Überflutete Städte lassen sich vermeiden, wenn mehr Regenwasser im Boden versickern kann. Dazu braucht es weniger Asphalt und mehr kühlende Grünflächen. Aber wie?
"And the winner is ... Arnhem!" Die Kleinstadt aus den Niederlanden hat im Jahr 2023 den nationalen Wettbewerb "Tegel wippen', auf Deutsch etwa "Fliesen hüpfen" oder "Platten lupfen". 2.862 Betonplatten pro Einwohner wurden in der Stadt am Niederrhein im letzten Jahr entfernt.
Wie in Deutschland sind auch in den Niederlanden zu viele Flächen bebaut oder mit Asphalt und Platten zugepflastert. Bei einem Regenguss wird das Wasser schnell über Rinnen und Abläufe in die Kanalisation geführt und abgeleitet. Sauberes Regenwasser vermischt sich mit schmutzigem Abwasser und verlässt über die Kläranlage die Städte Richtung Fluss.
Mit den Klimaveränderungen kommt es inzwischen zu stärkeren Regenfällen als früher. Warme Luft nimmt mehr Wasser auf und nach langen Trockenperioden kommt es dann zu sintflutartigen Wolkenbrüchen. Die veraltete Kanalisation in vielen Städten kann das Wasser nicht mehr aufnehmen und Straßen werden überflutet.
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Da wir das Regenwasser für die lebenswichtige Grundwasseranreicherung, zur Bewässerung von Pflanzen und zum Kühlen durch Verdunstung brauchen, müssen Städte mehr wie Schwämme funktionieren: Regenwasser soll in offenen Grünflächen versickern, um die Kanalisation zu entlasten und Reserven für trockene Wochen zu bilden.
Die grünste Stadt gewinnt
Das Schwammstadtprinzip gehört neben der Vorsorge vor Überschwemmungen und dem - nur bedingt wirksamen - technischen Hochwasserschutz zu den drei Säulen im modernen Hochwasserschutz. In Neubaugebieten ist eine Regenwasserversickerung in Rasenmulden oder Dachbegrünungen verpflichtend. Der bereits gebaute Bestand muss aufwendig umgebaut werden und auf privaten Grundstücken kann der Staat nur mit Anreizsystemen locken. Oder eben mit einer Siegerehrung.
2021 ging beim ersten Wettstreit zwischen den klassischen Rivalen Amsterdam und Rotterdam Erstere als Siegerin hervor. Schon im zweiten Jahr kamen die ersten kleineren Gemeinden dazu. Inzwischen beteiligen sich 199 Städte am Duell, auf einer Tabelle können die Pegelstände eingesehen werden, platziert wird nach "TPI": Tegel (sprich. 'Techl') pro Einwohner.
Im letzten Jahr gab es rund 5.000 Anmeldungen auf der Webseite. "Viele entsiegeln ihren Garten oder ihren Vorplatz aber in Gruppen, als Familie oder Stadtteilinitiativen, es sind also viel mehr Menschen dabei", weiß Eva Braaksma. Die Agenturchefin will die Menschen mit guten Geschichten und konkreten Erlebnissen zum Nachdenken über soziale und ökologische Fragen anregen: "Es tut den Menschen gut, selber aktiv zu werden. Der Klimawandel und die Veränderungen, auf die wir reagieren müssen, sind ein schweres Thema, das auch belastend sein kann."
Auch wenn es nur kleine Flächen sind, trägt es dennoch zu einer kühleren, gesünderen Umgebung bei. Die Stadtverwaltungen tauschen sich während des Wettbewerbs im Hintergrund über das Projekt aus und entwickeln es weiter. So hatte die Stadt Amsterdam die Idee für ein Tegel-Taxi, einen städtischen LKW, der die freigelegten Platten vor der Haustür auflädt und kostenlos zum städtischen Bauhof transportiert. Dort bekommen die Betonsteine ein zweites Leben als Recyclingmaterial.
In Rotterdam tauscht der örtliche Fußballverein Feyenoord seit Neuestem seinen abgespielten Rasen gegen Betonplatten. Das animiert auch Fußballfans zum "Tegel-Wippen". Die Grasnarbe erholt sich am neuen Ort schnell und bildet eine fest verwurzelte Verbindung zum Traditionsverein.
"Wir haben in den Niederlanden viele Platten in den Gärten und auch auf den Gehwegen, da lässt sich leicht etwas herausnehmen", beschreibt Eva Braaksma einen lokalen Vorteil. Nach Flandern, dem holländischen Teil von Belgien, haben sie die Idee schon exportiert. Der Spieltrieb stecke in allen Menschen, egal welcher Nationalität.
Im Privatbereich spielt die Musik
"Das ist keine schlechte Idee", findet Frank Ueckermann, Leiter des Garten- und Tiefbauamtes im badischen Freiburg, eine der heißesten Städte Deutschlands: "So etwas Spielerisches ist für uns grundsätzlich denkbar."
Auf den öffentlichen Flächen ist die Stadt bei jedem Umbauprojekt gehalten, Lösungen für eine Entsiegelung zu suchen. "Aber der Flächenkampf ist groß, wir haben auch die Vorgaben, neue Wege, zum Beispiel für Radverkehr, zu suchen."
Auf privaten Flächen spielt daher seiner Ansicht nach die Musik. Für ihn liegt die einzige Hürde in der personellen Besetzung: "Wir haben im Eigenbetrieb zehn Angestellte, die würden das sicher alle gerne machen, es ist ja eine lustige Sache. Aber dafür reichen unsere Stellen nicht."
Entscheidend sei aber, so ein Projekt richtig anzugehen und professionell durchzuführen. Dann sei er offen für einen solchen Wettkampf. Die Stadt Freiburg unterstützt mit dem "Gebäudegrün-hoch3"-Förderprogramm private Begrünung und Entsiegelung finanziell. Die Mehrheit der Anfragen komme allerdings aus der gewerblichen Nutzung. Ein neuer Anreiz könnte für mehr Interesse aus dem Privatbereich sorgen.
Koblenz lässt die Steine hüpfen
Den spielerischen Wettbewerb aus den Niederlanden will die Hochschule für Gesellschaftsgestaltung (HfGG) in Koblenz unter dem Slogan "Steine hüpfen" auch nach Deutschland holen. Aktuell werden noch Kommunen, Städte und Organisationen gesucht, die mitspielen. Das Entsiegeln werden die Studierenden dann ab dem Wintersemester 2024/25 als langfristiges Studierendenprojekt partizipativ planen.
Zusammen mit den Teilnehmenden entwickeln sie die Spielregeln, führen Workshops durch, überlegen die Nachnutzung der entsiegelten Flächen und organisieren Kampagnen. Los geht es im März 2025 mit der ersten von mehreren geplanten Wettbewerbsrunden. Es gewinnt das Team, das in diesem Zeitraum die meisten Pflastersteine durch Blühstreifen, Beete und Grünflächen ersetzt, in denen dann kühlendes Regenwasser versickern kann.
Über die Gesprächspartner
- Eva Braaksma führt mit Remco Moen Marcar die Konzeptagentur FrankLee in Amsterdam.
- Frank Ueckermann ist Amtsleiter beim Garten- und Tiefbauamt Freiburg.
Verwendete Quellen
- sieker.de: Hochwasser
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