Nach dem Urteil aus Karlsruhe fehlen der Ampel 60 Milliarden Euro. Die Vorstellungen, wie sich die Haushaltskrise bewältigen lässt, gehen dabei weit auseinander. Die FDP bringt Kürzungen bei Sozialleistungen ins Spiel. Davon wollen SPD und Grüne allerdings nichts wissen.

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In der Debatte um Konsequenzen aus dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat sich der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr für Sozialkürzungen ausgesprochen.

"Die Koalition ist aufgefordert, Lösungen zu finden, um die Staatsfinanzen weiter zu konsolidieren", sagte Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe "Dabei müssen wir auch darüber reden, wo der Sozialstaat seinen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten kann."

Tatsache sei, "dass Geld erst erwirtschaftet werden muss, bevor es verteilt werden kann", so Dürr. Steuererhöhungen seien "der falsche Weg, um die deutsche Wirtschaft anzukurbeln und den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder wettbewerbsfähig zu machen".

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte in seinem Urteil vom Mittwoch untersagt, Corona-Kredite nachträglich für Klimaschutz und die Modernisierung der Industrie umzuwidmen. Es fehlen daher 60 Milliarden Euro im sogenannten Klima- und Transformationsfonds, einem wirtschaftlich vom Kernhaushalt getrennten Sondervermögen.

Die große Frage ist, wie die Ampel-Koalition dieses Finanzloch stopfen wird.

Grünen-Chefin Lang: Gürtel enger schnallen wird nicht funktionieren

Mit Blick auf die Aussagen Dürrs warnte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge die Ampelkoalition davor, auf das Urteil aus Karlsruhe mit Sozialkürzungen zu reagieren. "Kürzungen im sozialen Bereich kommen aus unserer Sicht nicht in Frage, weil das gerade in Zeiten hoher Inflation den sozialen Zusammenhalt gefährden würde", sagte Dröge den Funke-Zeitungen.

Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales beträgt mehr als 165 Milliarden Euro – das ist mehr als ein Drittel des Gesamtetats. Die größten Ausgabenposten mit gut 120 Milliarden sind Kosten für die Rentenversicherung und die Bundeszuschüsse für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Eine Reform der Schuldenbremse dagegen wäre "ökonomisch grundsätzlich sinnvoll", fügte Dröge hinzu. "Es können darüber hinaus Spielräume im Haushalt geschaffen werden durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen." Das Umweltbundesamt (UBA) hatte darauf hingewiesen, dass sich im Jahr 2018 die umweltschädlichen Subventionen auf mindestens 65 Milliarden Euro beliefen – neuere Daten liegen nicht vor.

Auch Grünen-Parteichefin Ricarda Lang machte am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt" deutlich, dass sie wenig von einem strikten Sparkurs halte. Die Logik, nun müsse der Gürtel enger geschnallt werden, werde am Ende nicht funktionieren.

"Denn so würden wir uns in eine wirtschaftliche und damit auch in eine soziale Krise in diesem Land hineinsparen." Gerade am Sozialen zu sparen, sei keine gute Idee, denn die Regierung müsse auch den sozialen Zusammenhalt erhalten.

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SPD plädiert für Investitionen in Deutschland

Aus der SPD waren ähnliche Töne zu hören. SPD-Chef Lars Klingbeil sagte der Deutschen Presse-Agentur, das Urteil dürfe nicht "dazu führen, dass wir aufhören, unser Land zu modernisieren. Es geht uns um Arbeitsplätze und darum, dass wir ein starker Wirtschaftsstandort bleiben."

Es brauche Investitionen und Planungssicherheit, um das Land auf Vordermann zu bringen. "Deutschland hat sich in den vergangenen Jahren zu sehr auf dem Status quo ausgeruht. Das spüren wir gerade jeden Tag, wenn Züge nicht fahren oder Brücken nicht tragen", sagte der SPD-Parteichef.

SPD-Parteichefin Saskia Esken hatte zuletzt dafür plädiert, die Schuldenbremse 2023 und 2024 nicht anzuwenden.

FDP hält an Schuldenbremse in jetziger Form fest

Änderungen bei der Schuldenbremse stoßen allerdings auf Widerstand bei der FDP. Die Schlussfolgerung aus dem Karlsruher Urteil könne "nicht sein, dass man die Schuldenbremse umgeht oder versucht, die Schuldenbremse zu umgehen", sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Sonntagabend im "Bericht aus Berlin" der ARD.

"Wir müssen jetzt dieses Urteil zum Anlass nehmen, um die Schuldenbremse zu stärken." Djir-Sarai fügte hinzu: "Eine Schuldenpolitik in dieser Situation würde unsere eigene Handlungsfähigkeit in der Politik wegnehmen, und das wäre außerordentlich unklug."

Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse gibt dem Bund nur einen geringen Spielraum zur Aufnahme von Krediten. Ausnahmen sind bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zulässig, wie zuletzt wegen der Corona-Pandemie und des Kriegs in der Ukraine. Die Einhaltung der Schuldenbremse gehört zu den zentralen Wahlversprechen der FDP, in Teilen der Grünen und der SPD ist sie hingegen umstritten. (afp/dpa/thp)

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