Aus einer Sitzung des Verteidigungsausschusses sollen vertrauliche Informationen weitergegeben worden sein. Der Vorgang sorgt für Unruhe in Berlin: Die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas machen einander Vorwürfe.

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Die Diskussion um den Marschflugkörper Taurus hat die deutsche Politik jetzt schon zum zweiten Mal in eine missliche Lage gebracht: Vor einigen Wochen war es Russland gelungen, ein geheimes Gespräch der Luftwaffe abzuhören. Und nun sind vertrauliche Informationen aus dem Verteidigungsausschuss an die Öffentlichkeit geraten. Worum geht es bei dem Vorgang?

Worum geht es bei der Taurus-Lieferung?

Die von Russland angegriffene Ukraine bittet Deutschland seit Monaten um die Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers, um sich zu verteidigen. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt das ab. Er verweist auf die große Reichweite von 500 Kilometern. Aus seiner Sicht könnte Deutschland bei einer Taurus-Lieferung in den Krieg hineingezogen werden.

Was ist im Verteidigungsausschuss passiert?

Hintergrund ist ein Bericht des Nachrichtenportals "t-online". Darin wurde der geheime Teil der Sondersitzung des Ausschusses am 11. März thematisiert. Demnach sprach Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer dort über die Zielsteuerung von Taurus-Marschflugkörpern. Dabei soll es laut "t-online" auch um die Folgen einer Taurus-Lieferung an die Ukraine für die Sicherheit Deutschlands gegangen sein.

In dem Bericht wird eine Quelle zitiert, die sagt, dass bei einer Taurus-Lieferung eine Fähigkeitslücke entstünde, die die "Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte" empfindlich beeinträchtigen würde.

Wie will die Ausschussvorsitzende vorgehen?

Es handelte sich wie gesagt um eine geheime Sitzung, in der die Abgeordneten sensible Informationen erhielten. Die Ausschussvorsitzende Marie-Agnes Strack-Zimmermann will deshalb die Staatsanwaltschaft einschalten – damit diese ermittelt, wer den Geheimnisverrat begangen haben könnte.

"Aus einer geheimen Sitzung Informationen preiszugeben, ist ein No-Go. Wir hoffen, dass wir die entsprechende Person ermitteln und diese dann die Konsequenzen zu spüren bekommt", sagte die FDP-Politikerin am Freitag der "Süddeutschen Zeitung" (Bezahlinhalt).

Wer war in der Ausschusssitzung anwesend?

Die "Rheinische Post" beruft sich auf einen Brief von Strack-Zimmermann an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Darin heißt es demnach, an der fraglichen Sitzung hätten insgesamt etwa 105 Personen teilgenommen, "darunter zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung und der Landesvertretungen".

"Es ist also nicht zwingend, dass die Informationsweitergabe aus dem parlamentarischen Raum erfolgt ist", schreibt die FDP-Politikerin demnach weiter.

Was sagt die Bundestagspräsidentin zu dem Vorgang?

Bärbel Bas reagierte mit einer Gegenfrage: Warum waren so viele Personen in der vertraulichen Sitzung anwesend? Eigentlich besteht der Verteidigungsausschuss aus 38 Bundestagsabgeordneten. Dass mehr Personen bei so einer Sitzung anwesend sind, ist allerdings nicht ungewöhnlich. Die Zahl 105 findet Bas aber offenkundig zu hoch.

Bei Sitzungen, in denen geheime Informationen weitergegeben würden, sollte der Teilnehmerkreis eigentlich so klein wie möglich gehalten werden, sagte Bas am Montag der "Welt". Das sei mit den Vorsitzenden aller sicherheitsrelevanten Ausschüsse auch so vereinbart. "Wenn ich höre, dass an der besagten Sitzung 105 Leute teilgenommen haben, dann kann ich mich nur darüber wundern, dass die Vorsitzende dies zugelassen hat", sagte Bas. Es sei ihr unbegreiflich, wie unter diesen Umständen Vertraulichkeit gewahrt sein solle.

Wie reagiert Strack-Zimmermann auf die Kritik?

Sie hat die Kritik von Bas scharf zurückgewiesen. Die Antwort von Bas auf ihre Anzeige eines möglichen Geheimnisverrats habe sie "mit Irritation zur Kenntnis genommen", schrieb die FDP-Politikerin an Bas. Das Schreiben vom Montag lag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Dienstag vor.

"Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass der an den Ausschusssitzungen teilnehmende Personenkreis nicht in meinem Belieben steht", schrieb Strack-Zimmermann in Reaktion auf Äußerungen von Bas. Neben den Abgeordneten und Vertretern der Ministerien seien auch "Vortragende der Fachebene für detaillierte Antworten im Sitzungssaal anwesend".

Mit den anderen Fraktionen will Strack-Zimmermann jetzt besprechen, ob zum Beispiel Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten diese Sitzungen noch besuchen dürfen. Sie habe außerordentliches Interesse am Schutz der Sitzungsinhalte und zahlreiche Anzeigen wegen mutmaßlichen Geheimnisverrats gestellt, schrieb Strack-Zimmermann an Bas. "Ich erachte es daher als unpassend, dass Sie mir mit Ihrem heutigen Schreiben das Gegenteil unterstellen." (dpa/fab)

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