000 Wählerinnen und Wähler von Ihnen holt!"
Esken schüttelte mit dem Kopf: "Selbstverständlich ist es ein Problem, das den Leuten auf der Seele lastet. Dass man keinen bezahlbaren Wohnraum findet, (...) dass das Brot mittlerweile Preise kostet, die unvorstellbar sind." Ein Argument, auf das Lanz antwortete: "Offenbar glauben die Leute nicht, dass Sie dieses Problem lösen können." Saskia Esken gab zwar zu, dass ein "Vertrauensverlust entstanden" sei, die SPD jedoch daran arbeite und bereits Maßnahmen in der Migrationspolitik ergriffen habe, "die den Turnaround bringen".
Ein Versprechen, das Lanz der SPD-Politikerin nicht abkaufen wollte: "Die Leute glauben Ihnen das nicht." Auch Michael Bröcker stellte mit Blick auf die angekündigten "Abschiebungen im großen Stil" klar: "Es passiert natürlich zu wenig." Saskia Esken erklärte, dass das Problem "in den Ländern" liege und die Situation "schwierig" sei. Lanz erinnerte daraufhin an Olaf Scholz, der vor der Europawahl noch Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien befürwortet hatte.
Grund genug für Michael Bröcker, erneut Klartext zu reden. Er ergänzte, dass der Kanzler immer derjenige sei, "der die Erwartungen an seine eigene Politik mit seiner Rhetorik plötzlich, wenn er in der Krise ist, hochschraubt. Und danach müssen alle wieder erklären: 'Ja, so einfach geht's nicht und die Länder sind zuständig'."
Bröcker fügte streng hinzu, dass er sich "eine Spur Selbstkritik" wünsche, denn: "Die Menschen sind in einer riesigen Vertrauenskrise, was die politischen Eliten betrifft. Kann man da nicht mal an so einem Wahlabend sagen: 'Sch...e, wir haben Mist gebaut. Wir haben verstanden. Jetzt gehen wir erstmal in uns'." Eine Aussage, die Esken offenbar kaltließ. Sie blieb unbeirrt bei "der Auffassung, dass die Konzepte dieser Koalition gut und richtig sind".
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz forderte SPD-Politikerin Saskia Esken innerhalb der Sendung zwar mehrfach mit spitzen Fragen heraus und versuchte so, ein Fehlereingeständnis zu bekommen - jedoch vergeblich. Die Co-Chefin der SPD gab lediglich zu: "In dieser Koalition ist vieles handwerklich (...) versaut worden."
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Nach dem Wahldebakel bei der Europawahl stellte Markus Lanz die berechtigte Frage nach einer Personalveränderung bei der SPD. Saskia Esken wiegelte jedoch ab: "Ich bin nicht der Auffassung, dass sich beim Personal etwas verändern muss." Nach der fehlenden Selbstkritik der SPD-Co-Vorsitzenden gab Lanz zu: "Sie erleben mich jetzt ein bisschen sprachlos. Der Kanzler hat 24 Stunden gebraucht, um etwas dazu zu sagen. Wie finden Sie sowas?"
Auch hier blockte die Politikerin jegliche Kritik ab und sagte: "Er hat sich mittlerweile sehr klar geäußert zu dieser Wahlniederlage." Michael Bröcker widersprach dem jedoch vehement: "Man hat nicht das Gefühl, dass er bereit ist, sich selbstkritisch zu analysieren. (...) Das ist das, was die Leute so ärgert!" Abschließend warnte er: "Deswegen laufen Ihnen die Wähler in Scharen davon!" © 1&1 Mail & Media/teleschau
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