63 Bundestagsabgeordnete der Union haben das dritte Hilfspaket für Griechenland abgelehnt und damit der Drohung des Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder getrotzt. Doch warum stimmten die Abweichler mit "Nein"? Wir haben einen Blick auf die Motive der Politiker geworfen und ihre wichtigsten Aussagen gesammelt.

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Wie auch bei der Abstimmung zum zweiten Hilfspaket im Jahr 2012, das dem deutschen Staat Kosten von rund 38,1 Milliarden Euro aufbürdete, und bei der Abstimmung zu einem Verhandlungsmandat für Finanzminister Wolfgang Schäuble für erneute Griechenlandhilfen im Juli 2015, gab es auch beim Votum am Freitag im Bundestag Abgeordnete, die gegen den Kurs der Kanzlerin votierten. 63 Unions-Politiker stimmten mit "Nein". 228 Abgeordnete der Union gaben eine Ja-Stimme ab, drei enthielten sich, 17 nahmen am Votum nicht teil.

Die Höhe des Hilfspaktes liegt bei rund 86 Milliarden Euro, wovon Deutschland 23,2 Milliarden trägt. Bisher erhielt Athen insgesamt rund 215,7 Milliarden Euro in Form von Krediten, wobei Deutschland mit 60,3 Milliarden Euro beteiligt ist. Bedingung für diese Hilfspakete ist die Durchführung von Reformen in Griechenland.

Volker Kauder sagte über diejenigen Abgeordneten, die in der Abstimmung im Juli das Mandat ablehnten: "Die mit Nein gestimmt haben, können nicht in Ausschüssen bleiben, in denen es darauf ankommt, die Mehrheit zu behalten: etwa im Haushalts- oder Europaausschuss."

Warum stimmten 63 Unionsabgeordnete gegen das Hilfspaket? Besteht ein Zusammenhang zur Drohung Kauders? Das sind die prominentesten Abweichler und deren Aussagen:

Christian von Stetten (CDU)

Der CDU-Abgeordnete und Finanzexperte aus Stuttgart sagte dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", er sehe die Schuldendtragfähigkeit als "nicht gegeben" und habe deshalb "natürlich" mit Nein gestimmt. Gegenüber "sueddeutsche.de" zeigt sich von Stetten unberührt von den Aussagen Volker Kauders: "Eine solche Drohung beeindruckt mich überhaupt nicht."

Klaus-Peter Willsch (CDU)

Der CDU-Abgeordnete stand Griechenland-Hilfen laut "spiegel.de" schon immer kritisch gegenüber. Im Bundestag sagte er vor der Abstimmung über ein drittes Hilfspaket: "Wenn man zweimal mit Anlauf mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist, dann sollte man mal gucken, ob's nicht auch irgendwo 'ne Tür gibt. Und die Tür heißt Grexit." Er selbst sehe es als seine Pflicht an, trotz Drohungen bei seiner Meinung zu bleiben: "Wer jetzt seine Haltung ändert, über den sagt doch der Bürger im Wahlkreis: Der ist vor der Führung eingeknickt", sagte er "spiegel.de"

Wolfgang Bosbach (CDU)

Auch Bosbach ist langjähriger Kritiker der Griechenland-Politik der Bundesregierung. Zur ARD sagte er: "Ich fürchte, wir kaufen uns wieder einmal für sehr, sehr viel Geld ein wenig Zeit." Aufgrund seiner ablehnenden Haltung gegenüber der Hilfspakete für Athen trat der CDU-Politiker Ende Juli von seinem Posten als Vorsitzender des Innenausschusses im Bundestag zurück. Auch er sieht es, wie Willsch, als seinen Auftrag an, sich für seine "Wählerinnen und Wähler, die (ihn) gerade wegen (seiner) Haltung in der Euro-Krise gewählt haben" einzusetzen. "Auch durch Druck und Drohungen wird sich mein Abstimmungsverhalten nicht ändern", erklärte er "bild.de" in Bezug auf die Aussagen Kauders.

Hans Michelbach (CSU)

Im "ZDF Morgenmagazin" stellte der Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss im Deutschen Bundestag klar: "Ich sehe mich als Kämpfer der ökonomischen Vernunft", weshalb er mit "Nein" stimmen werde. Ein drittes Hilfspaket würde zu einer "Transferunion" führen, "ohne ökonomische Lösung funktioniert auf Dauer keine politische Lösung", erklärt er im Fernsehinterview. Zu den Drohungen Kauders sagt er "bild.de": "Ich treffe meine Entscheidung rein aus Sachgründen. Jeglicher persönlicher Druck hat keinen Einfluss auf mich."

Dagmar Wöhrl (CSU)

Gegenüber "bild.de" erklärte die Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ihr "Nein": "Nicht das Ausscheiden eines Landes wie Griechenland gefährdet die Währungsunion, sondern dessen Verbleib um jeden Preis." Sie befürchtet außerdem einen "versteckten Schuldenschnitt zu Lasten unserer Kinder und Enkel", wie der "Bayerische Rundfunk" berichtet. Ihre Reaktionen auf die Aussagen des Fraktionsvorsitzenden: "Ich verstehe, dass sich Volker Kauder leidenschaftlich für die Geschlossenheit unserer Fraktion einsetzt (...). Festzustellen ist hier aber, dass in unserer Fraktionsordnung die Mittel 'Drohung' und 'Amtsentzug' nicht vorgesehen sind."

Carsten Linnemann (CDU)

Der bislang relativ unbekannte Wirtschaftspolitiker und Vorsitzende der Mittelstandsvereinigung von CDU/CSU sagte der "Rheinischen Post": "Diejenigen Kollegen, die sich schon länger mit der Rettungspolitik schwertun und den IWF immer als beruhigendes Korrektiv gesehen haben, werden nun mit sich ringen." Daher rechnete er schon vor der Abstimmung damit, dass die Abweichler bei ihrer Meinung bleiben werden.

Thomas Bareiß (CDU)

Der konservative CDU-Politiker beruft sich mit seinem "Nein" laut "schwäbische.de" darauf, dass Athen die Zusagen nicht erfüllen kann: "Der IWF (...) sieht derzeit nicht die Schuldentragfähigkeit Griechenlands."

Veronika Bellmann (CDU)

Die sächsische Bundestagsabgeordnete erklärt ihre Nein-Stimme "rp-online": "Das bin ich meinem Gewissen schuldig, (...) weil ich es noch immer für richtig halte, sich an Verträge und Regeln zu halten und sie sich nicht ständig so zurechtzubiegen, wie es einem gerade passt." Als Lösung der Krise "unterstützt (sie) diese Idee, die ja auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Juni/Juli verfolgt hat" - den Grexit light.

Detlef Seif (CDU)

Ursache für das "Nein" des Obmanns der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union ist laut "Kölnische Rundschau" sein fehlendes Vertrauen in Athen: "Ich vertraue der griechischen Regierung nicht, dass sie Maßnahmen, die sie widerwillig unterzeichnet, auch einhält". Gegenüber "bild.de" sagt er zu den Drohungen Kauders: "Es würde mich sehr schmerzen, wenn ich – als Obmann meiner Fraktion – gezwungen werde, den Europa-Ausschuss zu verlassen. Aber auf mein Abstimmungsverhalten hat die Erklärung von Volker Kauder trotzdem keinen Einfluss. (...) Mir war immer klar, dass es negative Auswirkungen auf mein Fortkommen haben kann, wenn ich anders abstimme, als die Fraktionsführung das will. Dieses Risiko muss ich aber in Kauf nehmen."

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