Der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm: Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei "kaum noch wettbewerbsfähig". Einen Fortschritt erhofft er sich vom Wachstumschancengesetz. Doch das blockieren bisher die Bundesländer.

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Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat angesichts der lahmenden Konjunktur eine "Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik" gefordert. Nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch in der Politik herrsche "mittlerweile weitgehend Einigkeit darüber, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland kaum noch wettbewerbsfähig ist", erklärte DIHK-Präsident Peter Adrian am Montag. Ein wichtiges erstes Signal könnte demnach das Wachstumschancengesetz sein.

Für die weitere Entwicklung der deutschen Wirtschaft seien die Wochen bis Ostern von großer Bedeutung: "Denn alles, was jetzt an Belastungen oder im Gegenzug an Entlastungen in Berlin und Brüssel entschieden wird, wirkt sich direkt auf die Investitionspläne der Betriebe aus", sagte Adrian der "Rheinischen Post". Alle politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern müssten jetzt die Chance nutzen, "eine Zeitenwende in der Wirtschaftspolitik konkret einzuläuten".

Wachstumschancengesetz als wichtiges Signal

Neben der Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsprozessen und dem Bürokratieabbau könnte aus Sicht des DIHK-Präsidenten ein erstes ermutigendes Signal vom Wachstumschancengesetz ausgehen. Dieses sieht Entlastungen für Unternehmen in Milliardenhöhe pro Jahr vor. Es ist bereits im Bundestag beschlossen.

Die Länder hatten das Gesetz aber im Bundesrat gestoppt, weil die geplanten Steuererleichterungen aus ihrer Sicht zu große Löcher in ihre Haushalte und die der Kommunen reißen. Am Mittwoch soll sich nun der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat damit befassen. Zentraler Punkt ist, dass die Unionsländer als Voraussetzung für ihre Zustimmung fordern, die schrittweise Abschaffung der Agrardiesel-Subventionen zurückzunehmen.

FDP wirft Union "politische Geisterfahrerei" vor

Scharfe Kritik daran äußerte am Montag die FDP-Bundestagsfraktion: Die Blockade der Union im Bundesrat sei "politische Geisterfahrerei", sagte der wirtschaftspolitischer Fraktionssprecher Reinhard Houben. Auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) appellierte an die Union, ihre Blockade aufzugeben. Es gehe "um sofort wirksame, unbürokratische Wachstumsimpulse für die Wirtschaft", erklärte sie. "Auch eine Opposition hat eine staatsbürgerliche Verantwortung", mahnte Dreyer.

Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) kritisierte es in der "Rheinischen Post", als "politisches Manöver der Union auf dem Rücken der Landwirte", das Wachstumschancengesetzmit Verweis auf den Agrardiesel zu blockieren.

Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU) beharrte im Deutschlandfunk hingegen auf Zugeständnissen beim Agrardiesel. Wichtig sei, dass die ungerechtfertigte Benachteiligung der Landwirtschaft beseitigt werde, sagte er.

Pessimistische Bundesbank

Die Bundesbank äußerte unterdessen die Einschätzung, dass die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland weiterhin von "Belastungsfaktoren" getrübt werde. Daher könne die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2024 "erneut etwas zurückgehen", erklärte die Bundesbank am Montag. Im letzten Quartal des vergangenen Jahres war die Wirtschaft bereits um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal geschrumpft.

Die seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine andauernde Schwächephase der deutschen Wirtschaft würde sich damit im ersten Quartal 2024 "zwar fortsetzen", schrieben die Expertinnen und Experten der Bundesbank in ihrem Monatsbericht weiter. Eine Rezession im Sinne eines deutlichen, breit angelegten und länger anhaltenden Rückgangs der Wirtschaftsleistung könne aber "weiterhin nicht festgestellt werden" und sei "derzeit auch nicht zu erwarten". (afp/fab)

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