War der wichtigste Schriftsteller aller Zeiten gar nicht der, als der er sich ausgab? Schrieb ein anderer die berühmten Werke wie "Macbeth" oder "Romeo und Julia"? Um William Shakespeare ranken sich auch 400 Jahre nach seinem Tod viele Mythen.
38 Dramen, 154 Sonette sowie epische Versdichtungen haben William Shakespeare unsterblich gemacht. Er gilt als bedeutendster Schriftsteller aller Zeiten und als Alleskönner: Er schrieb leichte Komödien ebenso wie schwer verdauliche Tragödien. Von "Hamlet" über "Wie es Euch gefällt" und "Der Kaufmann von Venedig" bis "Romeo und Julia": Seine Werke werden immer noch verkauft und weltweit in den Theatern aufgeführt. Der Autor selbst bleibt aber ein Mythos. Leben und Wirken des Engländers geben auch 400 Jahre nach seinem Tod viele Rätsel auf. Viel ist nicht über die historische Person bekannt.
Anfänge und Privates
Wann Shakespeare geboren wurde, ist nicht sicher festzustellen. Überliefert ist aber der Tag seiner Taufe: Am 26. April 1564 wurde ihm in Stratford-upon-Avon der Name "William Shakespeare" gegeben. Er war der Sohn eines Handschuhmachers, der nach Ansicht mancher Forscher Analphabet gewesen sein könnte.
William besuchte ein paar Jahre lang die Lateinschule in der Kleinstadt, hatte aber keine weitergehende Bildung. Mit 18 Jahren heiratete er die Tochter eines Bauern,
Er schlug sich als Kleindarsteller durch und wurde später Mitbesitzer eines Theaters. Woher er das Geld dafür hatte, wurde nie geklärt. Ab 1593 wurden seine Werke gedruckt und mit großem Erfolg in den Theatern in London aufgeführt. Königin Elizabeth I. lud ihn sogar ein, eine Aufführung am Hof zu gestalten. Gestorben ist Shakespeare am 23. April 1616 ebenfalls in Stratford-upon-Avon.
Merkwürdig: keine Manuskripte, keine Briefe
Einige Umstände seines Lebens und Nachlasses erregen die Aufmerksamkeit der Zweifler: Obwohl seine Stücke gefeiert wurden, erregte sein Tod kein öffentliches Aufsehen. Als aber der zur damaligen Zeit bekannteste Shakespeare-Schauspieler Richard Burbage 1619 starb, wurde dieser als Volksheld zu Grabe getragen.
Während Shakespeare der Nachwelt mehr als eine Million Worte in seinen Dramen und Sonetten hinterließ, sind lediglich 14 Schriftstücke erhalten, die er in seiner Handschrift geschrieben haben soll. Es handelt sich dabei allerdings nur um krakelige Varianten seines Namens. Konnte er womöglich gar nicht richtig schreiben?
Kein einziges Manuskript ist geblieben, kein einziger Brief überliefert, und es gibt nur wenige Porträts von Shakespeare. Seltsam auch, dass in seinem Testament zwar erwähnt wird, dass seine Ehefrau "das zweitbeste Bett" im Haus erben soll. Es ist aber nicht die Rede von irgendwelchen Büchern oder eigenen Werken. Es gibt kein historisches Dokument, das Shakespeares Tätigkeit als Schriftsteller nennt.
Ohne Bildung ein solcher Wortschatz?
Deutet all das darauf hin, dass der Shakespeare aus Stratford-upon-Avon ein Schwindler war, ein Strohmann für den echten Autor jener weltberühmten Dramen? Es gibt einige Indizien für diese Theorie. Denn wie soll der ungebildete Sohn eines Handwerkers, der England nie verlassen hat, sich einen so umfassenden Wortschatz angeeignet haben?
29.000 verschiedene Wörter haben Experten in seinen Schriften gezählt, sie leben von ungeheurem Einfallsreichtum und Wortwitz. Außerdem spricht der Autor darin Themen aus Medizin, Astronomie, Kunsthistorie, Naturwissenschaft und Recht an. Es gibt Anspielungen auf die antike Mythologie. Müsste Shakespeare nicht studiert haben, um dieses Wissen zu besitzen?
Für die Skeptiker ist deshalb klar: William Shakespeare war nur ein Pseudonym, der Schauspieler aus Stratford-upon-Avon war gar nicht der Urheber der berühmten Werke. Fast 100 zeitgenössische Namen wurden im Lauf der Zeit als eigentliche Schöpfer von "Macbeth" & Co. genannt. Darunter sind der Autor Christopher Marlowe, der Philosoph Francis Bacon, der Earl von Oxford Edward de Vere und sogar Königin Elizabeth I.
Lange Zeit galt Christopher Marlowe als aussichtsreichster Kandidat: Er war ein Dichter zu Shakespeares Zeit. Im Gegensatz zu diesem war er gebildet, hatte in Cambridge studiert und unter anderem Verona bereist, das in "Romeo und Julia" beschrieben wird.
Allerdings starb Marlowe 1593 bei einer Messerstecherei in London - zwei Wochen, bevor Shakespeares erstes Werk veröffentlicht wurde. Doch manche Forscher glauben, dass Marlowe in Wahrheit nicht tot war, sondern sich nach Indien absetzte und fortan unter einem falschen Namen schrieb. Der Grund für sein Täuschungsmanöver: Er war wegen Ketzerei angeklagt und homosexuell – zur damaligen Zeit ein schweres Vergehen.
Ein Earl als wahrscheinlichster Autor
Vielleicht steckt aber auch Edward de Vere, der 17. Earl von Oxford, hinter dem Pseudonym. Die Theorie, dass er der wahre Autor der Shakespeare-Werke ist, hat heute unter den Zweiflern die meisten Anhänger. Daran glaubten unter anderem auch Sigmund Freud und die Autoren Mark Twain und Henry James.
De Vere schrieb Gedichte, durfte diese aber als Mitglied des Hofes von Elizabeth I. nicht kommerziell veröffentlichen. Das hat ihm vielleicht nur die Wahl gelassen, unter einem anderen Namen zu schreiben. Der Earl war gebildet und reiste viel, unter anderem nach Italien, das in vielen Shakespeare-Stücken eine wichtige Rolle spielt.
Allerdings starb de Vere bereits 1604 und damit zu früh. Wichtige Shakespeare-Werke wie "Der Sturm" entstanden erst danach. Die Anhänger der De-Vere-Autorschaft, auch "Oxfordianer" genannt, stört das nicht. Sie gehen davon aus, dass die Dramen dann wohl früher geschrieben wurden als heute gedacht.
In de Veres Nachlass wurde eine Bibel mit 200 Anmerkungen in seiner Handschrift gefunden. Die meisten davon beziehen sich auf Textstellen, die auch in Shakespeare-Stücken zitiert werden: Zufall oder ein schlagendes Argument, dass de Vere der echte Autor ist? Ein weiteres Indiz: Sein Spitzname soll "Spear Shaker" gewesen sein.
Die Stratfordianer sind in der Mehrzahl
Doch trotz aller Zweifel und Rätsel: Die Mehrheit der Shakespeare-Forscher hält daran fest, dass der Handwerkersohn tatsächlich der wahre Urheber ist. Die Gruppe der sogenannten "Stratfordianer" halten alle anderen Erklärungsversuche für bloße Verschwörungstheorien. Sie kritisieren, dass einem einfachen Mann aus dem Volk solche Kunst nicht zugetraut wird.
Für viele der Zweifel gibt es ihrer Ansicht nach stichhaltige Gegenargumente: Shakespeare muss nicht gebildet gewesen sein, er habe auf schon bekannte Stoffe zurückgegriffen und sie dramatisch gestaltet. Viele Fakten habe er durch seine engen Kontakte zum Hof erfahren. Und ihm unterliefen viele Fehler, zum Beispiel in geografischer Hinsicht: So verlegte Shakespeare zum Beispiel Böhmen ans Meer, und er schrieb, dass man von Verona per Seereise nach Mailand gelangen könne.
Dass kein Manuskript Shakespeares erhalten ist und er in seinem Testament keine Bücher erwähnt, ist nicht ungewöhnlich. Von vielen zeitgenössischen Autoren ist kein Schriftstück erhalten, etwa von Ben Jonson. Und der wichtigste Denker seiner Zeit, Sir Francis Bacon, nennt in seinem Testament ebenfalls kein einziges Buch.
Ein weiteres Argument der Stratfordianer: Shakespeares Vater sei nicht einfach nur ein Handwerker gewesen. Er habe immerhin die Finanzen von Stratfort-upon-Avon verwaltet und sei später sogar Bürgermeister gewesen. Das spricht gegen die These, er habe nicht lesen und schreiben können.
Zweifel an Shakespeares Urheberschaft für die Werke kamen erst Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Auch das ist für die Forscher ein Indiz: Wäre der Schauspieler wirklich als Strohmann aufgetreten, hätte es ihrer Ansicht nach einige Mitwisser geben müssen. Und hätten diese zu Lebzeiten Shakespeares und in den Jahren nach seinem Tod wirklich alle geschwiegen?
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