Am vergangenen Sonntag zuckten noch Blitze über den Mainzer Lerchenberg und zwar so sehr, dass man den "Fernsehgarten" nach drinnen verlegen musste. Doppelte Aufregung zum halben Spaß. In der neuesten Ausgabe blieb hingegen alles trocken – vielleicht sogar ein bisschen zu trocken. Zwar erwischte man diesmal das eigene Motto verhältnismäßig gut, so richtig unterhaltsam war das Ganze aber nicht.
Wenn sonntags wieder eine neue "Fernsehgarten"-Ausgabe über den Mainzer Lerchenberg getrieben wird, dann läuft ganz vorne stets irgendein Motto. Das ist verständlich, denn so ein Motto gibt der Redaktion und dem Publikum immer die Richtung vor, in die man hinterher galoppieren darf. Gleichzeitig nimmt man es bei der Umsetzung des Mottos beim "Fernsehgarten" traditionell nicht so genau.
Da wird dann bisweilen so ziemlich alles wild durcheinander geschmissen, was einem so bei einer Redaktionskonferenz eingefallen ist. So wie in der vergangenen Woche, als man thematisch in den Wilden Westen reiten wollte. Doch statt in der Prärie Arizonas kam man thematisch nur im Niemandsland an – was aber nicht am Gewitter lag, das den "Fernsehgarten" programmatisch zusätzlich durcheinander wirbelte.
Dass Ähnliches auch an diesem Sonntag passiert, ist allerdings unwahrscheinlich. Nicht, weil sich der Wetterbericht ganz freundlich las oder weil man beim ZDF plötzlich die Liebe zum Detail entdeckt hätte. Nein, diesmal bleibt man dem Motto treu, weil das Motto einfach so offen ist, das man alles reinstecken kann: "Das große Schlagerfestival, einmal um die Welt!", soll es diesmal sein und Moderatorin
Wer will noch nach Mendocino?
"Evergreens und wirklich coole, coole Schlager" – das klingt so, als würde sich beides ausschließen, aber dazu später. Erst einmal gibt es einen kleinen Vorgeschmack, was Kiewel meint.
Evergreens sind trotzdem eine gute Idee für Kiewels "Schlagerfestival-Weltreise-'Fernsehgarten'"-Ausgabe, denn eben diese Schlager-Evergreens sind aus und fürs Fernweh gemacht. Also singt Olaf, der Flipper an diesem Nachmittag von der "roten Sonne von Barbados", Michael Holm reist mal wieder jeden Tag nach "Mendocino" und Cindy Berger singt von den erblühenden Rosen in Malaga. Schlager und Weltreise – das ZDF hält, was es mit seinem Motto verspricht.
Zumindest das, was man seinem Publikum zumuten kann. Denn natürlich macht man keine musikalische Weltreise, dazu gehörten ja Schlager aus anderen Ländern. Stattdessen nimmt man deutschsprachigen Schlager, der lediglich von anderen Ländern berichtet oder davon fantasiert. Und es gibt es noch einen Haken.
Ja, solche Schlager-Evergreens sind aus Fernweh gemacht oder vielmehr: Sie waren es einmal. Damals, als Deutschland langsam die Trümmer des Nazi-Wahnsinns zusammengefegt hatte und wieder vom friedlichen Reisen träumen durfte. Doch in Zeiten, in denen jeder selbst für einen Klicker und einen Keks mit der Billo-Airline nach Medocino oder Capri fliegen kann, sind solche Schlager kein Ausdruck mehr vom Fernweh der Nachkriegsgeneration, sondern lösen lediglich einen Mitsing-Reflex aus, wenn die ersten Töne vom Band kommen.
"Wohlfühlprogramm" "ZDF-Fernsehgarten"
Wenn dann am Sonntag
Jeder hat die Wahl, sogar in Wuppertal. Davon abgesehen wird das selbst gesetzte Motto musikalisch trotzdem und unterm Strich bedient, Ähnliches gilt für das Rahmenprogramm.
So gehören zum Beispiel für die "Fernsehgarten"-Redaktion zu einer Weltreise-Ausgabe unbedingt Oldtimer dazu – vielleicht ja, weil man sich gedacht hat: "Alte Autos gibt es ja überall auf der Welt." Also wird die Show zu einer Station einer Oldtimer-Rallye. Dort darf Kiewel eine Runde drehen und der Veranstalter der Rallye unwidersprochen über Oldtimer behaupten: "Das ist wahre, gelebte Nachhaltigkeit." Aber Kiewel versprach für diesen Sonntag ein "Wohlfühlprogramm", da muss man nicht jeden Quatsch sezieren.
Außerdem beim Weltreise-Motto dabei: Darja Varfolomeev. Die Logik dahinter könnte sein: Varfolomeev hat bei Olympia Gold in der rhythmischen Sportgymnastik gewonnen, die Olympischen Spiele waren in Paris, Paris ist eine Stadt und zwar in Frankreich, Frankreich ein Land auf der Welt – et voilà, Welt passt ja hervorragend zum Weltreise-Motto.
Etwas leichter wird es bei Jonas Deichmann. Der hat nämlich einen Weltrekord in nacheinander gelaufenen Triathlons aufgestellt und auch in "Weltrekord", steckt ja das Wort "Welt".
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Grüße aus der Antarktis, Polonaise in Mainz
Weniger Fantasie braucht man bei zwei Sandkünstlern, die in einen 20-Tonnen-Haufen Sand eine Weltkarte modellieren. Nett anzusehen und sicher eine Menge Arbeit, aber für eine Unterhaltungsshow nicht unbedingt das, was einen am Fernseher "spektakulär!" schreien lässt. Das gilt auch für die Schalte nach Berlin zu Johannes B. Kerner. Der hat seit dem Abend zuvor Spendengelder im ZDF gesammelt und steht nun mit den Promis da, die irgendwie noch stehen können und verkündet stolz, aber müde, dass fast vier Millionen Euro zu Gunsten der Deutschen Krebshilfe zusammengekommen sind.
Man muss kein Hellseher sein, um zu erkennen, dass diese Schalte wohl eher nicht wegen des Weltreise-Mottos gemacht wurde. Das gilt zuerst auch für da Publikumsspiel, bei dem die Zuschauer in zwei Gruppen unterteilt werden, die sich dann in einem Lautstärke-Wettbewerb gegenseitig anbrüllen – warum auch immer.
Später müssen sie dann Länder in Songs erkennen, das Spiel bleibt aber höchstens in Erinnerung, weil die Buzzer nicht funktionierten wie sie sollten. Trotzdem möchte Kiewel, "dass wir eine ganze Sendung nur so einen Irrsinn machen". Offenbar hat die Moderatorin die fast vier Jahrzehnte "Fernsehgarten" nicht mehr ganz so in Erinnerung.
Dann gibt es noch eine Schalte zu einer Geophysikerin, die gerade in der Antarktis forscht und eigentlich hätte das der Programmpunkt sein können, der am besten zum Weltreise-Motto passt. Aber ein nicht unerheblicher Teil des Publikums findet das Gespräch mit der Forscherin offenbar nicht so spannend und grölt stattdessen lieber durch die Gegend.
Zum Schluss führt Vincent Gross noch eine Polonaise durchs "Fernsehgarten"-Rund und irgendwie passt auch das zum Motto, schließlich ist die Polonaise so etwas wie die Weltreise des kleinen Mannes.
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