In den Wäldern im Südwesten Indiens lauert ein potenziell tödlicher Erreger: das Kyasanur-Wald-Fieber-Virus. Obwohl es einen Impfstoff gibt, erkranken immer noch jährlich Hunderte Menschen am Virus-Infektion. Was ist das KDF-Virus? Wie wird es übertragen? Und wie gefährlich ist es für Menschen?

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Regenwälder mit ihrer hohen Dichte an verschiedenen Tieren und Pflanzen gelten als ideale Brutstätte für Viren. Die gefährlichsten Erreger kommen fast immer aus den Tropen: Lassa, Ebola, das Marburg-Virus - Beispiele dafür gibt es viele.

Auch in den dichten grünen Wäldern von Karnataka lauert ein potenziell tödliches Virus. 1957 starben in diesem Gebiet im Südwesten Indiens über 100 Affen an einer bis dahin unbekannten Krankheit, was ihr zunächst den Namen "Monkey Disease" einbrachte. Später erkrankten auch Menschen: Sie litten an hohem Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Erbrechen, manche unter Blutungen.

Was ist das KFD-Virus?

Nur wenige Monate nach den ersten Fällen wurde der Auslöser der mysteriösen Krankheit identifiziert: das Kyasanur-Wald-Fieber-Virus, kurz KFD-Virus, abgeleitet aus dem Englischen ("Kyasanur Forest-Disease"). Wie das Dengue-Fieber-Virus oder das in Europa vorkommende FSME-Virus gehört es zur Familie der Flavi-Viren und gilt als hochinfektiös und hochpathogen - es kann also für Menschen lebensbedrohliche Erkrankungen hervorrufen und rangiert auf der Liste der Erreger mit Biowaffenpotenzial.

1982 kam es zum dann ersten großen Ausbruch des KFD-Virus: Allein im indischen Dorf Koyyur erkrankten 248 Menschen, 60 von ihnen starben. Weitere Dörfer meldeten in den Wochen und Monaten danach Ausbrüche, bis 1984 starben über 200 Menschen.

Wie wird das KFD-Virus auf den Menschen übertragen?

Waren die ersten Ausbrüche noch auf Karnataka im Südwest Indiens beschränkt, wurden später auch KFD-Infektionen nördlich und südlich in den benachbarten Bundesstaaten Maharashtra, Goa und Kerala gemeldet. Forschende vermuten, dass das KFD-Virus auch in anderen Teilen Indiens vorkommen könnte und bislang nur noch nicht entdeckt wurde.

Neben Affen gelten Mäuse und Ratten als wahrscheinliche Wirtstiere für das Virus. An infizierten Kadavern können sich Menschen anstecken, doch der Biss der Waldzecken Haemaphysalis spinigera und Haemaphysalis turturis gilt als Hauptübertragungsweg. Hat die Zecke Kontakt mit dem Blut eines infizierten Tieres, trägt sie das Virus ein Leben lang in sich und gibt es bei jedem Stich weiter.

Dass es in den 1980ern zu größeren Ausbrüchen kam, hängt nach Ansicht von Forschenden mit großflächigen Waldrodungen zusammen: Zwei Monate vor dem ersten Ausbruch der KFD-Epidemie in der indischen Siedlung Beltangady wurde damit begonnen, den Urwald für Cashew-Plantagen abzuholen. Viele der Waldarbeiter kamen dabei mit der Waldzecke in Kontakt – und so auch mit dem Virus.

Landwirte, Waldarbeiter und die indigene Bevölkerung, Gruppen, die zum Überleben auf die Wälder angewiesen sind, sind auch heute noch einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Die meisten Fälle werden während der Trockenzeit von November bis Juni gemeldet. Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung des Kyasanur-Wald-Fieber ist denkbar, wurde bislang nicht dokumentiert.

Welche Symptome können beim Kyasanur-Wald-Fieber-Virus auftreten?

Drei bis acht Tagen nach dem Stich einer infizierten Zecke treten zunächst grippeähnliche Symptome wie Schüttelfrost, Fieber und Kopfschmerzen auf, später kommen schwere Muskelschmerzen, Durchfall und Erbrechen hinzu. Blutungen der Schleimhäute wurden dokumentiert, gelten neuesten Studien zufolge jedoch als eher selten.

Meist erholen sich die Erkrankten nach ein bis zwei Wochen ohne weitere Komplikationen, doch bei rund 20 Prozent der Patientinnen und Patienten kommt es etwa drei Wochen nach den ersten Krankheitsanzeichen zu einer zweiten Welle von Symptomen, zu denen auch neurologische Komplikationen wie Gedächtnisstörungen, Sehstörungen und Zittern zählen. Die Sterblichkeitsrate bei KFD liegt laut Studien zwischen 2 und 15 Prozent.

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Eine spezifische antivirale Behandlung für KFD gibt es nicht. Medikamente und Therapien zielen vor allem darauf ab, Symptome zu lindern. Dennoch ist eine frühzeitige Behandlung in Form von Flüssigkeitszufuhr und Elektrolyten wichtig, um die Überlebenschancen der Patienten zu erhöhen.

Gibt es eine Impfung gegen das Kyasanur-Wald-Fieber?

Bis heute sind tote Makaken und Languren laut einem Bericht im "New Indian Express" eine Art Frühwarnsystem, um das Infektionsrisiko in den betroffenen Gebieten abzuschätzen. Wird in einer Region ein Affensterben beobachtet, versprühen örtliche Behörden in dem Gebiet Akariziden; das sind Pestizide, um Zecken zu bekämpfen.

Seit den 1990er-Jahren gibt es auch einen in Indien zugelassenen Impfstoff, der durch Formalin inaktivierte KFD-Viren enthält. Die Wirksamkeit des Vakzins liegt bei rund 62 Prozent bei zweimaliger Verabreichung, eine dreimalige Impfung steigert die Wirksamkeit auf 83 Prozent. Tritt ein Affensterben auf, werden Personen im Umkreis von fünf Kilometern sicherheitshalber geimpft.

Trotzdem erkranken auch über 60 Jahre nach Entdeckung des Virus noch immer 400 bis 500 Menschen jährlich am Kyasanur-Wald-Fieber. Experten vermuten als Ursache dafür unter anderem, dass der Impfstoff nicht ausreichend auf die aktuell zirkulierenden Virus-Varianten angepasst ist. Das Vakzin basiert auf dem Virus-Stamm, der in den 1950er-Jahren entdeckt wurde.

Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen befürchten, dass sich das Virus in Zukunft zu einer wachsenden Bedrohung in Indien und Nachbarstaaten entwickeln könnte. Der Bedarf für die Entwicklung alternativer Impfstoffe und Schnelldiagnosesysteme ist groß.

Verwendete Quellen

  • Groseth, 2002: "Hemorrhagic Fever Viruses as Biological Weapons"
  • Nichter, 1987: "Kyasanur Forest Disease: An Ethnography of a Disease of Development"
  • Chakraborty, 2019: "Historical Expansion of Kyasanur Forest Disease in India from 1957 to 2017: A Retrospective Analysis"
  • Chakraborty, 2021: "Retrospective Study of Kyasanur Forest Disease and Deaths among Nonhuman Primates, India, 1957–2020"
  • Munivenkatappa, 2018: "Clinical & epidemiological significance of Kyasanur forest disease"
  • Center for disease control, Übersichtsseite zum Kyasanur-Wald-Fieber
  • The New Indian Express: "Kyasanur Forest Disease: Rise and spread of six-decade-old menace "
  • Rajaiah, 2019: "Kyasanur Forest Disease in India: innovative options for intervention"
  • Indian council of medical research: KFD vaccine information
  • Pattnaik, 2006: "Kyasanur forest disease: an epidemiological view in India"
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