EU-Chefdiplomat Borrell möchte mit dem Boykott eines Außenministertreffens in Ungarn ein Zeichen setzen. Seine Entscheidung trifft in Brüssel nicht nur auf Zustimmung.
Josep Borrell hat in Reaktion auf die Moskau-Reise des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban den Boykott eines von Ungarn geplanten Außenministertreffens angekündigt. Er werde stattdessen nach Ende der Sommerpause zu einem Treffen nach Brüssel einladen, kündigte der Spanier an.
Borrell traf die Entscheidung nach einem EU-Außenministertreffen in Brüssel und gegen den erklärten Willen von Ländern wie Deutschland, Spanien und Luxemburg. Unklar blieb zunächst, welche konkreten Folgen sie haben wird. Borrell sagte, er habe versucht, Einigkeit unter den EU-Staaten über das Vorgehen herzustellen. Dies sei aber leider nicht möglich gewesen.
Orban spricht von "Friedensmission"
Borrell nannte das Vorgehen Orbans bei dem Außenministertreffen "völlig inakzeptabel" und erinnerte an den in den EU-Verträgen festgeschriebenen Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, nachdem sich die Union und die Mitgliedstaaten gegenseitig unterstützen. Dabei bezog er auch Äußerungen von Ungarns Außenminister Peter Szijjarto ein. Dieser hatte jüngst in einer Rede im UN-Sicherheitsrat den Eindruck erweckt, als würde die EU den Krieg in der Ukraine durch ihre Politik und ihre Waffenlieferungen befeuern.
Orban spricht von einer "Friedensmission". Der Ungar vertritt seit langem den Standpunkt, dass der politische Kurs von EU und Nato zu einer Ausweitung des Krieges über die Ukraine hinaus führen könnte. Aus Sicht der Ukraine sind Verhandlungen allerdings sinnlos, solange Russland keinerlei Bereitschaft zeigt, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen.
Frust in Brüssel: EU streitet über Orban-Reise
Die Frage einer möglichen Reaktion auf unabgesprochene Reisen von Ungarns Regierungschef Viktor Orban nach Russland und China entzweit die EU. Bei einem Außenministertreffen in Brüssel sprach sich am Montag eine ganze Reihe von Teilnehmern gegen den Vorstoß von EU-Chefdiplomat Borrell aus, mit dem Boykott des Treffens zu reagieren, das die derzeitige ungarische EU-Ratspräsidentschaft Ende August in Budapest organisieren will.
Am deutlichsten kritisierte am Montag Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel die Boykottüberlegungen. Er sprach von Schwachsinn und warb dafür, nach Budapest zu reisen und dort der ungarischen Regierung klar und deutlich seine Meinung zu sagen. Klar gegen den Borrell-Vorstoß äußerten sich auch Länder wie Spanien und Slowenien.
Hinter den Kulissen äußerten sich nach Angaben von Diplomaten auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sowie Vertreter von Ländern wie Frankreich und Italien ähnlich. Auf der anderen Seite standen hingegen unter anderem Länder aus Nordosteuropa wie Polen. Litauen und Schweden hatten als Reaktion auf die Alleingänge Orbans bereits vor Tagen angekündigt, vorübergehend keine Ministerinnen und Minister zu Treffen nach Ungarn schicken.
Diskussion läuft seit Tagen
Über mögliche Reaktionen der EU auf Orbans Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin, Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ex-US-Präsident Donald Trump wird bereits seit Tagen diskutiert. Als besonders ärgerlich gelten sie, weil Ungarn derzeit die rotierende EU-Ratspräsidentschaft innehat. Es wird befürchtet, dass im Ausland der Eindruck entsteht, Orban spreche bei Treffen im Namen der Europäischen Union. Inhaltlich wird kritisiert, dass vor allem die Reise zu Putin als Entgegenkommen gewertet werden konnte. (dpa/ng)
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