Friedrich Merz wechselt seinen Generalsekretär Mario Czaja gegen Carsten Linnemann aus. Von einem "Richtungswechsel" will er nicht sprechen. Doch daran lässt sich zweifeln.

Eine Analyse
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Der Alte und der Neue treten am Mittwoch noch einmal gemeinsam vor die Presse: Mario Czaja, scheidender CDU-Generalsekretär, und sein Nachfolger Carsten Linnemann stehen auf der Bühne im Konrad-Adenauer-Haus, in ihrer Mitte der Parteivorsitzende Friedrich Merz. Man gehe "mit großer Geschlossenheit in die Sommerpause", sagt Merz. Dabei ist die Auswechslung eines Generalsekretärs in Parteien eher ein Krisenzeichen.

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Eigentlich hätte sich der CDU-Chef entspannt in die Sommerpause zurücklehnen können. Ein Abgeordneter seiner Partei hat der Ampel-Koalition die Verabschiedung des umstrittenen Heizungsgesetzes vorerst vermasselt. Drei von vier Deutschen sind unzufrieden mit den regierenden Parteien. Keine schlechte Ausgangslage für die größte Oppositionspartei.

Doch nun muss Merz wieder über seine eigene Partei sprechen. Am Dienstag hat er die Zusammenarbeit mit seinen Generalsekretär Czaja beendet. CDU-Wirtschaftspolitiker Linnemann soll sein Nachfolger werden – Vorstand und Präsidium haben dem Schritt am Mittwoch einstimmig zugestimmt. Warum kommt es dazu? Und warum jetzt?

Mario Czaja: Hoffnungen enttäuscht?

Czaja sollte das perfekte Gegenstück zum konservativ-wirtschaftsfreundlichen Wessi Merz sein, eine ausgestreckte Hand nach Ostdeutschland und zum sozialen Flügel der Partei: Czaja ist gebürtiger Ost-Berliner, war in der Hauptstadt Sozialsenator und gewann 2021 erstmals für die CDU den Bundestagswahlkreis Marzahn-Hellersdorf, der seit der Wiedervereinigung fest in der Hand der Linken war. Czaja habe dort gezeigt, "dass er Kampagne kann", lobte Merz Ende 2021, als er den Berliner als seinen künftigen Generalsekretär vorstellte.

Die Erwartungen erfüllten sich jedoch nicht. Czaja wird mangelnde Präsenz an der Basis vorgeworfen. Von der großen Unzufriedenheit über das Heizungsgesetz der Bundesregierung profitiert die Union zudem nur bedingt. Seine Auftritte absolvierte Czaja stets mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Von einem Generalsekretär werden aber gerade in der CDU Wadenbeißer-Qualitäten verlangt.

Sieht das auch Friedrich Merz so? Das bleibt am Mittwoch offen. Der Parteichef lobt Czaja zum Abschied freundlich. Er will aber nicht erklären, warum er sich zu diesem Zeitpunkt für seine Ablösung entschieden hat: "Ich bitte um Verständnis, dass ich die Gründe nicht im Detail wiedergebe."

Viel Zuspruch für Personalie Carsten Linnemann

Von Linnemann sind schärfere Töne zu erwarten. Der Paderborner gilt als unternehmerfreundlich und gesellschaftlich konservativ. Als Chef der Kommission, die gerade ein neues Grundsatzprogramm erarbeitet, ist er in der CDU gut vernetzt. Für seine Beförderung gibt es viel Applaus aus den Reihen der Christdemokraten. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei, nennt ihn einen "Glücksfall" für die Partei.

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Linnemann will die Partei modernisieren und kampagnefähiger machen. Den Menschen im Land müsse die Partei "Orientierung und Halt" geben. "Genau das macht die Bundesregierung nicht", sagt er. Die Trauer über den Weggang von Czaja hält sich in der Partei offenbar in Grenzen – selbst bei der Arbeitnehmervereinigung CDA. "Auf geht’s Carsten Linnemann mit neuem Programm, frischen Ideen und anderen Gesprächsformaten für unsere Volkspartei", schreibt der ostdeutsche Abgeordnete und CDA-Vertreter Sepp Müller auf Twitter.

Linnemann ist "Merz pur"

Czajas Abschiedsworte klingen am Mittwoch trotzdem selbstbewusst. Die CDU habe in den vergangenen 20 Monaten den richtigen Ton gefunden, sei eine konstruktive Opposition und sei "als breites Team" angetreten. Im Gegensatz zu anderen konservativen und christdemokratischen Parteien Europas sei man eine Volkspartei geblieben. Das klingt fast wie: Genauso muss es weitergehen.

Wahrscheinlich weiß auch Czaja: Die Auswechslung seines wohl wichtigsten Mitarbeiters ist für Merz nicht ohne Risiko. Die Bundestagswahl 2021 hat die CDU auch nach eigener Einschätzung im Osten verloren. Im kommenden Jahr stehen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wichtige Landtagswahlen an. Ist die Absetzung eines ostdeutschen Generalsekretärs da ein kluges Signal?

Brandenburgs CDU-Landeschef Jan Redmann warnte am Mittwoch: "Die CDU darf nicht zu einer westdeutschen Partei werden, dann wird sie im Osten keine Chance haben." Auch ein soziales Profil könnte in der Konkurrenz mit Linken, SPD und AfD durchaus hilfreich sein.

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"Kein Richtungswechsel" – oder doch?

Linnemann ist programmatisch eher Merz 2.0. Zudem kommt er wie sein zukünftiger Chef aus Nordrhein-Westfalen – ein Landesverband, der in der Bundes-CDU ohnehin schon reichlich vertreten ist. Die Stuttgarter Zeitung kommentierte am Mittwoch, die Partei müsse sich öffnen, neue Gruppen gewinnen. Linnemann aber sei ein Konservativer nach dem Geschmack des Chefs. "Als Generalsekretär wird er Merz pur verkaufen. Und genau das ist das Problem."

Merz ist sich dieses Problems offenbar bewusst. Man habe darüber gesprochen, sagt er am Mittwoch. Zu welchem Ergebnis man kam, verrät er nicht. Merz nimmt für sich wie auch für Linnemann in Anspruch, die ganze Partei zu vertreten. Wirtschafts- und Sozialpolitik seien keine Gegensätze. "Das ist ein Personalwechsel und kein Richtungswechsel."

Ist das wirklich so? Carsten Linnemanns erste Worte als kommissarischer Chef-Strippenzieher der Partei lassen anderes vermuten. Seine ersten Botschaften: Die Menschen und die Wirtschaft bräuchten Planungssicherheit, Leistung muss sich wieder lohnen. Überstunden zum Beispiel sollten nach seinem Geschmack steuerfrei sein. Der Staat müsse Menschen helfen, die nicht mehr arbeiten können – aber mit denjenigen streng umgehen, die nicht arbeiten wollen. Das sind andere Töne, als man sie von Mario Czaja erwartet hätte.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz der CDU
  • stuttgarter-zeitung.de: Mann der leisen Töne
  • dpa

Merz tauscht Generalsekretär aus: Linnemann ersetzt Czaja

Der Posten des Generalsekretärs der CDU wird neu besetzt. Carsten Linnemann folgt auf den parteiintern in die Kritik geratenen Mario Czaja. Zu den genauen Beweggründen äußerte sich Parteichef Friedrich Merz nicht. (Bild: AFP/John MacDougall)
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