- Die Spannungen zwischen Taiwan und China haben sich verschärft.
- Auslöser dafür war der Besuch von US-Politikerin Nancy Pelosi Anfang August, großangelegte militärische Manöver folgten.
- Auch Taiwan demonstrierte seine Militärmacht, eine Deeskalation ist nicht in Sicht. Für Oktober plant auch eine deutsche Delegation eine Reise nach Taipeh. Eine gute Idee?
Die Nachrichten über den Konflikt zwischen China und Taiwan reißen nicht ab: Erneut hat China mit Gegenmaßnahmen gedroht, sollten die USA ihre Waffenverkäufe an die Inselrepublik wahrmachen. Inmitten wachsender Spannungen hatten Washington und Taipeh vor kurzem einen milliardenschweren Rüstungsdeal beschlossen.
Dieser beinhaltet unter anderem ein Radar-gestütztes Raketen-Frühwarnsystem, die Lieferung von bis zu 60 modernen Raketen vom Typ Harpoon sowie von 100 Sidewinder-Raketen, die aus der Luft abgefeuert werden können.
Militärische Machtdemonstrationen seit August
China reagierte prompt und erbost: Das Waffenpaket stelle eine ernsthafte Bedrohung für die Beziehungen zwischen Washington und Peking dar und müsse sofort gestoppt werden, erklärte der Sprecher der chinesischen Botschaft in der US-Hauptstadt. "China wird im Lichte der Entwicklung der Situation entschlossen legitime und notwendige Gegenmaßnahmen ergreifen", kündigte er an.
Im August hatte ein Besuch von der Spitzenpolitikerin und Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses
In dieser größten militärischen Machtdemonstration seit Jahrzehnten wurden unter anderem eine See- und Luftblockade sowie eine mögliche Eroberung geübt. Ebenso wurden elf ballistische Raketen abgefeuert, von denen eine erstmals direkt über Taiwan unweit der Hauptstadt flog. Taiwan wiederum reagierte eigens mit Militärmanövern vor der dortigen Südostküste.
Expertin: "Signal der Bereitschaft"
"Auf beiden Seiten geht es um das Signal der Bereitschaft und der Fähigkeit der Verteidigung", sagt die Politikwissenschaftlerin Josie-Marie Perkuhn. Taiwan wolle zeigen, dass es bereit sei, sich militärisch gegen einen Einnahmeversuch zu wehren.
"Das Signal geht in Richtung Peking, aber auch an die eigene Bevölkerung", ist sich die Asien-Expertin sicher. In den letzten Jahren sei die Annahme verbreitet gewesen, dass Taiwan nicht viel entgegenzusetzen habe. "Nun will es zeigen, dass es materiell besser ausgestattet ist. Taiwan macht deutlich, dass es nicht zum Festland gehören will und den Status quo gewahrt wissen möchte", sagt Perkuhn. Wirklich einschüchtern werden die Manöver China aber nicht, meint Perkuhn. Die politischen Reaktionen der demokratischen Länder erscheinen ihr wichtiger für Chinas Bewertung als die militärischen Verteidigungsübungen Taiwans.
Peking habe bei seinen letzten Militärmanövern die Fähigkeit unter Beweis gestellt, mit den Raketen über die Insel hinaus zu treffen. "Das ist als Signal an potenzielle Verteidiger zu bewerten, die aus dem pazifischen Raum zur Hilfe kommen könnten", sagt die Expertin. Die Gefahr einer Eskalation der aktuellen Manöver von Taiwan hält Perkuhn für gering. "Es geht keine Angriffshandlung von Taiwan gegenüber China aus, ein Bedrohungsszenario sehe ich derzeit nicht", sagt sie.
Gratwanderung für Peking
Peking sei die gesellschaftliche Harmonisierung durch politische Legitimationsgewinne wichtig. Man wolle aber auch nicht für Unmut im Volk sorge. "Gerade kurz vor der Bestätigung der dritten Amtszeit von Xi Jinping", erinnert sie. China sei gleichzeitig wichtig, welches Image es in der Welt habe. "Die Harmonisierung nach innen möchte es auch in der Welt zeigen", so die Asien-Expertin. Es wolle nicht als Kriegsmacht im klassischen Sinne erscheinen.
Dabei müsse Peking eine Gratwanderung machen. "Wenn es zu sehr danach aussieht, dass Taiwan von Partnern unterstützt wird, die den Stauts Quo ändern wollen, kann das in Peking nicht getragen werden. Dann entsteht ein Zugzwang", erklärt sie.
Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner in Asien
China betrachtet Taiwan als abtrünnig und hat Ambitionen das demokratische Taiwan zu erobern. Offizielle Kontakte Taiwans zu außenpolitischen Partnern lehnt Pekings Regierung ab und versucht kooperierende Partner zu sanktionieren und Taiwan zu isolieren. International wird Taiwan nicht als souveräner Staat anerkannt, auch nicht von Deutschland.
Deutschland unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan, bezeichnet die Republik aber als wichtigen Wertepartner. Taiwan ist Deutschlands fünftwichtigster Handelspartner in Asien, etwa 300 deutsche Unternehmen sind dort ansässig.
Die USA pflegen schon lange enge Beziehungen zu Taiwan. Dabei stützen sie sich auf den "Taiwan Relations Act" aus dem Jahr 1979, der die USA verpflichtet, Taiwan "Waffen defensiver Art" zu liefern und "Taiwan in die Lage zu versetzen, eine ausreichende Selbstverteidigungsfähigkeit zu wahren". Im Nachgang des Besuchs von Pelosi waren weitere amerikanische Delegationen nach Taiwan gereist, um die amerikanische Unterstützung zu signalisieren. Auch französische Politiker besuchten vergangene Woche die Insel – und damit als erstes größeres EU-Mitglied in den jüngsten Spannungen.
Deutsche Delegation plant Reise
Auch deutsche Parlamentarier wollen Taiwan im Oktober besuchen: Der Parlamentarische Freundeskreis Berlin-Taipeh will Anfang des Monats nach Taipeh reisen. Ende Oktober plant der Menschenrechtsausschuss des Bundestages eine Visite.
Eine gute Entscheidung? "Für die Stärkung der Demokratie und die Anerkennung der liberal-demokratischen Werte ist es zwingend erforderlich, zu sich und seinen Partnern zu stehen", meint Perkuhn. Der Austausch finde unterhalb der Souveränitätsanerkennung statt.
"Politisch werden sich die Parlamentarier voraussichtlich auch weiter daran orientieren", sagt Perkuhn. Die Anerkennung der zwei Systeme in China sollte man auch weiterhin stärken. Durch Corona seien die Beziehungen etwas ins Stocken geraten, nun nehme man die Verbindungen wieder auf.
Lage könnte sich jederzeit verschärfen
In Taiwan sind beispielsweise das Goethe-Institut, das Deutsche Wirtschaftsbüro und ein Büro von Germany Trade and Invest vor Ort. Taiwan unterhält mehrere inoffizielle Vertretungen in Deutschland, es gibt Partnerschaften zwischen zahlreichen Universitäten und Forschungseinrichtungen.
"Es kann sein, dass der Besuch der Delegation als Provokation wahrgenommen wird, aber einen Austausch auf Nicht-Regierungsebene gibt es seit den 1970ern", erinnert Perkuhn, vor allem im Bereich Umwelt- und Klimaschutz.
Trotzdem könnte sich die Lage jederzeit wieder verschärfen, meint auch Perkuhn. "Es kann immer wieder zu weiteren Eskalationen kommen", sagt sie. In China gebe es innenpolitische Herausforderungen, so zehre beispielsweise die Zero-Covid-Politik an der Wirtschaft. "Es kann deshalb sein, dass man die Außenpolitik für Legitimationsgewinne nutzt", sagt Perkuhn. Sie glaubt aber, dass ein solcher Schritt in der Bevölkerung eher in die Gegenrichtung umschlagen würde.
Expertin: "China will kein Schwächling sein"
"China wird in jedem Fall kein Schwächling sein wollen und darf nach innen auf keinen Fall so aussehen, als wäre es das", sagt sie und warnt, den Konflikt nicht zu unterschätzen. "Er hat das Potenzial eines globalen Kriegs und kann ein Konfliktherd mit weltpolitischem Ausmaß sein", so Perkuhn.
Auch Deutschland solle sich nicht in der Sicherheit wiegen, dass das "weit weg in Asien" passiere. "Wir sind stark verflochten und massiv auf die Halbleiter aus Taiwan angewiesen", erinnert sie. Gerade die deutsche Autoindustrie hängt an dem taiwanesischen Know-How.
Verwendete Quellen:
- Auswärtiges Amt: Deutschland und Taiwan: Bilaterale Beziehungen
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