Lässt sich nur mit Drohungen mehr Solidarität in Europa erzwingen? Davon ist Italiens Regierung offenbar fest überzeugt. In der Flüchtlingsfrage erhöht diese weiter den Druck – und stellt der EU ein Ultimatum.

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Luigi Di Maio, Chef der italienischen Regierungspartei Fünf-Sterne-Bewegung, hat der EU mit einem Stopp von Beitragszahlungen gedroht: Sollte es nicht noch an diesem Freitag eine Lösung für die 150 Flüchtlinge an Bord des Küstenwachenschiffs "Diciotti" geben, seien er und "die gesamte Fünf-Sterne-Bewegung nicht mehr bereit, der EU jedes Jahr 20 Milliarden Euro zu geben", sagte der Vize-Premier in einem Video auf seiner Facebookseite.

Italiens Regierung fordert seit längerer Zeit Solidarität von Europa und weigert sich, über das Mittelmeer geflüchtete Menschen in Italien an Land zu lassen, solange sich nicht andere EU-Länder zur Aufnahme der Migranten bereiterklärt haben.

Als Frist für eine Einigung unter den Mitgliedsstaaten nannte er das Ende eines EU-Treffens an diesem Freitag in Brüssel – doch dort sollte eigentlich ergebnisoffen über langfristige Lösungen gesprochen werden. Nach dem Abschluss der Gespräche am Nachmittag gab es zunächst keine Angaben über mögliche Ergebnisse.

EU-Kommission: "Drohungen nicht hilfreich"

Die als Vermittlerin zwischen den EU-Mitgliedstaaten agierende EU-Kommission zeigte sich über die Äußerungen wenig begeistert. "Wir sind überzeugt, dass unkonstruktive Kommentare oder gar Drohungen nicht hilfreich sind und sie werden uns nicht näher an eine Lösung bringen", sagte ein Sprecher am Mittag. Die Kommission arbeite ununterbrochen daran, eine Lösung für die Menschen auf der "Diciotti" zu finden.

Auf dem Schiff der italienischen Küstenwache harren seit mehr als einer Woche gerettete Migranten aus, die mehrheitlich aus Eritrea kommen. Zwar durften mittlerweile 27 Minderjährige im Hafen von Catania von Bord, es sind aber immer noch 150 Migranten auf dem Schiff.

Nach Angaben eines Abgeordneten, der an Bord war, spitzt sich die Lage dort zu. Er habe von der Hafenbehörde die Information bekommen, dass Migranten in einen Hungerstreik getreten seien, twitterte Davide Faraone von der sozialdemokratischen Partei PD. Er gab wenig später aber bekannt, dass der Hungerstreik wieder vorbei sei.

Um über den Umgang und eine mögliche Verteilung von im Mittelmeer geretteten Migranten zu reden, hatte die EU am Freitag Regierungsvertreter aus den Mitgliedstaaten nach Brüssel eingeladen, die sich zuletzt aufgeschlossen für ein EU-weite Lösung gezeigt hatten. Neben Deutschland waren das Italien, Griechenland, Malta, Österreich, Spanien, Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, Irland und Portugal.

Ob am Rande auch eine Lösung für die Migranten auf der "Diciotti" gefunden wurde, blieb zunächst unklar. Unklar blieb auch, wie Italien EU-Zahlungen in Höhe von 20 Milliarden Euro einstellen will - 2017 leistete das Land nach Kommissionszahlen nur einen Netto-Betrag von rund 3,6 Milliarden Euro.

Salvini will Orbán treffen

Italien hatte zuletzt mit blockierten Schiffen verstärkt Druck auf die anderen EU-Länder gemacht. Vor allem Innenminister Matteo Salvini zeigt harte Hand. Er will am Dienstag in Mailand den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán treffen.

Salvini will Migranten zurück nach Libyen schicken, wo ihnen Folter droht. Laut Menschenrechtskonvention ist das aber nicht zulässig. Dies wolle er ändern, so Salvini.

Die stellvertretende deutsche Regierungssprecherin Ulrike Demmer sagte mit Blick auf die laufenden Verhandlungen in Brüssel: "Für die Bundesregierung ist und bleibt es natürlich wichtig, dass es dauerhafte, verlässliche europäische Lösungen im Umgang mit aus Seenot geretteten Flüchtlingen gibt."

Diese Lösungen müssten "zügig auf europäischer Ebene erarbeitet werden". Deutschland sei bereit, seinen Beitrag zu leisten. Besonders belastete Länder wie Italien dürfe man nicht alleine lassen. Die Solidarität aller EU-Mitgliedstaaten sei hier gefragt.

Zuletzt hatten sich Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Portugal und Spanien vor rund eineinhalb Wochen bereit erklärt, 141 Migranten von dem Rettungsschiff "Aquarius" aufzunehmen. Diese hatte zuvor mehrere Tage auf See ausharren müssen, bevor Malta sich bereit erklärte, es einlaufen zu lassen. (jwo/dpa/AFP)  © dpa

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