Die Lokführergewerkschaft GDL lässt die Muskeln spielen: Mit einem sechstägigen Streik legt sie den Bahnverkehr in Deutschland lahm. Verkehrspolitiker zeigen dafür wenig Verständnis – mit einer Ausnahme.
Es ist der vierte und bisher längste Streik der Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) im laufenden Tarifkonflikt mit der Bahn: Seit der Nacht auf Mittwoch (24.01.) stehen die Züge in Deutschland still – und das für ganze sechs Tage. Bis Montagabend soll der Ausstand dauern.
Millionen Pendler sind davon betroffen, nach Schätzungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) entsteht ein Schaden von 100 Millionen Euro. Pro Tag.
GDL-Streik: SPD kritisiert Gewerkschaft deutlich
Ist dieser Streik angemessen? Zumindest in der Politik überwiegt die Kritik am Vorgehen der GDL. Selbst die traditionell gewerkschaftsfreundliche SPD zeigt wenig Verständnis. "Die von der GDL praktizierte Form der Tarifauseinandersetzung übersteigt das Maß des Zumutbaren", sagte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Isabel Cademartori, unserer Redaktion.
Es sei das gute und grundsätzlich geschützte Recht der GDL, den Bahnverkehr zu bestreiken. "Aber es ist auch ihre Verpflichtung, dabei nicht Maß und Mitte aus den Augen zu verlieren", sagte die Politikerin.
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Darum geht es zwischen Bahn und GDL
Fakt ist: Die Bahn hat der GDL erst kürzlich ein neues Angebot vorgelegt. Dabei kam sie der Gewerkschaft auch in einer ihrer zentralen Forderungen entgegen: der Arbeitszeitverkürzung. Der Konzern war bereit, die Wochenarbeitszeit um eine Stunde abzusenken – ohne finanzielle Einbußen für die Beschäftigten. Alternativ sollten sie 2,7 Prozent mehr Geld erhalten. Aktuell beträgt die Wochenarbeitszeit für Lokführer 38 Stunden. Die GDL fordert eine 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.
Außerdem hat der Konzern angeboten, die Einkommen der Lokführer in zwei Schritten um 4,8 Prozent und fünf Prozent bis April 2025 zu erhöhen. Zudem stellte der Konzern eine steuer- und abgabenfreie Inflationsprämie von 2850 Euro in Aussicht. Die GDL aber fordert 555 Euro mehr Gehalt pro Monat und eine Prämie von 3000 Euro. Verhandlungen über das neue Bahn-Angebot lehnte sie ab.
Dieses Verhalten werfe viele Fragen auf, findet SPD-Frau Cademartori. Tarifverhandlungen dürften nicht "regelmäßig zu einem unberechenbaren Stillstand auf der Schiene führen".
CDU: Streik der GDL "vollkommen unangemessen"
Die Opposition im Bundestag fordert derweil eine härtere Gangart gegen Gewerkschaften. Als "vollkommen unangemessen" bezeichnete Christoph Ploß (CDU), Obmann der Unionsfraktion im Verkehrsausschuss, den Streik der GDL. Er sagte unserer Redaktion: "Wenn es keine Reform des Streikrechts gibt, können wir uns in Deutschland Debatten darüber sparen, ob wir mit der Bahn die Klimaziele erreichen."
Damit stellt sich Ploß hinter Forderungen der CDU-Politikerin Gitta Connemann, die im Deutschlandfunk für ein "gesetzliches Arbeitskampfrecht" plädierte. Dies müsse "bei kritischer Infrastruktur wie der Bahn zwingend ein Schlichtungsverfahren vor einem Arbeitskampf beinhalten", sagte Connemann, die auch Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist. Außerdem müsse es eine Ankündigungsfrist vor Streiks in der kritischen Infrastruktur geben, dazu zähle auch die Bahn.
Verhärteter Konflikt zwischen Bahn und GDL: Grüne für Schlichter
Für die Bahn-Kunden stellt sich aktuell eine andere Frage dringender: Wie geht es nach dem aktuellen Streik weiter? Die GDL hat in einem Schreiben an die Bahn noch einmal ihre Forderungen unterstrichen – und darauf verwiesen, dass die Arbeitszeit schrittweise bis zum 1. Januar 2028 reduziert werden solle. Die Bahn lehnt das weiterhin ab. Es handele sich lediglich um die "Wiederholung altbekannter Maximalforderungen", sagte eine Sprecherin am Mittwochmorgen.
Aus Sicht der Grünen braucht es einen Vermittler, um die festgefahrenen Verhandlungen aufzulösen. "Die Konfliktparteien müssen zurück an den Verhandlungstisch", sagte Grünen-Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar unserer Redaktion. Seine Idee: "Ein Schlichter könnte Vorschläge einbringen, an die zuvor noch niemand dachte, um die Pattsituation aufzulösen."
Der Bundestagsabgeordnete Gelbhaar schlägt zudem eine Anpassung beim Tarifeinheitsgesetz vor. Wenn alle Gewerkschaften am Verhandlungstisch säßen, sagt er, führe dies zu mehr Kompromissfähigkeit unter allen Verhandlungsparteien. Bei der Bahn konkurrieren GDL und die deutlich größere Eisenbahnergewerkschaft EVG um Mitglieder. Beide Gewerkschaften reklamieren für sich, die Angestellten der Bahn in Tarifverhandlungen zu vertreten – und überbieten sich dabei regelmäßig in ihren Forderungen.
Das Tarifeinheitsgesetz befeuert den Konflikt zusätzlich. Es besagt, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. In 18 von 300 Betrieben innerhalb des Bahnkonzerns gilt der Tarifvertrag der deutlich kleineren GDL – die Gewerkschaft versucht daher, ihren Einfluss auszudehnen.
Linke stellt sich hinter GDL
Einzig die Linke stellt sich im aktuellen Tarifkonflikt auf die Seite der GDL. Der frühere Parteichef und heutige Verkehrspolitiker Bernd Riexinger sagte unserer Redaktion, dass der Streik "nicht nur berechtigt, sondern auch notwendig" sei. "Die Weigerung des Bahnvorstands, ein ernsthaftes Angebot zu unterbreiten, ist die eigentliche Ursache für den Streik", sagte Riexinger. Die "alleinige Schuld für aktuelle Zugausfälle" liege bei der Bahn. Forderungen aus der Union, das Streikrecht einzuschränken, wies Riexinger zurück.
Und die Bahn? Eine Sprecherin warf der Gewerkschaft am Mittwoch vor, "mit dem Kopf durch die Wand" zu wollen. Die Bahn sei gesprächsbereit, "doch die GDL verweigert sich und eskaliert die Lage", sagte sie weiter.
Verwendete Quellen
- Stellungnahmen von Isabel Cademartori, Stefan Gelbhaar, Christoph Ploß und Bernd Riexinger
- deutschlandfunk.de: Connemann (CDU): Brauchen gesetzliches Arbeitskampfrecht
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