Die Erschütterungen in St. Johann seien harmlos, meint der Seismologe Anton Vogelmann. Aber er warnt: In anderen Teilen ist die Gefahr weitaus größer. Nicht nur einmal in der Geschichte gab es katastrophale Erdbeben.

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Teile von Enzersdorf an der Fischa – gut 30 Kilometer von Wien entfernt – glichen einem Trümmerhaufen. Etliche Dächer waren eingestürzt, sogar an Neubauten zeigten sich tiefe Risse. Noch ärger hatte es die Nachbargemeinde Schwadorf erwischt: Praktisch kein Haus war heil geblieben; der Pfarrhof, die Schule und der Gendarmerieposten waren völlig verwüstet.

So schildert ein zeitgenössischer Chronist die Lage nach dem letzten großen Erdbeben in Österreich im Jahr 1927. Damals wurde eine Epizentralintensität von acht Grad gemessen. Soll heißen: Es gab schwere Gebäudeschäden. Die Kennzahl steht nicht zuletzt auch für den Grad der Zerstörungskraft eines Bebens.

Harmloses Beben bei St. Johann

Davon konnte vergangene Woche im deutsch-österreichischen Grenzgebiet bei St. Johann keine Rede sein. Zwar bebte dort mehrmals die Erde. Zu viel mehr als einem Schreckmoment, als ein paar Gläser in der Küche zu wackeln begannen, reichte es aber nicht.

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"Es kann schon sein, dass sich einige Leute etwas gefürchtet haben", sagt Anton Vogelmann, Seismologe bei Geosphere Austria. "Gerade im Nahbereich des Bebens kann die Erschütterung recht heftig zu spüren sein." Letztlich habe es sich aber um ein relativ harmloses Ereignis gehandelt. So etwas käme in dieser Region etwa alle hundert Jahre vor.

Es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass es zwischen Tirol, Salzburg und Südbayern demnächst wieder ruckelt. Ein größeres Erdbeben mit ernsthafter Gefahr für Menschen oder Gebäude sei aber sehr unwahrscheinlich. Kein Grund zur Panik also?

"Die Erdbebengefahr ist in ganz Deutschland gering und nimmt nach Norden hin ab"

Anton Vogelmann, Seismologe

Zumindest nicht in dieser Region. "Die Erdbebengefahr ist in ganz Deutschland gering und nimmt nach Norden hin ab", sagt der Experte. Eine erhöhte Gefahr gebe es nur im Bereich der schwäbischen Alb. Anders sehe es aber in Teilen Österreichs aus. Etwa im Wiener Becken, wo die Erde historisch betrachtet alle 120 Jahre ordentlich bebt. Oder auch in Teilen Tirols, rund um Innsbruck. Und in südlichen Bundesland Kärnten, an der Grenze zu Italien.

Dort kam es im Jahr 1348 nach einem katastrophalen Erdbeben zu einem Bergsturz, der ganze Ortschaften unter sich begrub. Durch die Geröllmassen wurde das Wasser des Flusses Drau aufgestaut, was zu einer riesigen Flutwelle führte. Die Katastrophe hat sich tief in die kollektive Erinnerung eingebrannt, heute noch erfahren die Kinder davon in der Volksschule.

Und auch in der nahen italienischen Provinz Friaul bebte vor nicht ganz einem halben Jahrhundert die Erde. Im Großraum Udine waren 77 Gemeinden davon betroffen, rund 45.000 Menschen wurden obdachlos.

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Schärfere Bauvorschriften in Tirol und Kärnten

Solche Katastrophen mögen im deutschsprachigen Raum selten sein. Aber sie kommen vor – mit einer gewissen Regelmäßigkeit. "Vor allem in Tirol und in Kärnten gibt es dunkelrote Zonen", sagt Experte Vogelmann. Daher sind dort die Bauvorschriften auch schärfer als in anderen Regionen.

Strenge Vorschriften gibt es übrigens nicht nur für den Bau von Gebäuden. Auch bei Tiefenbohrungen – etwa für Geothermie – ist gerade in erdbebengefährdeten Regionen besondere Vorsicht angebracht. Schließlich stoßen die Bohrgeräte mitunter in eine Tiefe von bis zu 4.000 Metern vor, wo besonders heißes Wasser zu finden ist.

"Bei solchen Anlagen braucht es ein ständiges seismisches Monitoring", sagt Vogelmann. "Denn es besteht die Gefahr, dass durch Bohrungen ein Erdbeben getriggert wird." Weil sogar der Wasserdruck gefährlich werden kann, sorgt ein Ampelsystem dafür, dass die Pumpleistung bei Gefahr reduziert oder das Ganze sogar gestoppt wird.

Wie problematisch das sein kann, zeigte sich in der Vergangenheit in Basel. Dort führten im Jahr 2006 Probebohrungen zu einem veritablen Erdbeben. Zwar kam dabei niemand ernsthaft zu Schaden, das 40-Millionen-Franken-Projekt wurde aber eingestellt. Das Risiko war den Betreibern einfach zu groß.

Verwendete Quellen

  • Gespräch mit Anton Vogelmann, Seismologe bei Geosphere Austria
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