Das Coronavirus hat sich bisher vor allem in China ausgebreitet. Dort gibt es schon jetzt Dutzende Todesopfer und Tausende Infizierte. Auch in Europa sind bereits bestätigte Erkrankungen bekannt - nun gibt es einen ersten nachgewiesenen Fall in Deutschland.
Erstmals ist in Deutschland eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt worden. Ein 33-jähriger Mann aus dem Landkreis Landsberg am Lech in Bayern hat sich mit dem Erreger infiziert, wie der Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Andreas Zapf, auf einer Pressekonferenz mitteilte.
Der Mann hat sich demnach bei einem Gast seiner Firma angesteckt. Die Chinesin sei wegen einer Fortbildung bei der Firma Webasto im Landkreis Starnberg in Oberbayern gewesen, der Mitarbeiter habe an derselben Schulung teilgenommen.
Zapf zufolge kommt die Chinesin nicht aus Wuhan, sondern aus Shanghai, hatte aber wenige Tage vor ihrer Reise nach Deutschland Besuch von ihren Eltern, die aus der Region Wuhan stammen. Dort war das Virus ausgebrochen.
Coronavirus: Mann hatte Kontakt mit infizierter Chinesin
Die Chinesin war am 23. Januar wieder nach China zurückgeflogen und hatte sich auf dem Heimflug krank gefühlt, wie Zapf weiter mitteilte. Ein Test bestätigte eine Infektion mit dem Coronavirus.
Am Montag erreichte die Information Webasto. Die Firma informierte alle Mitarbeiter, die mit der Chinesin Kontakt hatten. Der nun positiv getestete 33-Jährige erklärte, er habe sich am Wochenende "grippig" gefühlt. Die Symptome waren aber am Montag soweit abgeklungen, dass er wieder zur Arbeit erschien. Er begab sich unmittelbar in medizinische Behandlung.
Die Firma hat die Infektion eines deutschen Mitarbeiters inzwischen bestätigt. Der Belegschaft wurde freigestellt, diese Woche von zuhause aus zu arbeiten. Sämtliche Dienstreisen nach China sind für die nächsten zwei Wochen abgesagt. Der Autozulieferer stellt hauptsächlich Autodächer und Standheizungen her. In China unterhält Webasto mehr als zehn Standorte.
Das Coronavirus kann eine Lungenkrankheit auslösen, an der im Hauptverbreitungsland China bereits mehr als 100 Menschen gestorben sind - die meisten davon waren ältere Patienten mit schweren Vorerkrankungen.
Coronavirus-Patient: Behörden überprüfen Kontaktpersonen
Der Patient liegt im Münchner Klinikum Schwabing. Der Patient befindet sich nach Angaben der "Task Force Infektiologie" des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) klinisch in einem guten Zustand. "Er wird medizinisch überwacht und ist isoliert." Zapf sagte, dem Mann gehe es gut, sein Zustand habe sich seit Montag nicht verschlechtert.
Die Behörden überprüfen nun 40 Kontaktpersonen des Patienten in der Firma und der Familie, wie der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch, auf der Pressekonferenz mitteilte. Die Zahl der Infizierten könne noch steigen.
Nach Ansicht der bayerischen Gesundheitsbehörden liefert der Fall neue Erkenntnisse über die Ansteckungswege der Lungenkrankheit. Die Ansteckung habe "in einem Intervall, in dem die Chinesin noch symptomfrei war" stattgefunden, sagte der LGL-Präsident Zapf. "Das ist neu", sagte der Leiter der Taskforce Infektiologie, Martin Hoch. Die Behörden müssten aber noch mit der Chinesin sprechen, um das zu bestätigen.
Die Behörden überprüfen nach eigenen Angaben auch einen Kindergarten, in dem der Infizierte Kinder habe.
Risiko einer Ansteckung für den Rest der Bevölkerung gering
Das Risiko für die Bevölkerung in Bayern, sich mit dem neuartigen Coronavirus zu infizieren, wird von der "Task Force Infektiologie" des LGL und vom Robert Koch-Institut (RKI) dennoch als gering erachtet. Menschen, die engen Kontakt mit dem Patienten hatten, würden ausführlich aufgeklärt und über mögliche Symptome, Hygienemaßnahmen und Übertragungswege informiert, hieß es.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft versicherte, Ärzte und Kliniken seien auf das Virus vorbereitet. "Krankenhäuser und Ärzte sind sensibilisiert", sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum der "Rheinischen Post". Bei Patienten, die über akute Erkältungssymptome klagen und kürzlich in China waren, werde "eine zielgerichtete Anamnese durchgeführt". Lasse sich der Verdacht nicht ausräumen, werde der Patient in einem Krankenhaus isoliert, auf das Virus getestet und genau untersucht.
In Europa waren zuvor drei Infektionen mit dem neuartigen Virus nachgewiesen worden. Alle drei betrafen Menschen in Frankreich, die zuvor in China gewesen waren.
Gesamtzahl der Erkrankungen steigt auf über 4.500
Die Gesamtzahl der weltweit bekannten Erkrankungen ist auf über 4.500 gestiegen, nachdem das chinesische Staatsfernsehen am Dienstag einen Sprung um mehr als 1.700 Fälle im Vergleich zum Vortag meldete. Allein in der besonders schwer betroffenen Provinz Hubei habe es auch 24 weitere Todesopfer gegeben, so dass landesweit mindestens 106 Menschen an der Lungenkrankheit gestorben seien.
Das neue Virus 2019-nCoV stammt ursprünglich vermutlich von einem Markt in der chinesischen Millionenstadt Wuhan, wo es wohl von dort gehandelten Wildtieren auf den Menschen übersprang. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung gibt es nicht. Die Symptome - darunter trockener Husten, Fieber und Atemnot - können aber mit Medikamenten abgemildert werden.
Nach derzeitiger Einschätzung von Experten verläuft die neuartige Lungenkrankheit offenbar in den meisten Fällen mild, möglicherweise sogar ohne Symptome. Von den in China registrierten Todesfällen gehen die meisten nach bisherigen Erkenntnissen auf ältere und ohnehin schon stark geschwächte Patienten zurück.
Neuer Erreger ist dem Virus der SARS-Epidemie sehr ähnlich
Der neue Erreger ist dem Virus hinter der SARS-Epidemie 2002/2003 sehr ähnlich. Damals hatte es nach Daten der Weltgesundheitsorganisation zwischen November 2002 und Juli 2003 neun Nachweise in Deutschland gegeben. Todesfälle gab es hier nicht.
China hat im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung drastische Maßnahmen ergriffen: In Hubei wurden mehr als 45 Millionen Menschen weitgehend von der Außenwelt abgeschottet. Fern- und Nahverkehr wurden gestoppt.
Wegen der Lungenkrankheit wollen immer mehr Länder ihre Staatsangehörigen aus den besonders betroffenen Regionen zurückholen, so etwa Großbritannien und Belgien, Japan, Frankreich und die USA. Auch die Bundesregierung erwägt, ausreisewillige Deutsche aus China auszufliegen. Eine mögliche Evakuierung werde in Betracht gezogen, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) am Montag, bevor der bestätigte Fall aus Bayern bekannt wurde.
Bislang hatte es in Deutschland lediglich Verdachtsfälle gegeben. Einige Bundesländer haben ergänzende Sicherheitsvorkehrungen getroffen, beispielsweise an Flughäfen. Pandemie- und Umgangspläne sorgten für Klarheit, was im Fall der Fälle an den Flughäfen und an den Kliniken zu tun sei, erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). (mgb/ank/dpa/afp)
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