- Für alles gibt es eine vernünftige Erklärung und Aberglaube gehört der Vergangenheit an – oder?
- Umfragen zeigen, dass viele Deutsche etwa auf Glück hoffen, wenn sie einen Schornsteinfeger sehen.
- Woher das kommt und warum der Aberglaube immer noch so eine Bedeutung hat.
Auf Holz klopfen, nicht vor dem Geburtstag gratulieren und erst recht nicht im Hotelzimmer mit der Nummer 13 übernachten: Es gibt einige ungeschriebene Regeln, an die sich die Deutschen halten, weil sie Angst vor Unglück haben.
Laut einer im Jahr 2005 veröffentlichten Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach am Bodensee hat der Aberglaube auch in unserer modernen Zeit nicht an Bedeutung verloren. Ganz im Gegenteil. So sei der Aberglaube in Deutschland heutzutage sogar noch stärker verbreitet als in den 1970er Jahren. Demnach hielten 42 Prozent der Bundesbürger im Jahr 2005 das vierblättrige Kleeblatt für einen Glücksbringer. Im Jahr 1973 glaubten dies in Westdeutschland lediglich 26 Prozent.
Gleiches gilt für Sternschnuppen, den Schornsteinfeger oder die Zahl 13. Der Befragung zufolge sahen im Jahr 2005 40 Prozent der Deutschen in einer Sternschnuppe ein positives Zeichen, während im Jahr 1973 nur 22 Prozent der Westdeutschen diesem Ereignis eine besondere Bedeutung zukommen ließen.
Aus einer Begegnung mit dem Schornsteinfeger erhofften sich 36 Prozent der Deutschen im Jahr 2005 mehr Glück (1973 in Westdeutschland nur 23 Prozent) und die Zahl 13 fürchteten zum Zeitpunkt der Befragung 28 Prozent der Bundesbürger (1973 waren es 17 Prozent). Doch woher kommt dieser Aberglaube?
Menschen suchen Halt im Aberglauben
"Dass die Deutschen solche Regeln wie beispielsweise dreimal auf Holz klopfen befolgen, hat unterschiedliche Gründe", sagt Juliane Stückrad von der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen. Rein psychologisch betrachtet, seien dies ihrer Meinung nach Alltagsstrategien, um mit Ängsten beziehungsweise dem Unvorhersehbaren im Leben umzugehen.
"Wir Menschen haben das Grundbedürfnis, eine gewisse Kontrolle über unser Leben zu besitzen, denn wir sind trotz aller Fortschritte in dieser modernen Welt immer noch sehr verletzbar und werden tagein, tagaus mit diversen Ängsten konfrontiert." Solche "magischen" Handlungen geben uns das Gefühl, trotzdem Einfluss auf unser Schicksal nehmen zu können.
Ursprung in religiösen Praktiken oder Benimmregeln
Es gebe aber auch Dinge, die mit der Zeit zu abergläubischen Handlungen umgedeutet wurden, die ihren Ursprung jedoch in religiösen Praktiken oder Benimmregeln hatten. "Das dreimalige Klopfen auf Holz lässt sich beispielsweise auf den christlichen Glauben zurückführen", sagt Stückrad.
"Genau genommen auf die Dreifaltigkeit – Vater, Sohn und Heiliger Geist." Dabei handele es sich quasi um eine Art Gegenzauber. Sprich: Man hält das Gute dem Bösen entgegen. "Im Grunde genommen ist es so, als würde sich jemand bekreuzigen, wenn er dreimal auf Holz klopft", ergänzt Stückrad.
Auch der soziale Kontext und die Alltagspraxis von damals spielten eine Rolle bei der Entstehung von abergläubigen Redewendungen und Handlungen. Das Sprichwort "Spinne am Morgen bringt Kummer und Sorgen, Spinne am Abend erquickend und labend" beziehe sich nicht, wie oft irrtümlich angenommen, auf die Spinnen, mit denen die Menschen teilweise ihr Zuhause teilen, sondern auf die Handarbeit des Spinnens.
Wer schon am Morgen spinnen musste, war arm, weil er damit sein Geld verdiente, er hatte Kummer und Sorgen, während das Spinnen am Abend gemeinsam bei Unterhaltung und zum Vergnügen stattfand. Die Vermutung also, dass eine am Morgen gesehene Spinne Unglück bringe, geht auf eine Fehlinterpretation dieses Ausspruchs zurück.
Auch die Annahme, dass Pfeifen in einem Theater Unglück bringe, ist ein Irrglaube. Denn früher galt das Pfeifen als Warnsignal, wenn die Gaslampen im Theater ausgegangen waren und aus ihnen Gas austrat. Ein Pfiff im Theater war also ein Zeichen für eine Gefahrensituation.
Beim vierblättrigen Kleeblatt wiederum handelt es sich um etwas Ungewöhnliches, das in der Natur nur selten vorkommt. Die Vier ist außerdem eine symbolische Zahl, die für die vier Himmelsrichtungen und die vier Evangelisten steht. Beides wird als besondere Zeichen gewertet, die das Kleeblatt mit einer magischen Kraft auflädt.
Letztendlich gibt es nur einen Glauben
Sind die Menschen denn heutzutage tatsächlich abergläubischer als noch vor ein paar Jahrzehnten? Dazu Stückrad: "Die nüchterne, rationale Sichtweise der Moderne reicht uns nicht aus, und wir haben das Bedürfnis nach solchen magischen Handlungen oder Bedeutungen, um uns in der unübersichtlichen Welt abzusichern. Das ist nur menschlich."
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Dass die Deutschen generell abergläubischer sind als die Menschen in anderen Ländern, glaubt die Thüringerin übrigens nicht. Den sogenannten Aberglauben gibt es überall auf der Welt. "Wobei das Wort Aberglaube eigentlich falsch ist", wirft Stückrad ein, denn es würde implizieren, dass es einen richtigen und einen falschen Glauben gibt – und letztendlich gebe es nur Glauben. Es ist immer eine Frage der Perspektive, ob Glaube richtig oder falsch ist.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Dr. Juliane Stückrad, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen
- Umfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach: Gute und ungute Vorzeichen: Aberglaube existiert weiter
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