Die SPD fordert eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Karl Lauterbach will notfalls sogar die Koalition mit der Union aufkündigen, um die Steuer durchzusetzen. Wie realistisch ist das Projekt? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Mehr Wirtschaftsthemen finden Sie hier

Es sei "Zeit für eine moderne Vermögensteuer", heißt es bei der SPD. Bei "ein bis zwei Prozent der größten Vermögen in Deutschland", so fordert es ein Papier des kommissarischen Parteivorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel, solle sie erhoben werden und dem Staat Einnahmen von jährlich 10 Milliarden Euro einbringen.

Karl Lauterbach, im Duo mit Nina Scheer Kandidat für das Amt des SPD-Vorsitzenden, will sogar die Große Koalition auflösen, um die Steuer durchzusetzen. Wir erklären, worum es geht:

Gab es die Vermögenssteuer schon einmal?

Ja, doch sie wurde 1996 ausgesetzt, weil das Bundesverfassungsgericht die Gerechtigkeit der Bemessungsgrundlagen bemängelte. Eine Wiedereinführung ist durchaus möglich, wenn die damals beanstandeten Schwachpunkte beseitigt werden.

Die SPD fordert eine Vermögensteuer wegen der ungleichen Verteilung der Vermögen in Deutschland. Stimmt diese Begründung?

Die Datenlage sei "extrem schlecht", sagt Prof. Dr. Dr. Giacomo Corneo vom Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der FU Berlin. Es gibt keine Statistiken, sondern nur Umfragen, deren Ergebnisse laut Corneo mit Vorsicht zu genießen sind: "Sie beziehen sich auf maximal 99 Prozent der Bevölkerung, aber die ganz Reichen sind nie dabei."

Trotzdem bezeichnet er die Vermögensverteilung in Deutschland als "sehr ungleichmäßig". Auch wenn man die Rentenansprüche mit einrechne, liege Deutschland allenfalls "im Mittelfeld".

Wer müsste Vermögensteuer bezahlen?

Die Festlegung eines Freibetrags von einer Million Euro beim Vermögen würde nach Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) dazu führen, dass etwa 400.000 Haushalte in Deutschland die Vermögensteuer entrichten müssten.

"Das wäre das reichste eine Prozent der Bundesbürger", sagt Stefan Bach, Steuerexperte beim DIW. Der Wissenschaftler Corneo ist aber skeptisch, dass die sehr großen Vermögen betroffen wären: "Man kriegt bestimmt nicht alle", sagt er.

Internationale Studien gehen davon aus, dass die Superreichen – die reichsten 0,1 Promille der Deutschen und damit etwa 6.000 Menschen – ein Drittel ihrer Vermögen in ausländischen Steueroasen vor dem Fiskus versteckt halten. Betroffen wäre von der Steuer deshalb vor allem "die obere Mittelschicht", weniger aber die sehr Reichen.

Wie hoch wären die Einnahmen aus einer Vermögensteuer für den Staat?

Führte man die Steuer wie von der SPD geplant ein, wären Einnahmen von 10 bis 15 Mrd. Euro realistisch. So werde es aber nicht kommen, ist man sich beim DIW sicher: "Das würde vor allem die Unternehmen betreffen und käme einer Erhöhung der Unternehmensbesteuerung gleich, und das kann man wegen der internationalen Konkurrenz so nicht durchziehen."

Im SPD-Papier wird die Schweiz als Vorbild genannt. Wie funktioniert dort die Vermögensteuer?

Die Kantone erheben sehr niedrige Vermögensteuern – sie liegen im Schnitt bei 0,4 bis 0,5 Prozent. Die SPD dagegen denkt über einen Stufentarif von einem bis zwei Prozent nach. Manche Schweizer Kantone erheben außerdem keine Kapitalertragssteuern, die Einkommensteuern liegen unter den deutschen Sätzen. "Die wollen ja gerade die Reichen anlocken", gibt Steuerexperte Bach zu bedenken, der Vergleich mit der Schweiz laufe daher "ins Leere".

Wie werden Vermögen in anderen Ländern besteuert?

In der EU erhebt lediglich Spanien eine Vermögensteuer, weltweit kommt neben der Schweiz nur noch Norwegen dazu. "Die ganzen Reichen zahlen auch dort nicht", sagt der Wirtschaftswissenschaftler Corneo in Bezug auf Spanien. Das völlig andere Steuersystem des reichen Norwegens mache einen Vergleich fast unmöglich: "Steuerflucht ins Aus­land ist dort auch deswegen weniger attraktiv, weil man dann seine Anteile an dem riesigen, allen Norwegern gehörenden Staatsfonds aufgeben müsste."

Was kostet die Vermögensteuer?

Die Experten gehen davon aus, dass die Steuererhebung zumindest ähnlich wie bei der Einkommensteuer zwischen vier und acht Prozent des Steueraufkommens verschlingen würde. Auf jeden Fall wäre sie mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden.

Gibt es sinnvolle Alternativen zur Vermögensteuer?

Experte Corneo bezweifelt, dass die Parteien gewillt seien, eine Vermögensteuer "wirklich wasserdicht zu machen" – es würde wohl eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen mit vielen Schlupflöchern für Steuervermeider geben. Er gibt zu bedenken, dass die Vermögenserträge schon jetzt mit Abgeltungs- und Körperschaftssteuern belegt seien: "Man könnte also genauso gut diese Steuern erhöhen und würde sich zusätzliche Gesetze und den bürokratischen Aufwand sparen."

Corneo sieht in der Forderung nach einer Vermögensteuer "in erster Linie eine Marketingkampagne der SPD". Sie sei auch deshalb "schlechter als andere Steuern", weil Reiche besseren Möglichkeiten haben, aus ihrem Vermögen eine höhere Rendite zu schöpfen. Ein einheitlicher Steuersatz wirke daher regressiv – wer mehr verdient, zahlt weniger Steuern. Er bestrafe also "die Steuerpflichtigen, die kein Glück mit ihren Anlagen gehabt haben."

Steuerexperte Bach vom DIW empfiehlt der SPD, besser die bestehenden Steuern auf hohe Einkommen und Vermögen zu stärken und allenfalls für Superreiche mit zweistelligen Millionenvermögen Elemente der Vermögensteuer einzubeziehen. Auch so könne man 10 Milliarden Euro zusätzlich erheben, um die Normalbürger zu entlasten. Es gebe auch hierzulande viele Reiche, die solch eine Besteuerung befürworten und sich in der Pflicht sehen: "Der Staat schafft ja erst die Möglichkeiten dafür, dass dieser Reichtum möglich ist."

Der Wissenschaftler Corneo plädiert dafür, Steuerschlupflöcher bei der Erbschaftssteuer zu schließen. Außerdem wäre es in seine Augen sinnvoll, die Abgeltungssteuer abzuschaffen und stattdessen zur Versteuerung der Vermögenseinkünfte in der persönlichen Einkommensteuererklärung zurück­zu­keh­ren. "Das hätte einen Milliardeneffekt ohne mehr Bürokratie zu erzeugen. Außerdem würde das Problem wegfallen, wie man privates Firmenvermögen und andere Aktive steuerlich bewerten soll."

Verwendete Quellen:

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.