Kommt der nächste Pandemie-Erreger von einer Rinderfarm in den USA? Oder einem Geflügelbetrieb in Kambodscha? Experten betrachten aber auch eine andere Brutstätte für Erreger verstärkt mit Sorge: wenig überwachte Pelztierfarmen in China. Laut einer Studie tragen die Tiere dort potenziell Viren, die von Tiere auf Menschen springen könnten.

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China gehört zu den größten Pelzproduzenten weltweit. Die in Farmen gehaltenen Marderhunde, Nerze und Nagetiere tragen potenziell zoonotische Viren - also solche, die vom Tier auf den Menschen überspringen könnten, wie eine Studie zeigt.

Die Pelztierfarmen seien eine bisher zu wenig beachtete mögliche Quelle für neu auftretende Krankheitserreger beim Menschen, heißt es im Fachjournal "Nature".

Die Wissenschaftler um Shuo Su von der Fudan University in Shanghai hatten 461 Pelztiere untersucht, die auf solchen Farmen erkrankt und verendet waren. Dabei fanden sie 125 verschiedene Virusarten, darunter 36 bisher unbekannte und 39 Virusarten, die ein hohes Risiko für eine Übertragung auf andere Arten darstellen - auch auf den Menschen.

Viren mit pandemischem Potenzial entdeckt

Zu den gefundenen Erregern zählten sieben Varianten von Coronaviren bei Marderhunden und Nerzen, darunter solche, die bisher nur bei Hunden und Fledermäusen nachgewiesen worden waren. In Meerschweinchen, Nerzen und Bisamratten wurden drei Subtypen des Influenza-A-Virus (H1N2, H5N6, H6N2) nachgewiesen. Diese Subtypen sind für ihr pandemisches Potenzial bekannt, erläutern die Forschenden.

Gefunden wurden demnach bei Meerschweinchen auch Erreger wie das Japanische Enzephalitis-Virus und Säugetier-Orthoreoviren, die für ihre Fähigkeit bekannt sind, auch Menschen zu infizieren.

Eine Japanische Enzephalitis kann dauerhafte psychiatrisch-neurologische Schädigungen wie schwere motorische, kognitive und sprachliche Defizite oder wiederkehrende Krampfanfälle zur Folge haben. Ein Teil der Erkrankten stirbt. Säugetier-Orthoreoviren infizieren Atemwege und Magen-Darm-Trakt.

Pelztierfarmen als Bedrohung für die menschliche Gesundheit

Insgesamt sei bei Marderhunden und Nerzen die höchste Zahl potenziell hochriskanter Viren gefunden worden, hieß es weiter. Die Funde unterstrichen die Rolle von Pelztierfarmen als potenzielle Drehscheibe für die Entstehung und Verbreitung neuer, möglicherweise auch auf den Menschen überspringender Viren.

Harbin, China
Eine Arbeiterin in Harbin, China, füttert die Tiere. © picture-alliance/ dpa/epa Diego Azubel

Die Haltung von Pelztieren könnte eine erhebliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit darstellen, so das Team um Shuo Su, insbesondere in Regionen wie Ostchina, wo das Pelztiergeschäft floriert. Die Nähe von Farmtieren, Wildtieren und Menschen dort biete ideale Bedingungen für die Übertragung von Viren.

In Anbetracht der Vielfalt und Häufigkeit potenziell gefährlicher Viren in den Tieren sei eine verstärkte Überwachung und Regulation der Pelztierhaltung nötig, fordern die Experten.

Drehscheibe für Sars-CoV-2?

Mindestens eine solche Übertragung hatte es womöglich erst vor Kurzem gegeben: Zu den verschiedenen Hypothesen zur Herkunft des Coronavirus Sars-CoV-2 gehört der Weg über die Pelzindustrie.

Der Berliner Virologe Christian Drosten sieht das auch als plausibelste Quelle an - unter anderem, weil der Ursprung der Sars-Epidemie in den Jahren 2002/03 bei Marderhunden und Schleichkatzen als Übergangswirten lag. "Das ist gesichert", hatte Drosten 2021 dem Schweizer Online-Magazin "Republik" gesagt. Sars-1 sei ein Virus der gleichen Spezies wie das Pandemie-Virus Sars-CoV-2 gewesen. "Viren der gleichen Spezies machen die gleichen Sachen und haben häufig die gleiche Herkunft", so Drosten.

In den Jahren 2002 und 2003 hatte eine von China ausgehende Infektionswelle weltweit zu etwa 800 Todesopfern geführt. Die Erkrankung wurde Schweres Akutes Atemwegssyndrom (Sars) genannt. Der Ende 2019 erstmals nachgewiesene Erreger Sars-CoV-2 ist mit dem damaligen Virus sehr eng verwandt.

In China würden Marderhunde nach wie vor in großem Stil in der Pelzindustrie verwendet, hatte Drosten erklärt. Dabei würden immer wieder auch wilde Marderhunde in die Zuchtbetriebe gebracht, die zuvor Fledermäuse - die als wahrscheinlichster Ursprung von Sars-CoV-2 gelten - gefressen haben können.

Pelztierfarmen auch bei Vogelgrippe ein Risiko

Der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Martin Beer, hatte mit Blick auf Influenzaviren erst kürzlich betont, dass Pelztierfarmen ein Faktor seien, "der lange viel zu wenig im Blick war". Analysen aus China zufolge kursierten bei Tieren dort alle möglichen Influenzaviren, was zu einem potenziell gefährlichen Gemisch führen könne.

In Dänemark und den Niederlanden sei die Haltung nach zahlreichen Corona-Infektionen bei Pelztieren im Zuge der Pandemie noch immer gestoppt, in Deutschland gebe es ohnehin keine. In Finnland würden solche Farmen nach Problemen mit Sars-CoV-2 und H5N1 umfassend überwacht.

"Doch es gibt viele Pelztiere in Ländern mit sehr wenig Überwachung", gab Beer zu bedenken. China zum Beispiel produziere einige Millionen Nerzfelle jährlich. Hinzu kämen unter anderem Millionen Marderhunde und Füchse. Auch Belarus sei ein großer Produzent ohne transparente Überwachung.

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Über Vogelgrippe-Ansteckungen bei Kühen in den USA wurde zuletzt viel berichtet - doch auch in Europa gab es schon H5N1-Ausbrüche unter Säugetieren. Zwischen Juli und Oktober 2023 sei bei Tieren in 27 Pelztierfarmen in Finnland H5N1 nachgewiesen worden, hatte die EU-Gesundheitsbehörde ECDC mitgeteilt. Experten befürchten, dass sich das Vogelgrippe-Virus im Zuge solcher Ausbrüche immer besser an andere Tiere und womöglich auch den Menschen anpasst.

Der Vogelgrippe-Ausbruch auf den Pelztierfarmen in Finnland wird auf Wildvögel als Ursprung zurückgeführt, wie es von der ECDC hieß. Höchstwahrscheinlich habe es aber auch indirekte und direkte Übertragungen zwischen Pelztieren gegeben, also nicht nur Übertragungen vom Vogel auf ein Pelztier.

Erreger passen sich an Säugetiere an

Der Erreger der H5N1-Linie 2.3.4.4b habe schwere Entzündungen in den Lungen, Gehirnen und Lebern der Füchse, Nerze und Marderhunde verursacht. Zu den häufigsten Symptomen gehörten neurologische wie Zittern, Desorientierung und Apathie, während Atemwegssymptome weniger häufig auftraten. Viele der betroffenen Tiere starben.

Das unterstreiche "die ernsten Risiken, die mit möglichen Fällen beim Menschen verbunden sind", so die EU-Behörde. Die festgestellten Veränderungen im Erbgut des Erregers in Finnland gingen bereits mit einer erhöhten Anpassungsfähigkeit an Säugetiere einher. (Annett Stein, dpa/bearbeitet von sbi)

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