Auch heute noch leben zahlreiche Menschen als Sklaven in Unfreiheit. Sie werden ausgebeutet und sind der permanenten Willkür anderer ausgeliefert. Die moderne Form der Sklaverei hat viele Gesichter, und sie ist an Orten anzutreffen, an denen man sie nicht vermutet: zum Beispiel im eigenen Land.
Das Thema Sklaverei ist kein abgeschlossenes, dunkles Kapitel der Menschheitsgeschichte. Noch heute leben Menschen in destruktiven Abhängigkeitsverhältnissen, sind Repressionen und Willkür ausgesetzt und werden gnadenlos ausgenutzt. Dies ereignet sich oft unter dem Radar der Öffentlichkeit. Es geschieht auf allen Kontinenten und in vielen Ländern dieser Erde, auch in Deutschland. Viele Betroffene weltweit schuften gerade für unsere Wohlstandsgesellschaft.
Wie viele Menschen sind von moderner Sklaverei betroffen?
Rund 45,8 Millionen Menschen in 167 Ländern leben weltweit in modernen Formen der Sklaverei. So lautet das Ergebnis des aktuellen "Global Slavery Index" der australischen Menschenrechtsorganisation "Walk-Free Foundation", die Ende Mai 2016 veröffentlich wurde. In Indien gibt es demnach die meisten modernen Sklaven. Es sind 18,4 Millionen bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen.
Die höchste Konzentration liege in Nordkorea vor. In dem bettelarmen Land gelte einer von 20 Menschen als moderner Sklave. Etwa 58 Prozent der Betroffenen, die von der Studie zu den modernen Sklaven gezählt werden, leben in diesen fünf Ländern: Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Usbekistan.
Welche Formen der modernen Sklaverei gibt es?
Die "Walk Free Foundation" definiert als moderne Sklaverei alle Situationen, in denen Menschen die Kontrolle darüber entzogen wird, was mit ihrem Körper passiert oder welche Art der Arbeit sie ausüben. Aus ihrer misslichen Lage können sich die Betroffenen nicht befreien, sie sind in einem Abhängigkeitsverhältnis gefangen, schuften umsonst oder für einen Hungerlohn und werden kleingehalten.
Kindersoldaten, Zwangsprostitution, Kinderarbeit, wirtschaftliche Ausbeutung, beispielsweise auf Feldern, Minen, in Fabriken oder als Haushaltshilfen, Leibeigenschaft, politische Gefangenschaft, Menschenhandel - die moderne Sklaverei hat viele hässliche Gesichter.
Wie sieht es in Deutschland aus?
Laut der Erhebung leben hierzulande rund 14.500 moderne Sklaven. Darunter fallen Menschen, die Zwangsarbeit leisten, oder sich prostituieren müssen. Die Grenze zur Sklaverei verläuft oft fließend und kann nicht immer klar definiert werden, weshalb die Zahlen der Studie von manchen Experten in Zweifel gezogen werden.
Wird sich die unfreiwillige Arbeit in Deutschland weiter ausbreiten? Wie die britische Risikoanalysefirma Europas "Verisk Maplecroft" in einem Menschenrechtsreport von Februar 2016 schreibt, führe gerade die Flüchtlingskrise zu steigender Zwangsarbeit in Europa. Solange der Status von Migranten im Aufnahmeland nicht geklärt sei, würden diese leicht in informelle Arbeitsverhältnisse gedrängt.
Welche Menschengruppen sind besonders betroffen?
Sowohl Kinder als auch Frauen und Männer schuften als moderne Sklaven. Laut Schätzungen von Unicef arbeiten weltweit rund 190 Millionen Kinder im Alter zwischen fünf und 14 Jahren, viele davon als Sklaven. In einem Bericht aus dem Jahre 2009 heißt es: "In Indien schuften sie elf, zwölf Stunden am Tag auf dem Baumwollfeld. In Kambodscha werden sie wie Waren als Farmarbeiter, Bettler oder Prostituierte ins benachbarte Thailand verkauft. Und in Haiti leben sie als Hausmädchen in völliger Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern."
Auch Beispiele, in denen Frauen ausgebeutet und versklavt werden, finden sich weltweit zahlreiche. In die Zwangsprostitution werden vorwiegend Mädchen und junge Frauen getrieben. In Europa, im Zuge des organisierten Menschenhandels, hauptsächlich von Osteuropa nach Westeuropa. Zu den Frauen, die weltweit Zwangsarbeit verrichten, zählen etwa die Näherinnen aus Bangladesch, die für einen Hungerlohn in den Fabriken schuften und Kleidung für den Weltmarkt produzieren.
Männer werden ebenfalls zum Opfer moderner Sklaverei. Auf thailändischen Fischkuttern etwa angeln Arbeiter Fisch und Meeresfrüchte für den Weltmarkt unter menschenunwürdigen Bedingungen und sind dabei oft roher Gewalt ausgesetzt.
Gerade auch Flüchtlinge sind eine fragile Gruppe und ein leichtes Ziel. Die Polizeibehörde Europol berichtete Anfang 2016, dass 10.000 Flüchtlings-Kinder, die alleine als Flüchtling nach Europa gereist waren, verschwunden sind. Ein Teil der Kinder, so die Annahme, könnte sich bei Verwandten aufhalten, doch seien diese Kinder zumindest potenziell gefährdet.
Welche wichtigen Konventionen gelten?
Seit dem Jahr 2000 umfasst das Übereinkommen gegen Menschenhandel der Vereinten Nationen neben der sexuellen Ausbeutung von Menschen auch Zwangsarbeit und Arbeitsausbeutung. In der Europäischen Menschenrechtskonvention heißt es: "Niemand darf in Sklaverei oder Leibeigenschaft gehalten werden." Und im Deutschen Grundgesetzt, Artikel 12: "Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden." Doch wer sich illegal aufhält, fällt schnell durch das Raster.
Tatsächlich engagiert sich eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen weltweit im Kampf gegen moderne Sklaverei. Die bekannteste von ihnen ist "amnesty international", doch auch Organisationen wie "terre des hommes" und "Anti-Slavery International" prangern die weltweiten Missstände an.
Letztlich liegt es jedoch in der Verantwortung jedes Einzelnen, vor der Verletzung der Menschenrechte, gerade am Anfang der Lieferkette, nicht die Augen zu verschließen.
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