• Der Preis, den wir an der Supermarktkasse für unsere Lebensmittel bezahlen, deckt meist nur einen Teil der Kosten, die die Produkte verursacht haben.
  • Die Zeche zahlt häufig die Umwelt - wobei Folgekosten entstehen, die wie ein Bumerang zu uns zurückkommen.
  • Wissenschaftler haben errechnet, was Gemüse, Milch und Fleisch wirklich kosten müssten. Das Ergebnis dürfte wohl den wenigsten schmecken.

Mehr Umweltthemen finden Sie hier

Den Slogan hat bekanntlich eine Elektronikhandelskette erdacht, doch auch bei Lebensmitteln gilt in Deutschland: Geiz ist geil. In kaum einem anderen europäischen Land geben die Menschen gemessen an anderen Konsumausgaben so wenig Geld für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke aus wie in Deutschland. 2020 waren es der EU-Statistikbehörde Eurostat zufolge zwölf Prozent.

Zum Vergleich: Die Franzosen kommen auf 15 Prozent, Griechen auf 19,4 Prozent und Rumänen gar auf 26,4 Prozent. Die Preise für Lebensmittel liegen in Deutschland nur knapp (drei Prozent) über dem EU-Durchschnitt, das Pro-Kopf-Einkommen hingegen deutlich (30 Prozent) darüber.

Dummerweise ist das nur auf den ersten Blick ein Grund zur Freude. Denn auch wenn uns die Preise am Supermarktregal in Schwarz auf Weiß präsentiert werden, kann man sich nicht darauf verlassen, dass sie die Kosten abbilden, die das Steak, die Milch oder der Apfel tatsächlich verursacht hat.

Außen vor bleibt, dass für das Steak womöglich Regenwald gerodet wurde, um Viehfutter anbauen zu können, dass Milchkühe klimaschädliches Methan ausstoßen und dass Nitrat, das im Landbau durch Gülle und Mineraldünger in den Boden gelangt, das Grundwasser verseucht.

Landwirtschaftsminister will "Ramschpreise" unterbinden

Darauf hat jüngst Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) aufmerksam gemacht und angekündigt, "Ramschpreise" verbieten zu wollen. "Sie treiben Bauernhöfe in den Ruin, verhindern mehr Tierwohl, befördern das Artensterben und belasten das Klima", sagte er. Lebensmittel dürften zwar kein Luxusgut werden. "Doch der Preis muss die ökologische Wahrheit stärker ausdrücken."

Die ökologische Wahrheit zu beziffern, ist das Ziel von Tobias Gaugler und Amelie Michalke. Durch ihre Forschung der vergangenen Jahre haben sich die beiden Wissenschaftler der Uni Greifswald der Wahrheit zumindest schon angenähert.

Vor allem tierische Produkte sind unverhältnismäßig billig

Für ein gutes Dutzend Lebensmittel aus verschiedenen Kategorien - Obst, Gemüse, Milchprodukte, Fleisch - haben sie alle Schritte der Wertschöpfungskette auf vier ökologische Treiber untersucht: Wie viel CO2 oder andere klimaschädliche Gase werden frei? Wie viel reaktiver Stickstoff gelangt in den Boden? Gab es eine Änderung der Landnutzung? Wie hoch ist der Energiebedarf?

Das Ergebnis: Rechnet man diese Schadenskosten mit ein, müsste ein konventionell produzierter Apfel etwa acht Prozent mehr kosten, Milch 122 Prozent mehr und Fleisch sogar 173 Prozent mehr. Für Bioprodukte fiele der Aufschlag etwas geringer aus, doch auch das Bio-Schnitzel müsste eigentlich doppelt so stark zu Buche schlagen wie heute.

Und damit nicht genug. Im Gespräch mit unserer Redaktion betont Gaugler, dass für die volle Wahrheit noch weitere Faktoren in den Preis eines Lebensmittels einfließen müssten, etwa das Tierwohl oder die Folgen des Pestizideinsatzes. Er arbeite daran. Die entscheidende Botschaft aber sei schon heute: "Wir bezahlen nur einen Teil des Preises, den anderen Teil lassen wir jemand anderen bezahlen."

Niedrige Preise gehen nicht nur zulasten der Umwelt

Wen? "Zum Beispiel die Bauern, denen durch Extremwetter Ernteausfälle entstehen oder die Menschen im Ahrtal, die den Klimawandel im Sommer in Form einer verheerenden Flut zu spüren bekommen haben", sagt Gaugler. Die Flut nahm vielen neben den Liebsten auch Hab und Gut, wodurch, auch darauf weist Gaugler hin, wiederum hohe Kosten für den Steuerzahler entstanden: 30 Milliarden Euro haben Bund und Länder für die Erneuerung der Infrastruktur und die Entschädigung der Flutopfer eingeplant.

Höhere Preise für Verbraucher gehen zwar zuweilen, aber nicht automatisch mit fairen Bedingungen für Landwirte, mehr Tierwohl und umweltfreundlichem Anbau einher, wie sich im europäischen Vergleich zeigt. Özdemir muss also unter Beweis stellen, dass die von ihm geplanten Maßnahmen tatsächlich den Produzenten, den Tieren und der Umwelt helfen.

Dr. Tobias Gaugler forscht mit seiner Kollegin Amelie Michalke am Lehrstuhl für Nachhaltigkeitswissenschaft und Angewandte Geographie der Uni Greifswald im Rahmen des Projekts "How much is the dish?" zum true cost accounting bei Lebensmitteln. Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Projekt ist auf vier Jahre angelegt.

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.