Was hilft gegen den hohen Krankenstand in Deutschland? Teile der Wirtschaft fordern einen Karenztag bei der Lohnfortzahlung. Die Linke hat eine andere Idee – mehr Freizeit.
Es ist ein Vorschlag, der polarisiert: In Deutschland soll es wieder einen Karenztag bei der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geben. So hat es Allianz-CEO Oliver Bäte vorgeschlagen. Das heißt: Wer krank ist, bekommt vom Arbeitgeber kein Geld. Zumindest nicht am ersten Tag.
Bundesgesundheitsminister
Fakt ist allerdings: Der Krankenstand in Deutschland ist hoch. Höher als im Ausland. Deutsche Arbeitnehmer fallen im Schnitt 20 Tage pro Jahr aus. Das ist deutlich mehr als der europäische Durchschnitt mit acht Tagen.
Was also tun?
Hoher Krankenstand: Die Linke will Arbeitsbedingungen verbessern
Die Linke macht jetzt einen Vorschlag, der in eine andere Richtung zielt – nämlich hin zu mehr Freizeit. Der stellvertretende Parteichef Ateş Gürpınar fordert, Feiertage, die aufs Wochenende fallen, auszugleichen. "Anstatt den Beschäftigten mit der Einschränkung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall die Daumenschrauben noch weiter anzuziehen, muss die Politik nun endlich etwas für bessere Arbeitsbedingungen tun", sagte er unserer Redaktion.
Ein wesentlicher Grund für die hohen Krankenstände seien "starke Arbeitsbelastung, viele Überstunden und Stress". "Es hilft überhaupt nicht, wenn sich in Zukunft noch mehr Menschen krank zur Arbeit schleppen oder Kranke mit weniger Geld bestraft werden. Das Gegenteil ist nötig", sagte er.
Gürpınars Idee: das Arbeitszeitgesetz so überarbeiten, dass es eine entsprechende Regelung zum Ausgleich vorsieht. Die Linke argumentiert, dass dies im nächsten Jahr mindestens zwei bundesweite und bis zu vier regionale Feiertage betreffe. "Es ist höchste Zeit, dafür zu sorgen, dass die Feiertage nachgeholt werden können", so Partei-Vize Gürpınar. Eine solche Regelung gebe es in vielen Ländern weltweit.
Exklusiv-Umfrage: Mehr als jeder Zweite würde verschnupft zur Arbeit gehen
Dass ein Karenztag bei der Lohnfortzahlung Auswirkungen auf das Verhalten der Beschäftigten haben könnte, zeigt auch eine repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag unserer Redaktion. Bei einer Lohnkürzung würden sich mehr Deutsche krank ins Büro oder in den Betrieb schleppen. Zumindest bei einer leichten Erkältung.
53 Prozent der Befragten gaben an, dann arbeiten zu gehen. Davon sagten 36 Prozent, sie würden "eindeutig" oder "eher" krank zur Arbeit zu gehen. 24 Prozent der Befragten würden bei Krankheit zu Hause bleiben – und auf Lohn verzichten. 13 Prozent sind in dieser Frage unsicher.
Im politischen Berlin fand der Vorstoß von Allianz-CEO Bäte wenig Anklang. Die FDP-Fraktion präsentierte daraufhin einen eigenen Vorschlag: Sie wirbt für eine steuerfreie Bonuszahlung, wenn Beschäftigte nicht krank sind. Arbeitgeber könnten die für jeden krankheitsfreien Monat zusätzlich zum Grundgehalt gewähren. (fah)
Verwendete Quellen
- Schriftliches Statement von Linken-Vizechef Ateş Gürpınar
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