Der Konflikt zwischen den USA und Iran schwelt weiter. Welche Ziele verfolgen beide Staaten? Und wo stehen Saudi-Arabien und die Europäer in der aktuellen Konfrontation? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Konflikt in der Golfregion.
Iranische Revolutionsgarden schießen eine amerikanische Drohne ab, der US-Präsident zieht daraufhin einen Angriff auf das Land erst in letzter Minute zurück: Der Konflikt zwischen den beiden Ländern hat sich in den vergangenen Wochen zugespitzt. Einen Krieg zu befürchten, sei angesichts dieser Ereignisse nicht mehr übertrieben, sagt Cornelius Adebahr von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im Gespräch mit unserer Redaktion. Doch worum geht es genau? Und welche Interessen verfolgen die einzelnen Staaten? Ein Überblick:
Was ist in dem Konflikt bisher geschehen?
Mitte Juni kam es zu Angriffen auf Öl-Tanker im Persischen Golf. Die gefundenen Minen sollen iranischen Modellen ähneln. Eine Drohgebärde Teherans? Das vermuteten jedenfalls die Gegenspieler Irans in der Region.
Am 20. Juni meldeten die iranischen Revolutionsgarden dann, eine amerikanische Drohne abgeschossen zu haben. Das unbemannte Flugobjekt soll zuvor in den iranischen Luftraum eingedrungen sein. Das US-Militär dagegen erklärte, die Drohne habe sich über internationalen Gewässern befunden.
Die Stimmung schaukelte sich weiter auf. Irans Präsident Hassan Rohani kritisierte das Verhalten der USA scharf. Die Sanktionen seien "ein Zeichen geistiger Behinderung". Trump drohte daraufhin: Jede Attacke "auf etwas Amerikanisches" werde auf entschiedene Gegenwehr der USA stoßen – und das bedeute die "Vernichtung" des Iran.
In den vergangenen Tagen war es zunächst ruhiger – doch der Iran provoziert weiter: Anfang dieser Woche bestätigte die Atomenergiebehörde iranische Angaben, wonach Teheran die erlaubte Menge von 300 Kilogramm angereicherten Urans überschritten habe.
Was ist der Hintergrund des Konflikts?
Diese Maximalmenge von 300 Kilogramm war im Atom-Abkommen festgehalten, das 2015 von der EU, den USA, Iran, Russland und China beschlossen worden war: Wirtschaftliche Sanktionen gegen Iran sollten schrittweise wegfallen – im Gegenzug erklärte sich Teheran bereit, sein Atomprogramm einzufrieren und Inspekteure der Internationalen Atomenergiebehörde ins Land zu lassen.
Der Deal sollte die Wirtschaftsbeziehungen beleben und gleichzeitig Iran vom Bau einer Atombombe abhalten. Doch im Mai 2018 erklärte der US-Präsident den Ausstieg der USA aus dem Abkommen. Der Deal sei "faul", kritisierte Trump – und er habe Iran nicht davon abgehalten, Nuklearwaffen zu entwickeln.
Wer bestimmt derzeit die Politik Irans?
Die iranische Politik wird seit langem von einer Rivalität geprägt: Auf der einen Seite stehen gewählte Politiker wie Präsident Hassan Rohani, auf der anderen das konservativere Umfeld des Obersten Rechtsgelehrten und Revolutionsführers Ali Chamenei. Letzter gilt als starker Mann des Landes.
"Eine so zentrale Entscheidung, ob mit den USA über ein neues Abkommen verhandelt wird, trifft weiterhin Chamenei", erklärt Iran-Experte Cornelius Adebahr. "Auch die Revolutionsgarden haben bei militärischen Aktionen weitgehende Freiheiten." Das moderate Establishment sei in der vergangenen Zeit durchaus an die Hardliner herangerückt.
Würde Iran von einer militärischen Eskalation profitieren?
Zunächst profitiert Chamenei davon, dass sich viele Iraner nun hinter ihn stellen. Dass gegen sein Umfeld erneut harte Sanktionen verhängt wurden, sei vielen Menschen übel aufgestoßen, sagt Adebahr – auch solchen, die Chamenei eigentlich nicht nahestehen: "Es gibt im Land derzeit kaum Stimmen, die fordern, dass die Regierung klein beigibt."
Allerdings sei eine militärische Eskalation sicher nicht im Sinne Irans, das bei einem Krieg "hoffnungslos unterlegen" wäre. "Am liebsten wäre es Iran, wenn das Nuklear-Abkommen erhalten bliebe und die wirtschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahre weitergehen könnte."
Welche Ziele verfolgen die USA?
Diese Frage ist schwierig zu beantworten, denn die Ziele amerikanischer Politiker sind keineswegs deckungsgleich. Von Präsident Trump ist bekannt, dass er kein großer Freund militärischer Interventionen ist. Auch wichtige Kommentatoren, auf die er gerne hört, sind strikt dagegen.
"Trump will vor allem einen Deal mit Iran, den er im Vergleich mit dem bisherigen Abkommen als den besseren Deal bezeichnen könnte", sagt Cornelius Adebahr. Der Präsident lässt kaum eine Gelegenheit aus, um das bisherige Abkommen zu kritisieren, das noch sein Vorgänger Obama ausgehandelt hatte.
Auch die beiden Kammern des Kongresses wollen in einer so wichtigen Frage mitreden. Die oppositionellen Demokraten, die im Repräsentantenhaus derzeit die Mehrheit stellen, seien gegen jegliche Auseinandersetzung, erklärt Experte Adebahr. "Aber auch im Senat und bei den Republikanern gibt es viele Stimmen, die auf Mäßigung drängen."
Das alles würde eigentlich dagegen sprechen, dass die USA die Situation weiter zuspitzen. Allerdings gibt es auch mächtige Politiker der Trump-Verwaltung, die eine andere Sichtweise vertreten.
Das gilt für Außenminister Mike Pompeo, vor allem aber für Trumps Sicherheitsberater John Bolton. "Bei Bolton ist auch der Wunsch nach einer militärischen Intervention und einem Regimewechsel in Iran zu erkennen", erklärt Cornelius Adebahr.
Was wollen die US-Verbündeten in der Golfregion?
Zu diesen Verbündeten zählen vor allem Irans großer Gegenspieler Saudi-Arabien, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Israel. Auffällig ist nach Einschätzung von Cornelius Adebahr, dass sich diese Staaten im aktuellen Konflikt sehr zurückhalten: An einer Eskalation sind sie offenbar nicht interessiert.
Saudi-Arabien und Iran bekämpfen sich indirekt bereits im Jemen, wo sie die unterschiedlichen Bürgerkriegsparteien unterstützen. Die Saudis hätten die US-Kampagne des unbegrenzten Drucks gegen Iran bisher vorbehaltlos unterstützt, sagt Adebahr.
Allerdings gehe es ihnen um wirtschaftlichen Druck. Saudi-Arabien ist bei einem Großteil seiner Erdöl-Exporte auf die Ausfuhr über den Persischen Golf angewiesen. Würde Iran im Zuge eines Krieges zum Beispiel die Straße von Hormus sperren, würde das für Saudi-Arabien große wirtschaftliche Probleme bedeuten.
Wo stehen die Europäer?
Die EU ist eine Art Hüterin des bisherigen Atom-Abkommens mit dem Iran. Deswegen drängen die Europäer auch darauf, den Deal zu erhalten – und die Situation mit diplomatischen Mitteln zu entspannen. Bisher sind sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien in ihrer Strategie auch weitgehend einig.
"Die Europäer missbilligen die Regionalpolitik Irans genau wie den starken Druck der Amerikaner", sagt Cornelius Adebahr. Doch wie lange kann Europa noch zwischen den Fronten bleiben? Der Wissenschaftler jedenfalls glaubt: "Falls es wirklich zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen sollte, könnten sich die Europäer nicht auf eine neutrale Position zurückziehen."
Wie könnte der Konflikt entschärft werden?
Europa muss nach Einschätzung von Adebahr gemeinsam mit Russland und China darauf drängen, dass Iran sich weiter an das Atom-Abkommen hält. Eine mäßigende Wirkung könnte auch der Kongress in den USA haben, da es wie erwähnt auch dort viele Politiker gibt, die eine Eskalation vermeiden wollen.
Hinzu kommt nach Einschätzung des Experten ein Weg, der allerdings nur mittelfristig eine Lösung in Gang bringen könnte. Er würde direkt auf die Region abzielen:
"Regionale Formate könnten einen Sicherheitsdialog rund um den Persischen Golf in Gang bringen, an dem auch andere Staaten wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Kuwait oder der Irak teilnehmen könnten", sagt der Wissenschaftler. Solche regionalen Sicherheitsforen bei der UNO seien schon im Kalten Krieg für die Region im Gespräch gewesen.
Verwendete Quellen:
- Dr. Cornelius Adebahr, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Alfred von Oppenheim-Zentrum für Europäische Zukunftsfragen
- Deutsche Presse-Agentur
- NZZ.ch: Fünf Antworten zum Atom-Abkommen mit Iran
- Twitter-Account von Donald Trump
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