Bei "Markus Lanz" fand Ex-Bundespräsident Joachim Gauck deutliche Worte: zum Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten und auch zum Aufstieg der Rechtspopulisten in Europa, insbesondere der AfD.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine sorgt auch in Deutschland weiter für Sorgenfalten - und Streit. Während sich einige für mehr Waffenlieferungen für die ukrainische Armee aussprechen, fordern andere vermeintliche Friedensgespräche mit Putin. Bei "Markus Lanz" (ZDF) bezog Ex-Bundespräsident Joachim Gauck klar Stellung dazu.
Das ist das Thema bei "Markus Lanz"
Die bevorstehende Präsidentschaftswahl sorgt für große Verunsicherung in den USA - und damit auch in Europa. In der Ukraine wütet derweil noch immer der russische Angriffskrieg, während sich im Nahen Osten die Lage weiter zuspitzt.
Das sind die Gäste
Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"
Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck äußerte sich bei "Markus Lanz" mit nachdenklichem Blick zum Nahost-Konflikt und sagte: "Wir Deutschen sind in einer besonders schwierigen Situation."
Laut Gauck dürfe Deutschland das allerletzte Land sein, "das die Solidarität mit Israel verlässt. Das geht nicht." Man sei mit "einer historischen Schuld beladen", sagte Gauck. Er fügte jedoch hinzu, dass es nicht die Aufgabe Deutschlands sei, "zu sagen: 'Was Israel tut, können wir alles nachvollziehen'". Auch Gauck habe große Schwierigkeiten mit der Politik
Laut des Ex-Bundespräsidenten gehöre jedoch zum Urteil auch, zu erkennen: "Hier findet etwas anderes statt als in der Ukraine." Gauck stellte klar: "Die Hamas hat in ihren Grundsatzdokumenten und in ihrer Praxis ein Vernichtungsprogramm. Und deshalb ist dieser Krieg nicht ein gerechter, aber ein gerechtfertigter Krieg." Aus diesem Grund befürworte er die aktuelle Kommunikationsstrategie der Bundesregierung und gab zu, dass er sie - im Gegensatz zu Kritikern - "nicht als 'dröhnendes Schweigen'" verstehe.
Mit Blick auf den Ukraine-Krieg fand Joachim Gauck ebenfalls deutliche Worte. Er stellte klar, dass Deutschland eine "sehr verlässliche Neigung zum Frieden und zur Friedfertigkeit" habe und diese "erworbene Verfasstheit" auch politisch genutzt werden müsse. Laut Gauck wäre es demnach "wirklichkeitsfremd", wenn sich Deutschland seiner Führung verweigern würde. "Ein Deutschland, das die ihm zugewachsene Rolle nicht wahrnimmt, ist nicht nur ein Schaden für die Deutschen selber, sondern ein Schaden für Europa", so der Ex-Bundespräsident.
Er offenbarte sogar: "Ich wünschte mir manchmal, dass unser Kanzler noch ein bisschen stärker vorangeht, aber ich sehe auch die Schritte, die er macht." Lanz sprach daraufhin die angebliche Sympathie vieler Ostdeutscher mit Russland an und wies auf die Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz hin, der sich jüngst mit Julija Nawalnaja, der Witwe von Alexej Nawalny, ablichten ließ. "Dass ein Teil der ostdeutschen Bevölkerung so blind und so taub ist, hier dann gegen so ein Bild zu protestieren, das ist eine Schande", kritisierte Gauck. Er ergänzte nachdenklich: "Wir haben eine relativ große Minderheit, die befangen ist durch Erfahrungen der Unterdrückung. Und die sich fürchten, mit denen, die früher Macht über uns hatten, sich anzulegen."
Rechtspopulistische Parteien wie die AfD würden diese Angst laut Gauck bewusst aufgreifen. Er warnte jedoch: "Wir dürfen niemals diesen Teil der Ostdeutschen, die jetzt AfD wählen oder andere schräge Parteien, für die Mehrheit halten." Lanz wollte in dem Zusammenhang wissen, ob der Aufstieg der AfD noch weitergehen könne. Gauck nickte: "Sie haben das Potenzial, ja."
So hat sich Markus Lanz geschlagen
Markus Lanz führte rund 90 Minuten lang ein angeregtes Gespräch mit Altbundespräsident Gauck, in dem es nicht nur um die politischen Konflikte und Kriege in Europa ging, sondern auch um das Thema Macht. "Ist Macht tatsächlich eine Droge?", wollte Lanz wissen. Gauck reagierte mit einem Nicken: "Du kommst in ein Lebensgefühl, das rauschähnlich ist." Als Lanz nachhakte, ob man deshalb die Legislaturperioden der Bundesregierung auf zwei begrenzen sollte, antwortete Gauck klar: "Es hat was für sich, ja!"
Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"
Mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten prognostizierte Joachim Gauck, dass auf die Union eine schwierige Situation zukommen könne, in der eine Koalition mit der Linkspartei nicht ausgeschlossen sei. Laut Gauck könne die Union "gezwungen sein, in Koalitionen einzuwilligen, von der man jetzt denkt: Hoffentlich bleibt es uns erspart".
Im Gespräch mit Lanz tauchte der Ex-Bundespräsident auch in die Gründe des Aufstiegs vieler Rechtspopulisten ein und erklärte: "Wenn da in der politischen Landschaft Probleme und Ängste nicht bearbeitet werden von den demokratischen Parteien, dann finden sich welche, die das bearbeiten. Und genau dieses Problem haben wir in ganz Europa gesehen in den letzten Jahren."
Gauck sehe bei allen Nationalpopulisten eine Gemeinsamkeit: "Sie sind im Grunde Trostelemente für die, die sich vor dem Wandel fürchten. Aber was sie an Zukunftsangeboten haben, ist äußerst dürftig - manchmal überhaupt nicht vorhanden." Zudem ergänzte er: "Sie haben eine Botschaft, die die Verunsicherten tröstet und die sagt: Wir verstehen euch und wir sorgen dafür, dass es wieder so wird, dass ihr euch wieder wohlfühlt. Das ist irrational." © 1&1 Mail & Media/teleschau
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.