Ein Bürgergeldempfänger erhob schwere Vorwürfe gegen die CDU, die das Bürgergeld nach der möglichen Regierungsübernahme 2025 abschaffen und eine Grundsicherung einführen will. Grünen-Chefin Ricarda Lang warf CDU-Politiker Philipp Amthor eine Fixierung auf Totalverweigerer vor – was der scharf zurückwies.

Eine Kritik
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Das war das Thema

Noch ein Aufregerthema bei Hart aber fair vor der Osterpause: Die CDU will das von der Ampel eingeführte Bürgergeld in seiner jetzigen Form abschaffen. Die Christdemokraten wollen die Sanktionen wieder verschärfen, vor allem gegen die sogenannten Totalverweigerer. Für Kritiker ist das purer Populismus, denn schon jetzt gibt es ja Möglichkeiten, Menschen die Leistungen zu kürzen, die ein Jobangebot nicht annehmen möchten. Das Thema bei Louis Klamroth am Montagabend: "Die Bürgergeld-Debatte: mehr Druck, mehr Sanktionen, mehr Gerechtigkeit?"

Das waren die Gäste

  • Thomas Wasilewski: Der frühere Außenhandelskaufmann bezieht nach 30-jähriger Berufstätigkeit seit 12 Jahren Bürgergeld und arbeitet ehrenamtlich bei einer Essensausgabe. "Die Leute haben Hunger, weil das Bürgergeld nicht ausreicht." Wasilewski klagt derzeit für einen höheren Regelsatz, mehr als 800 Euro wären nach Ansicht von Sozialverbänden nötig, um ein würdevolles Leben zu führen. Für Politiker sei das Thema Armut eine abstrakte Diskussion, beklagte Wasilewski. "Für mich ist die Armut konkreter Alltag." Er wehrte sich auch gegen die Vorstellung, dass Bürgergeldempfänger pauschal faul seien.
  • Anke Rehlinger: Die SPD-Ministerpräsidentin des Saarlandes störte sich an dem Bild, dass es angeblich so viele Totalverweigerer gebe. Ganz oft fehlten in Wahrheit die Qualifikationen "und darauf liegt das Hauptaugenmerk beim Bürgergeld", betonte sie. Weiterhin sprach sich Rehlinger für einen höheren Mindestlohn aus. Aber sie gab auch zu, dass es vielleicht ein Fehler gewesen sei, dass die Regelsätze im Bürgergeld am Jahresbeginn um 12 Prozent gestiegen sind, aber der Mindestlohn zuletzt nur drei Prozent zulegte. Das macht es für manche nicht attraktiver, einen Job anzunehmen.
  • Ricarda Lang: Die Parteivorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen sagte, dass sie beim Blick auf den Sozialstaat nicht zuallererst auf die kleine Zahl von Menschen schaut, "die ihn missbrauchen könnten, sondern auf die große Anzahl von Menschen, die ihn brauchen." Außerdem führte sie an, dass das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil festgestellt hat, dass Menschen nicht dauerhaft auf null Euro gesetzt werden können. "Und das finde ich in einem Sozialstaat auch richtig", betonte Lang. Schon jetzt, so Lang, könne das Bürgergeld zwei Monate gestrichen werden, wenn ein ganz konkretes Jobangebot abgelehnt wurde.
  • Philipp Amthor: Der CDU-Bundestagsabgeordnete sprach sich für härtere Sanktionsmöglichkeiten für Totalverweigerer aus. Das würde die Akzeptanz des Sozialstaats erhöhen. "Das ist ein gesellschaftlicher Missstand, den es momentan gibt." Von Sanktionen dürften auch Totalverweigerer nicht ausgenommen werden, die Kinder haben, forderte Amthor. Schließlich erinnerte er an das Aufstiegsversprechen in Deutschland, dass Menschen, die fleißig sind und sich anstrengen, etwas erreichen können.
  • Marie-Christine Ostermann: Die Unternehmerin und Präsidentin des Interessenverbands "Die Familienunternehmer" forderte, dass jeder Mensch, der arbeiten kann, dazu beitragen müsse, "unsere sozialen Sicherungssysteme weiterhin nachhaltig finanzierbar" zu machen." Sie kritisierte auch, dass 50.000 Menschen jedes Jahr eine Schule ohne Abschluss verlassen. "Da sehe ich keine wirkliche Verbesserung." Der Staat sei da in der Pflicht, Anke Rehlinger nickte. Ostermann beklagte darüber hinaus, den aus ihrer Sicht zu geringen Einkommensabstand zwischen Arbeitstätigen und Bürgergeldempfängern. "Arbeit lohnt sich immer weniger in diesem Land", behauptet das FDP-Mitglied.
  • Henry Maske: Der Box-Weltmeister und Gründer der "Henry Maske Stiftung A place for kids" engagiert sich für sozial benachteiligte Kinder, indem er beispielsweise fast zum Nulltarif Ferienfreizeiten anbietet. Er persönlich könnte sich "überhaupt nicht vorstellen", von Bürgergeld leben zu können. Maske wollte sich aber auch nicht klar positionieren, ob das Bürgergeld zu gering sei oder nicht.

Das war der Moment des Abends

Für Thomas Wasilewski war CDU-Mann Amthor aufgrund seiner Position zum Bürgergeld eine Persona non grata: "Sie möchten Menschen sanktionieren. Nichts anderes möchten Sie machen", warf er dem 31-Jährigen vor. Amthor schüttelte vehement mit dem Kopf.

Das war das Rededuell des Abends

Ricarda Lang diagnostizierte bei Amthor und seiner Partei "eine Fixierung auf Totalverweigerer". Die 13.000 bis 15.000 Fälle machen weniger als ein Prozent der Bürgergeldempfänger aus. "Wir haben in der Debatte einen falschen Fokus", sagte Lang. "Sie arbeiten gerade ganz aktiv daran, Menschen, die Bürgergeld bekommen, in Misskredit zu bringen."

Amthor erwiderte lautstark: "Nein. Sie haben nicht zugehört. Das ist Unsinn. Es geht doch nicht darum, dass wir ein Ende des Sozialstaats wollen. Wir stehen klar dazu, dass Leute, die unverschuldet in Not geraten, auch unterstützt werden". Aber die CDU will beispielsweise das Schonvermögen für Bürgergeldempfänger senken (derzeit 40.000 Euro), was Anke Rehlinger wenig später scharf kritisierte.

Noch ein Rededuell des Abends

Anke Rehlinger ging Amthor frontal an: "Sie wollen Sozialstaat nach Kassenlage machen". Amthor konterte trocken: "Sie wollen Sozialstaat nach Schlaraffenland machen". Das Geld müsse auch erwirtschaftet werden, so der CDU-Politiker aus Mecklenburg-Vorpommern.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

In dieser Sendung gelang es Louis Klamroth geschickt, festgefahrene oder zu Ende diskutierte Debatteninhalte zum nächsten Punkt zu überführen und für einen abwechslungsreichen Rhythmus zu sorgen, ohne abzuwürgen.

Nur an einer Stelle ließ der Gastgeber Henry Maske, der dazu neigte, nicht zum Punkt zu kommen, wirklich sehr sehr lange ausreden. War vielleicht Nicht-Politiker-Bonus. Als Schiedsrichter war Klamroth an diesem Abend wenig gefragt, da sich etwa Ricarda Lang und Philipp Amthor inhaltlich ordentlich auf die Füße stiegen, aber eigentlich per Du sind und sich persönlich offenbar schätzen.

Das ist das Fazit

Am Ende kamen die drei Politiker in der Runde zumindest noch auf einen gemeinsamen Nenner. Die CDU will die Zuverdienstgrenzen für Bürgergeldempfänger erhöhen, auch Lang und Rehlinger finden den Vorschlag gut. "Das ist ein geeignetes Instrument", betonte die Saarländerin. Aber die Zahlen dürften auch nicht zu hoch steigen, damit sich die Leute nicht damit einrichten. Sie sollen ja wieder "voll arbeiten" irgendwann, betonte sie.

Ansonsten verabschiedete sich die Sendung nicht mit der einen großen Erkenntnis in die Osterpause. Ja, Menschen müssen auch vom Bürgergeld würdevoll leben können. Und nochmal ja, natürlich darf der finanzielle Anreiz arbeiten zu gehen, nicht zu klein sein.

Wie Lang und Rehlinger mehrfach wiederholten, ist das große Problem die mangelnde berufliche Qualifikation vieler Bürgergeldempfängerinnen und Bürgergeldempfänger. Da müsste dann auch die Union stärker ansetzen, sollte sie die nächste Bundesregierung anführen. Denn mit populistisch gefärbten Debatten um die wenigen Totalverweigerer lassen sich die grundlegenden Probleme auf dem Arbeitsmarkt eher nicht beheben.

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Teaserbild: © WDR/Oliver Ziebe