Raus aus der Klinik, zurück im Weißen Haus. Vier Wochen vor der US-Wahl geriert sich Donald Trump als starker Mann, der das Coronavirus besiegt hat. Mit seinem Verhalten gibt der US-Präsident Kritikern neue Munition.

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Wie ein Sieger marschierte Donald Trump durch die goldenen Pforten des Walter-Reed-Militärkrankenhauses. Drei Tage nach seiner Einlieferung wegen einer Corona-Infektion verließ der Präsident die Klinik am Montagabend wieder, reckte den Daumen in die Höhe und wurde mit dem Hubschrauber zurück ins Weiße Haus geflogen, wo er demonstrativ seine Schutzmaske abnahm und salutierte.

So, als habe er nicht nur seine Krankheit besiegt, sondern auch die Pandemie insgesamt. Der mit starken Medikamenten behandelte 74-Jährige, der sich in vier Wochen zur Wiederwahl stellt, nutzte die eigene Corona-Infektion für eine politische Show – und einen höchst zweifelhaften Appell: "Habt keine Angst vor COVID-19. Lasst nicht zu, dass es euer Leben beherrscht", schrieb der Präsident auf Twitter.

Er selbst fühle sich nach drei Tagen im Krankenhaus "besser als vor 20 Jahren". In einer Videobotschaft ergänzte der US-Präsident: "Geht raus, seid vorsichtig."

"Keine Angst" angesichts eines Virus, das in den USA schon mehr als 7,4 Millionen Menschen infiziert und mehr als 210.000 Menschen getötet hat?

Bei den oppositionellen Demokraten brach sofort ein Sturm der Entrüstung aus, auch die Angehörigen der Opfer der Pandemie und schwer am Coronavirus Erkrankte dürften Trumps Aussagen als Affront empfinden. Auch, weil Trump eine erstklassige Behandlung erhielt, wie sie etwa mit einem experimentellen Antikörper-Cocktail wohl keinem zweiten US-Amerikaner zur Verfügung steht.

Scharfe Kritik von Trumps Herausforderer Biden

Trumps Wahlherausforderer Joe Biden rief den Präsidenten auf, sich mit seinen Äußerungen an die mehr als 200.000 Familien zu wenden, die ein Mitglied verloren hätten.

Der demokratische Senator Jeff Merkley sprach von der "Fortsetzung der furchtbaren und gefährlichen Ratschläge eben jenes Mannes, dessen Missmanagement die Krise so schlimm gemacht hat".

Die demokratische Abgeordnete Ilhan Omar twitterte: "Dieser Mann ist ungeeignet für das Präsidentenamt." Viele hoben auch hervor, dass der Präsident gut reden hat, wenn er sich auf die besten Ärzte des Landes und quasi unbegrenzte medizinische Ressourcen verlassen kann.

Trump versucht, sich weiterhin als starker Mann zu inszenieren

Trump versucht seit Bekanntgabe seiner Corona-Infektion vergangene Woche, politischen Profit aus der Ansteckung zu schlagen – oder zumindest den potenziellen politischen Schaden zu begrenzen.

Der Präsident, der auf ein Image der Stärke setzt und jedes Zeichen von Schwäche tunlichst vermeidet, inszenierte sich als Kämpfer, der es mutig mit dem Virus aufnimmt und der trotz der Infektion unermüdlich für die USA arbeitet.

Der Republikaner erklärte sogar, durch die Infektion zu einem wahren Corona-Experten geworden zu sein – indem er durch die harte Schule gegangen sei. "Ich habe viel über COVID-19 gelernt", sagte der Präsident am Sonntag in einem Internetvideo. "Ich habe es gelernt, indem ich zur wahren Schule gegangen bin."

Am selben Tag ließ sich Trump mit einem gepanzerten Fahrzeug an seinen vor dem Krankenhaus versammelten Anhängern vorbeikutschieren. Viele sahen das als weiteren Beweis für Trumps Rücksichtslosigkeit, weil der Präsident seine Personenschützer anstecken könnte.

Trump ist noch "nicht vollkommen über den Berg"

Der in Umfragen hinter Biden liegende Amtsinhaber will nun möglichst schnell wieder in den Wahlkampf einsteigen. Obwohl er nach wie vor ansteckend ist; obwohl viele Fragen zu seinem Gesundheitszustand offen bleiben; obwohl immer mehr seiner Mitarbeiter positiv auf SARS-CoV-2 getestet werden.

Trump präsentiert sich nun als COVID-19-Veteran, der wisse, was die mehr als 7,4 Millionen Amerikaner durchmachen mussten, die sich seit Beginn der Pandemie mit dem Coronavirus angesteckt haben. Trumps Stabschef Mark Meadows sagte am Montag im Sender Fox News, der Präsident verstehe, "was Millionen Amerikaner erleben mussten, als sie mit dieser Krankheit in Kontakt kamen".

Mit diesem Spin dürfte das Trump-Lager versuchen, ein Manko auszubügeln, das dem Präsidenten seit langem anhängt: dass er kaum Empathie zeigt. Ob ihm das gelingt, bleibt abzuwarten.

Trumps Leibarzt Sean Conley räumte am Montag ein, der Präsident sei noch "nicht vollkommen über den Berg". (afp/dpa/mf)

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