Was wollen eigentlich diese jungen Leute, die neuerdings so vehement um ihre Zukunft kämpfen? Dunja Hayali will es herausfinden, bleibt aber im Ansatz stecken. Philipp Amthor kassiert einen Diss von einer Klimaaktivistin.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Bartlau dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die jungen Leute hatten noch nie den besten Ruf. Seit sie sich an der Seite von Greta Thunberg hauptamtlich der Weltrettung widmen, gehen sie einigen Erwachsenen aber noch mehr auf die Nerven als ohnehin schon: "Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut" - wer lässt sich das schon gern von Schülern und Studenten vorhalten?

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Zeit für ein klärendes Gespräch, fand Dunja Hayali, und lud am späten Mittwochabend im ZDF vier politisch aktive junge Menschen ein – aber sicherheitshalber auf dem Terrain der Erwachsenen, im Boomer-Medium "Fernsehen".

Was ist das Thema bei "dunja hayali"?

Der Titel der Sendung versprach eine Art Vermessung der Generation Z, also der Alterskohorte ab dem Geburtsjahr 1997: "Klicks, Karriere, Klima-Angst: Wie tickt die Generation Zukunft?" Was die Menschen auf Hayalis Couch außer der Politik so umtreibt, erfuhren die Zuschauer aber gar nicht. Sie müssen schon auf den Second Screen und die Website der Sendung ausweichen, um eine spannende Statistik aus der aktuellen Shell-Jugendstudie zu finden: Das Interesse der 12- bis 25-Jährigen an Politik nimmt eher ab, von 43 Prozent 2015 auf aktuell 41 Prozent der Befragten, die sich als politisch interessiert betrachten. Insofern war die Besetzung im Studio von "dunja hayali" nicht gerade repräsentativ.

Wer sind die Gäste?

Am ehesten vielleicht noch Diana zur Löwen, die ihr Geld als "Influencerin" verdient, als ein-Mensch-Medium also, die ihr Publikum mit einem Mix aus Schminktipps, Lebensberatung und gesellschaftlichen Themen unterhält. Zuletzt hat zur Löwen sich auch politisch eingemischt: Sie unterstützte eine Kampagne zur niedrigeren Besteuerung von Periodenprodukten: "Ich versuche schon zu schauen, wo die Politik mich und meine Follower beeinflusst."

Außerparlamentarischen Druck übt derzeit vor allem "Fridays for Future" aus. Die Aktivistin Carla Reemtsma will damit auch Handlungsspielräume für die Parteien eröffnen, die einige radikale Forderungen niemals in ihre Programme schreiben würden, aber sie aus den Reihen der Demonstranten übernehmen könnten: "Wir wären in vielen Fragen gar nicht so weit ohne den Druck von der Straße."

Der Krankenpfleger Alex Jorde hat diesen Druck ganz direkt ausgeübt, auf Bundeskanzlerin Angela Merkel in der "Wahlarena" im September 2017. Er warf ihr vor, nicht genug gegen den Pflegenotstand zu tun – und erwischte Merkel auf dem falschen Fuß. Die Diskussionen nach seinem Auftritt reichten ihm aber nicht aus: "Ich wollte nicht nur Druck machen, ich wollte Einfluss." Deswegen ist Jorde mittlerweile SPD-Mitglied.

Nicht ohne seinen schwarz-rot-goldenen Button am Anzug geht Philipp Amthor (CDU), aus dem Haus. Die "Heute"-Show verspottete den zweitjüngsten Parlamentarier als "ältesten 27-Jährigen der Welt", was die Gastgeberin ketzerisch zitierte. Amthor konstatierte eine starke Konzentration auf Einzelthemen unter den jungen Menschen, die "On-demand-Politik" verlangen: "Da ist es schlauer, sich für das Netflix-Abo bei Parteien zu entscheiden, da gibt es nicht nur ein Thema, das momentan gerade bewegt."

Was ist der Moment des Abends?

Lange Zeit plätscherte der Talk als eine Art Proseminar in politischer Kommunikation vor sich hin: Wie sollten Parteien die jungen Leute ansprechen, was sind die geeigneten Plattformen, wie verpackt man die Inhalte? Sehr lange wurde das "Was" ausgespart. Was interessiert die Jugend, außer Klimaschutz? Umso erfrischender, als Alex Jorde sein Thema unterbringen konnte und in kurzen, klaren Ansagen deutlich machte, warum der Begriff "Notstand" für den Zustand und vor allem die Zukunft der Pflege nicht in die Kategorie "Übertreibung" fällt.

Interessant auch seine These, warum der Pflegenotstand vergleichsweise wenig Aufsehen erregt: "Ich bin ein wenig neidisch auf Fridays for Future", sagte Forde. Aber in seinem Beruf arbeiteten vor allem Frauen, die sich oft nach dem Job noch um die eigenen Kinder kümmern. "Für diese Frauen müsste der Tag 30 Stunden haben. Die haben keine Zeit, auf die Straße zu gehen." Vielleicht hat ja die ein oder andere Partei gut aufgepasst: Diese Menschen können nicht jeden Freitag demonstrieren. Sie wollen vertreten werden!

Was ist das Rede-Duell des Abends?

Es ist eine halbe Internet-Ewigkeit her, dass der Youtuber Rezo mit seinem Clip "Die Zerstörung der CDU" die Union blamierte. Noch immer muss sich Philipp Amthor für die ungelenken Reaktionen des Adenauer-Hauses rechtfertigen, auch an diesem Abend blieben ihm diverse Seitenhiebe nicht erspart. Was man antworten hätte können auf Rezo, wollte Hayali vom Social-Media-Star Diana zur Löwen wissen: "Auf keinen Fall so ein PDF." Amthor giggelte, eilte aber zur Verteidigung seiner Kollegen: "Das ist aber lesenswert." Vernichtender Einspruch von Carla Reemtsma: "Nein. Ich hab's gelesen. Es ist nicht lesenswert."

Wie hat sich Dunja Hayali geschlagen?

"Bleiben Sie anständig, zeigen Sie Gesicht", so lauteten die Schlussworte der Gastgeberin. Sie trugen einen bitteren Beigeschmack – wenige Stunden vor Ausstrahlung der Sendung hatte Hayali die Morddrohung einer "Cyberreichswehr" öffentlich gemacht.

Hayalis Patentrezept gegen Hass und für demokratische Verständigung lautet: Debatten führen. Reden, reden, reden. Fast schon manisch hetzte sie an diesem Abend quer durchs Studio, um auch ja möglichst vielschichtige Stimmen aus dem Publikum herauszukitzeln. Zwei von der Jungen Union, eine von der FDP, das reichte ihr nicht, also noch Jusos aufgetrieben und eine von den Linken – perfekt. Nur worüber Hayali eigentlich reden wollten an diesem Abend, das wurde nie ganz klar, sie verlief sich im Studio und in den Gesprächen. Wie sie tickt, die Generation Z, dazu erfuhr man jedenfalls herzlich wenig.

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Was ist das Ergebnis?

Danke, Rezo. Die "Zerstörung der CDU" hat einen Kollateralschaden mit sich gebracht: den Instagram-Kanal von Philipp Amthor. Den Anstoß zu seinem Start in die Sozialen Medien, das erklärte Amthor in der Runde, gab nämlich das Debakel rund um das Youtube-Video: "Wir haben draus gelernt, ich hab jetzt Instagram."

Ganz nach dem Geschmack von Influencerin Diana zur Löwen: "Jeder Politiker kann sein eigenes Medium werden." Ob das wirklich sein muss, sei dahin gestellt. Aber es ging nun einmal viel um die Verpackung an diesem Abend. Mit einer trivialen Botschaft: Die jungen Leute wollen, O-Ton zur Löwen, von den Parteien "abgeholt werden". Vulgo: Union, SPD und Co. sollen sich halt irgendwie in die Timelines drängen. Aber welche Angebote die Parteien mitbringen sollen – vielleicht ein bedingungsloses Grundeinkommen, vielleicht eine Senkung des Wahlalters, vielleicht mehr Geld für Bildung – das kam leider nicht zur Sprache.

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