• Die FDP blockiert beinahe im Alleingang eine Entscheidung, die auf EU-Ebene längst gefallen schien.
  • Nun wackelt gar der Beschluss an sich.
  • Kritik kommt an dem Umstand, mit wem die Partei für ihre Ziele gemeinsame Sache macht.

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Das krisengebeutelte Brüssel hat schon einiges erlebt. Aber dass eine kleine nationale Partei eine wichtige EU-Entscheidung auf den letzten Metern ausbremst, kommt extrem selten vor.

So geschehen mit der FDP und dem europäischen Plan, ab 2035 nur noch neu zugelassene Fahrzeuge ohne Kohlendioxid-Ausstoß auf die Straßen zu lassen. Wegen der Veto-Drohung der deutschen Liberalen gegen das sogenannte Verbrenner-Aus hat die EU den für kommenden Dienstag geplanten Beschluss kurzfristig vertagt.

Selbst hart gesottene EU-Vertreter sind überrascht, wie offen FDP, Grüne und SPD ihren Konflikt um den Verbrennungsmotor auf der europäischen Bühne austragen. Von "deutschem Drama" und "Theaterdonner" ist die Rede. Deutsche Führung in Europa? Mal wieder Fehlanzeige, sagt ein Diplomat.

Noch ausstehender Beschluss für das Verbrenner-Aus galt als Formalie

Eigentlich galt das Verbrenner-Aus in der EU als beschlossen, das Votum als Formalie. Die Mitgliedsländer und das Europaparlament hatten sich im Herbst auf den Kommissionsvorschlag geeinigt. Am Dienstag sollte das Gesetz in Brüssel vom Ministerrat nur noch durchgewinkt werden. Durch den Einspruch der FDP ist nun offen, ob und wann es zu einem Beschluss kommt.

Bleibt die FDP bei ihrem Veto, könnte die deutsche Regierung dem Verbrenner-Aus in Brüssel nicht zustimmen. Zuvor hatten auch Italien, Polen und Bulgarien Bedenken geäußert, der EU-Beschluss steht damit auf der Kippe.

Kritik an Schulterschluss der FDP mit Rechts-Regierungen in Italien und Polen

Besonders kritisch wird in anderen Mitgliedsländern gesehen, dass die FDP eine Allianz mit den Rechts-Regierungen in Rom und Warschau in Kauf nimmt. Die im Oktober angetretene italienische Regierung unter Postfaschistin Giorgia Meloni inszeniert sich als Retterin von Fiat und Co. "Mit unserem Nein haben wir Europa aufgeweckt", behauptet Melonis Parteifreund Adolfo Urso, Minister für Unternehmen und "Made in Italy".

Wie Italien ist auch Polen strikt gegen das Verbrenner-Aus - allerdings auch gegen den übergeordneten Plan, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Die nationalkonservative Regierung in Warschau verfolge aber ganz andere Ziele als die FDP, betont eine EU-Diplomatin: Polen will nach ihren Worten "Ausnahmen für die ärmsten Bürger erreichen statt für Luxusautohersteller".

FDP fordert von EU Ausnahme für E-Fuels

Nicht nur in Warschau wird vermutet, FDP-Chef Christian Lindner wolle eine "Lex Porsche" in Europa durchdrücken. Denn er und Verkehrsminister Volker Wissing sind nicht prinzipiell gegen Null-Emissionen bei Fahrzeugen ab 2035.

Sie fordern von der EU-Kommission aber eine Ausnahme für Benziner und Diesel, die mit synthetischen Kraftstoffen - sogenannten E-Fuels - betrieben werden. Porsche baut derzeit eine E-Fuel-Anlage in Chile, und Lindner fährt bekanntlich selbst einen Porsche.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen könnte zur Schlichterin werden

Schlichten könnte den Streit womöglich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Schließlich geht das Verbrenner-Aus auf ihre Behörde zurück. Von der Leyen und ihrer Kommission sei es "sehr wichtig, die neuen Bedenken besser zu verstehen", sagte eine Sprecherin am Freitag mit Blick auf die FDP.

Eine Gelegenheit bietet sich direkt an diesem Wochenende: Von der Leyen nimmt als Gast an der Kabinettsklausur der "Ampel" auf Schloss Meseberg teil, bei der eine ganze Reihe von Streitthemen zwischen FDP, Grünen und SPD auf den Tisch kommen.

Als CDU-Politikerin dürfte von der Leyen E-Fuels zudem gar nicht grundsätzlich abgeneigt sein. Schließlich spricht sich ihre Partei schon länger für Synthetik-Kraftstoffe aus. Wenn der deutsche Theaterdonner verklungen ist, könnte alles dann doch noch ein glückliches Ende nehmen, hofft man in Brüssel. (AFP/ank)

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