Beim Nato-Gipfel in Litauen will die Nato ihr Ziel für Mindestausgaben im Verteidigungsbereich verschärfen. Generalsekretär Jens Stoltenberg erwartet einen Beschluss, wonach künftig mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung ins Militär fließen sollen. Für Deutschland ist das ein Problem: Es würde nach bisherigem Stand das Zwei-Prozent-Ziel nur vorübergehend erreichen.

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Das Versprechen des Kanzlers

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versprochen, dass Deutschland nun "Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren" werde. Bei dem schon 2014 formulierten Nato-Ziel, die Verteidigungsausgaben Richtung zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, war Deutschland bis dahin kaum vorangekommen. 2022 waren es nach Nato-Daten nur 1,49 Prozent.

Sondervermögen als Rüstungsbeschleuniger

Um schnell auf die zwei Prozent zu kommen, wurde ein eigenes Sondervermögen für die Bundeswehr geschaffen. Über dieses werden 100 Milliarden Euro bereit gestellt, um die über Jahre zusammengesparte Bundeswehr wieder auf Vordermann zu bringen. Aus dem Sondertopf werden nun umfangreiche Rüstungskäufe finanziert - vom Tarnkappenjet über neue Fregatten bis zum Schützenpanzer.

Lange Vorlaufzeiten

Doch Rüstungsgeschäfte brauchen Zeit, moderne Kampfjets und Schiffe gibt es nicht fertig auf Lager. Und bezahlt wird erst bei Lieferung. Deshalb wird Deutschland auch in diesem Jahr das Zwei-Prozent-Ziel nicht erreichen. Nach jüngsten Schätzungen der Nato wird Berlin 2023 nur einen leichten Anstieg auf 1,57 Prozent der Wirtschaftsleistung verzeichnen. Das "Handelsblatt" berichtete Anfang Juli unter Berufung die Bundesfinanzagentur, bisher seien erst 1,1 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen abgeflossen.

Zweifel auch mit Blick auf 2024

Aus Sicht der Bundesregierung soll das Zwei-Prozent-Ziel erstmals im kommenden Jahr erreicht werden, wie auch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang Juli bei der Vorstellung des Haushaltsplans 2024 bekräftigte. Doch bei Experten gibt es Zweifel: "Es hängt davon ab, wie viel aus dem Sondervermögen tatsächlich abfließt", sagt Hubertus Bardt, Geschäftsführer des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), der Nachrichtenagentur AFP. Auf die zwei Prozent komme er derzeit auch 2024 nicht. "Ich habe immer noch eine Lücke von neun Milliarden."

Das Sondervermögen als Strohfeuer?

2025 oder spätestens 2026 dürfte Deutschland dank der Ausgaben über das Sondervermögen das Nato-Ziel erreichen. Doch was kommt, wenn die 100 Milliarden ausgegeben sind? Lindners Finanzplan sieht bis 2027 einen praktisch unveränderten regulären Verteidigungshaushalt von rund 52 Milliarden Euro vor. 2027 gäbe es sogar einen Rückgang um 100 Millionen Euro. "Spätestens ab 2027" klaffe deshalb "eine Riesenlücke", sagt IW-Geschäftsführer Bardt. Demnach würden rund 35 Milliarden Euro im Verteidigungsbudget fehlen, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Woher diese kommen sollen, ist heute vollkommen unklar.  © AFP

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