Neben häufig auftretenden Blutgruppen wie A+ oder 0+ gibt es weltweit eine Vielzahl an seltenen Varianten. Diese sind zumeist auf Gendefekte zurückzuführen und können bei notwendigen Bluttransfusionen zu Problemen führen.
Jeder Mensch hat eine ganz bestimmte Blutgruppe. Diese wird durch die Struktur der roten Blutkörperchen und unterschiedliche Merkmale auf der Oberfläche dieser Erythrozyten bestimmt.
Das bekannteste Blutgruppensystem ist das AB0-System, das die Varianten A, B, AB und 0 unterscheidet. Eine wichtige Rolle spielt auch das Rhesussystem mit dem sogenannten Rhesusfaktor, einem speziellen Oberflächeneiweiß auf den roten Blutkörperchen. Liegt bei einem Menschen dieses "Antigen D" vor, ist der Rhesusfaktor positiv. Andernfalls ist der Rhesusfaktor negativ.
Aus dem AB0- sowie dem Rhesussystem werden die Blutgruppen bestimmt. In Deutschland leben 37 Prozent mit der Blutgruppe A+, dicht gefolgt von der Blutgruppe 0+. Die Blutgruppe AB- ist mit einem Prozent am seltensten vertreten.
Seltene Blutgruppen
Neben diesen häufig auftretenden Blutgruppen gibt es eine Vielzahl an seltenen Ausprägungen. Viele Reportagen drehen sich derzeit um das "Goldene Blut". Die Blutgruppe wird offiziell als Rhesus Null bezeichnet und tritt statistisch gesehen bei einem von 6 Millionen Menschen auf. Weltweit sind jedoch weniger als 50 Menschen mit dieser Blutgruppe bekannt.
"Normalerweise wird im Rhesus-System zwischen positiv und negativ unterschieden", erklärt Dr. Romy Kronstein-Wiedemann vom DRK-Blutspendedienst Nord-Ost in Dresden. Sie ist Arbeitsgruppenleiterin der experimentellen Transfusionsmedizin und befasst sich mit der künstlichen Herstellung von Erythrozyten. "Ist ein Mensch Rhesus positiv, so besitzt er das Rhesus-D-Antigen. Ist ein Mensch Rhesus negativ, dann fehlt ihm das D-Antigen." Es gibt jedoch noch weitere Antigene, die zum Rhesus-System gehören. "Menschen mit Blutgruppe Rhesus Null fehlen alle 56 Rhesus-Antigene", betont Dr. Kronstein-Wiedemann.
Goldenes Blut ist ein Genfehler
Blutgruppen werden vererbt und jedes Kind erhält Blutgruppenmerkmale vom Vater und von der Mutter. Einige Eigenschaften sind dominant, beispielsweise die Blutgruppeneigenschaften A und B. Sie setzen sich gegenüber der Blutgruppe 0 durch. Ein positiver Rhesusfaktor ist ebenfalls dominant.
Menschen mit der Blutgruppe Rhesus Null fehlen sämtliche Rhesus-Antigene. "Zwei Gene sind für die Codierung der Blutgruppe verantwortlich", erklärt Priv.-Doz. Dr. Beate Mayer, Oberärztin und Bereichsleitung Immunhämatologie und Klinische Transfusionsmedizin an der Charité Berlin. "Kommt es hier zu einer Genmutation, kann dies in äußerst seltenen Fällen dazu führen, dass keine Rhesusantigene gebildet werden."
Neben dem "Goldenen Blut" gibt es eine Vielzahl weiterer seltener Blutgruppen, die auf Gendefekte zurückzuführen sind. So haben nur ca. 20.000 Menschen weltweit die Blutgruppe Bombay, die meisten davon in Indien.
Blutspenden müssen kompatibel sein
Menschen mit seltenen Blutgruppen haben in der Regel keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Problematisch wird es im Falle eine Bluttransfusion, denn dann müssen die zentralen Merkmale von Spender- und Empfängerblut übereinstimmen. Andernfalls können sich nach der Transfusion Antikörper bilden, die sich mit den Antigenen der roten Blutkörperchen des Spenderbluts verbinden. In der Folge kann das Blut verklumpen und zu lebensbedrohlichen Situationen führen.
Ob Blutgruppen kompatibel sind, hängt in erster Linie vom AB0-System und vom Rhesusfaktor ab. Normalerweise können Blutspender der Blutgruppe 0 an alle Menschen Blut spenden. Blut der Blutgruppe A kann an Empfänger mit der gleichen Blutgruppe oder mit AB gespendet werden, gleiches gilt für die Blutgruppe B.
Rhesus-positive Patienten dürfen sowohl Blut von Rhesus-positiven als auch -negativen Spendern erhalten. Hat ein Empfänger einen negativen Rhesusfaktor, darf er nur Blut von Rhesus-negativen Spendern erhalten.
Blutspenden fehlen
Für Patienten ist es lebenswichtig, dass sie eine verträgliche Blutkonserve erhalten. "Menschen der Blutgruppe Rhesus Null können nur Blut von Spendern dieser Blutgruppe erhalten", weiß Dr. Romy Kronstein-Wiedemann. Im Gegensatz wäre Rhesus-Null-Blut als Spende universal einsetzbar, denn ohne Antigene kommt es nicht zu Abwehrreaktionen mit dem Empfängerblut.
In Deutschland ist laut Angaben von Dr. Beate Mayer von der Charité jedoch derzeit nur ein Spender der Blutgruppe Rhesus Null registriert. Weltweit sollen es weniger als 50 sein. Rar sind die Blutkonserven aber auch bei anderen seltenen Blutgruppen, wie der Bombay-Blutgruppe. Da in Europa nur einer von einer Million Menschen diese Blutgruppe hat, ist eine Versorgung mit dem passenden Blut im Notfall schwierig.
Für geplante Operationen kann für Patienten mit seltenen Blutgruppen eine Eigenblutspende sinnvoll sein. Problematisch wird es im Notfall. "Es gibt derzeit zwei Blutspendedienste in Deutschland, die Blut in flüssigem Stickstoff gefroren vorhalten", erklärt Dr. Beate Mayer. "Im Notfall dauert es jedoch oftmals mehrere Stunden, bis das Blut aufgetaut, gewaschen und an den Ort des Bedarfs gebracht werden kann."
Menschen mit seltenen Blutgruppen sind als Spender besonders wichtig. Durch die klassische Blutgruppenbestimmung der Systeme ABO, Rhesus- und Kell-System bei den Spendern werden seltene Blutgruppen in der Regel erkannt. "Bei der Routineuntersuchung der Empfänger ist das nicht immer der Fall, da hier gemäß Richtlinie Hämotherapie der Bundesärztekammer nur ABO und der Rhesusfaktor RhD getestet werden muss", erklärt Dr. Beate Mayer von der Charité. "Bei den Empfängern werden seltene Blutgruppen wie Rhesus Null daher in der Regel erst bei Bildung von Antikörpern erkannt."
Über die Gesprächspartnerin:
- Priv.-Doz. Dr. med. Beate Mayer ist Oberärztin und Bereichsleitung Immunhämatologie und Klinische Transfusionsmedizin an der Charité Berlin.
Verwendete Quellen:
- Schriftliche Anfrage an Dr. Romy Kronstein-Wiedemann vom DRK-Blutspendedienst Nord-Ost in Dresden
- Interview mit Priv.-Doz. Dr. med. Beate Mayer
- Helios Kliniken: "Blutgruppen: ABO- und Rhesus-System erklärt"
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