Beim Brexit ist eine wichtige Etappe geschafft: Es liegt ein Vertragstext vor, der von den EU-Staats- und Regierungschefs unterschrieben werden könnte. Aber macht der Streit in London einen Strich durch die Rechnung?

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Nach dem Durchbruch bei den Brexit-Verhandlungen hat EU-Ratspräsident Donald Tusk einen Sondergipfel einberufen, um den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Großbritannien unter Dach und Fach zu bringen.

Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs solle am 25. November in Brüssel stattfinden, teilte Tusk am Donnerstagmorgen mit. "So traurig ich auch bin, euch gehen zu sehen, werde ich alles tun, um diesen Abschied so schmerzlos wie möglich zu machen, sowohl für euch als auch für uns", sagte Tusk in Richtung der Briten.

Die EU und Großbritannien hatten Anfang der Woche nach eineinhalbjährigen Verhandlungen einen Austrittsvertrag fertiggestellt, der einen geordneten Austritt am 29. März 2019 und eine knapp zweijährige Übergangsfrist bis Ende 2020 vorsieht.

Nach einer sehr langen Debatte sicherte sich die britische Premierministerin Theresa May am Mittwochabend die Zustimmung ihres Kabinetts. Damit ist aus Sicht der EU die Voraussetzung für den Sondergipfel gegeben.

Die vom EU-Chefunterhändler Michel Barnier erreichte Einigung sichere die wichtigsten Ziele der EU, sagte Tusk. Der mit dem Brexit verbundene Schaden werde begrenzt und die zentralen Interessen der verbleibenden 27 EU-Staaten sowie der Union als Ganzes würden geschützt.

"Wenn ich nicht sicher wäre, dass du (Barnier) dein Bestes gegeben hast, die Interessen der 27 zu wahren (...), würde ich nicht vorschlagen, diesen Deal abzuschließen."

Zitterpartie für May geht weiter

In London geht jedoch die Zitterpartie für May am Donnerstag weiter. Sie stellt den 585 Seiten starken Vertragsentwurf im Parlament in London vor - und muss sich auf heftigen Gegenwind einstellen.

Die Regierungschefin dürfte größte Schwierigkeiten haben, für den Deal eine Mehrheit im Unterhaus zu finden, das den Vertrag später ratifizieren muss.

Die Opposition kündigte an, gegen das Abkommen zu stimmen. Herbe Kritik kam auch von Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Partei und der nordirischen DUP. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen.

Schon das Kabinett tat sich nach Mays Worten schwer, den Entwurf anzunehmen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. "Aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist", sagte May am Mittwochabend.

Die Regierungschefin räumte mit Blick auf das Parlament in London ein: "Es liegen noch schwierige Tage vor uns."

"Entscheidende Etappe" erreicht

Einer der größten Widersacher Mays, der einflussreiche Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg, sprach in der BBC von einem "ziemlich miesen Abkommen".

Er kündigte an, im Parlament gegen den Entwurf zu stimmen. Die DUP-Chefin Arlene Foster teilte mit: "Als Unionisten können wir kein Abkommen unterstützen, das das Vereinigte Königreich auseinanderbrechen lässt." Das habe Folgen für die Abstimmung.

Auf EU-Seite zeichnet sich dagegen kaum Widerstand ab, auch wenn die 27 bleibenden Staaten und das Europaparlament den Vertrag zunächst genau prüfen wollen.

Irlands Regierungschef Leo Varadkar begrüßte die Entscheidung des britischen Kabinetts. May habe ihr Versprechen gehalten, den Friedensprozess und das Karfreitagsabkommen zu schützen.

EU-Chefunterhändler Barnier sprach am Mittwochabend in Brüssel von einer "entscheidenden Etappe", die nun erreicht sei. "Wir sind an einem wichtigen Punkt dieser außergewöhnlichen Verhandlungen angekommen", sagte Barnier. Es bleibe aber noch viel, viel Arbeit.

Bei dem geplanten Sondergipfel soll das Vertragswerk einschließlich einer politischen Erklärung für die künftigen Beziehungen unterzeichnet werden. Letztlich muss neben dem britischen Parlament auch das Europaparlament den Vertrag ratifizieren.  © dpa

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