Trümmer auf den Straßen, Menschen, die ihr letztes Hab und Gut retten wollen und die verzweifelte Suche nach Überlebenden: Marokko ist von der schwersten Erdbebenkatastrophe seit Jahrzehnten heimgesucht worden. Erdbeben sind in Nordafrika selten, entsprechend anfällig sind Gebäude und Infrastruktur. Aber was sind überhaupt die Ursachen für Erdbeben?
Wie entsteht ein Erdbeben?
Die Erde besitzt im Inneren einen flüssigen Kern. An der Oberfläche ist er zur festen, aber dünnen Erdkruste ausgeformt, auf der wir leben.
Diese Kruste ist im Verlauf der Erdgeschichte in verschieden große sogenannte tektonische Platten zerbrochen, die auf einem See aus flüssigem Gestein schwimmen und so ständig in Bewegung sind.
An den Grenzen der Platten bauen sich so immer wieder Spannungen auf, da sich die Platten immer wieder verhaken und verkanten. Löst sich diese Spannung schlagartig, spricht man von einem tektonischen Erdbeben.
Wo kommt es häufig zu Erdbeben?
Kaum ein Land ist häufiger von schweren Erdbeben betroffen als die Türkei. Sie liegt auf der kleinen Anatolischen Platte, die zwischen der nordwärts driftenden Arabischen Platte und der eurasischen Platte nach Westen verschoben wird. Die entstehenden Spannungen entladen sich regelmäßig in Beben.
Gehäuft treten Erdbeben zudem am sogenannten pazifischen Feuerring, dem "Ring of Fire" auf. Das ist eine hufeisenförmige Zone entlang der Küsten des Pazifischen Ozeans. Dieses Gebiet wird häufig von Erdbeben und Vulkanausbrüchen heimgesucht.
Hier treffen verschiedene Platten der Erdkruste aufeinander. Es kommt zu tektonischen Verschiebungen und Verwerfungen. Entlang dieses mehr als 40.000 Kilometer langen Gürtels liegt ein großer Teil der aktiven Vulkane der Erde.
Er reicht von der süd- und nordamerikanischen Westküste über die nord-pazifischen Inselgruppen der Aleuten und Kurilen nach Japan und weiter über die Philippinen, den Ostrand Indonesien, verschiedene Südsee-Inselstaaten bis Neuseeland und zur Antarktis.
Doch auch in Deutschland und Europa kommt es immer wieder zu Erderschütterungen. Viele davon werden nur durch technische Geräte aufgezeichnet, andere – wie beispielsweise die verheerenden Erdbeben in Italien 2016 – fordern Menschenleben und verursachen schwere Schäden.
Wie wird die Stärke eines Erdbebens gemessen?
Die Stärke von Erdbeben wird mit Seismographen gemessen. Die Geräte zeichnen die Stärke von Bodenbewegungen auf, die sogenannte Magnitude.
Weltweit kommen jährlich etwa 100.000 Beben der Stärke 3 vor. Rund 1.600 haben die Stärken 5 oder 6. Ein Großbeben hat mindestens den Wert 8 und tritt etwa einmal im Jahr auf.
Das heftigste bisher auf der Erde gemessene Beben hatte eine Magnitude von 9,5 und ereignete sich 1960 in Chile.
Erdbeben können je nach Dauer, Bodenbeschaffenheit und Bauweise in der Region unterschiedliche Auswirkungen haben. Häufig gilt:
- Stärke 1-2: schwaches Beben, nur durch Instrumente nachzuweisen
- Stärke 3: Nur in der Nähe des Epizentrums zu spüren
- Stärke 4-5: 30 Kilometer um das Zentrum spürbar, leichte Schäden
- Stärke 6: Tote und schwere Schäden in dicht besiedelten Regionen
- Stärke 7: In weiten Gebieten stürzen Häuser ein, viele Tote
- Stärke 8: Verwüstung im Umkreis Hunderter Kilometer, sehr viele Tote
Die Intensität des Bebens nimmt dabei nicht gleichmäßig nach oben zu - mit jedem Stärke-Punkt Unterschied steigt die Erschütterungsenergie vielmehr um über das 30-fache. Ein Beben der Stärke 6 setzt rund 1.000 Mal so viel Energie frei wie ein Beben der Stärke 4.
Früher wurde die Erdbebenstärke nach der sogenannten Richterskala bestimmt. Der amerikanische Geophysiker Charles Francis Richter hatte die Skala 1935 speziell für Kalifornien ausgearbeitet, wo es entlang des Sankt-Andreas-Grabens häufiger zu Erdstößen kommt.
Die klassische Richterskala gilt jedoch bei großen Beben als nicht besonders genau. Erdbebenforscher verwenden deshalb heute modernere Magnituden-Skalen.
Kann man vor einem Erdbeben nicht warnen?
Ein Erdbeben konkret vorherzusagen, das ist wissenschaftlich noch nicht möglich. Allerdings gibt es komplexe Frühwarnsysteme, die Erschütterungen schnell erkennen können, wie der Forschungsbereich Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft erklärt.
Regionale Systeme sind in den Gebieten installiert, in denen Erdbeben zu erwarten sind. Dort erfasst ein seismisches Beobachtungsnetzwerk starke Erschütterungen im Boden. Bei einem Erdbeben entstehen verschiedene Arten seismischer Wellen, darunter eine Kompressionswelle (P-Welle) mit relativ geringer Schwingung und die zerstörerische Scherwelle (S-Welle). Zwischen ihnen liegen nah am Epizentrum wenige Sekunden. "Je weiter man davon entfernt ist, desto mehr Zeit bleibt für einen Alarm. Ist man nah am Epizentrum, ist die S-Welle schon vor diesem angekommen", sagt Professor Stefano Parolai von der Universität Triest.
In dieser Zeit empfangen Software-Plattformen die Echtzeit-Signale des Beobachtungsnetzwerkes, verarbeiten sie und senden einen Alarm aus. Die verknüpfte Infrastruktur sorgt dafür, dass sofort Warnungen herausgegeben werden und etwa Strom- und Gasleitungen abgeschaltet, Züge gestoppt, Brücken gesperrt und gefährliche industrielle Prozesse angehalten werden.
Ein anderes Frühwarnsystem arbeitet mit folgender Strategie: Dort werden die seismischen Messungen an dem Punkt vorgenommen, der geschützt werden soll - etwa in einer Stadt oder an einer Industrieanlage. Die Messgeräte registrierten die P-Welle, könnten daraus ableiten, wie stark die S-Welle etwa werde und dementsprechend sofort Maßnahmen auslösen, so Experte Parolai.
Beim aktuellen Erdbeben in der Türkei und Syrien wäre eine solche Frühwarnung unabhängig vom eingesetzten System nicht möglich gewesen, erklärt Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) Potsdam. Denn die betroffene dicht besiedelte Region liege in unmittelbarer Nähe des Epizentrums, sodass es keinen Zeitraum für Warnungen gegeben hätte.
Welche Gefahren gehen von einem Erdbeben aus?
Die direkten Gefahren eines Erdbebens liegen in der Zerstörungskraft, welche Erderschütterungen menschliche Infrastruktur haben. So können Gebäude einstürzen, Gas- und Wasserleitungen durch die enorme Bodenbewegung bersten und so zu großen Feuern und sogar Überflutungen führen.
Auch Erdrutsche und selbst eine Verflüssigung des Bodens wurden während Erdbeben beobachtet.
Eine weitere Gefahr liegt im möglichen Auftreten von Flutwellen – sogenannten Tsunamis.
Diese Wellen entstehen, wenn die Erde unter dem Ozean bebt und sich so die gesamte darüber liegende Wassersäule bewegt. Dadurch entstehen Wellen mit enormer Zerstörungskraft, wenn sie auf die Küste treffen.
Wie sollte ich mich im Falle eines Erdbebens verhalten?
Erdbeben lassen sich nicht voraussagen, sie treten plötzlich auf. Im Fall des Falles raten Experten zu folgendem Verhalten:
Bleiben Sie ruhig und befolgen Sie die nachfolgenden Regeln.
In Gebäuden:
- Bleiben Sie im Haus, solange die Erschütterungen anhalten. Suchen Sie sofort Schutz unter einem stabilen Tisch oder im Türrahmen.
- Meiden Sie Regale und schwere Einrichtungsgegenstände, diese könnten umkippen.
- Meiden Sie Fenster und große Glasflächen, diese könnten bersten. Nutzen Sie keine Fahrstühle.
Im Freien:
- Suchen Sie eine freie Fläche auf. Meiden Sie große Gebäude, da sich Trümmer und Glas von ihnen lösen könnten.
- Achten Sie nach dem Beben auf Gasgeruch, meist brechen die Leitungen unter der großen Belastung.
- Meiden Sie elektrische Oberleitungen, diese könnten durch die Erschütterungen reißen.
An der Küste:
- Suchen Sie sofort einen höher gelegenen Ort oder Hügel auf. Entfernen Sie sich von der Küste. Es könnte Tsunami-Gefahr bestehen.
- Diese Wellen können auch lange nach Abklingen des Erdbebens noch an der Küste eintreffen und eine enorme Zerstörungskraft entfalten.
Nach Abklingen des Bebens:
- Schalten Sie Fernseher oder Radio ein. Hier erhalten Sie aktuelle Informationen von den Behörden und Rettungskräften.
- Leisten Sie den Anweisungen Folge. Leisten Sie Erste Hilfe bei Verletzten, helfen Sie möglichen Verschütteten. Begeben Sie sich dabei nicht in eigene Gefahr.
Rechnen Sie mit Nachbeben oder an der Küste mit einer Tsunamiwarnung.
Verwendete Quellen:
- Material der Deutschen Presse-Agentur (dpa)
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