Es hätte so schön werden können: "San Andreas" fährt eine Filmidee auf, die bisher in Hollywood nur selten und vor allem niemals gut aufgegriffen wurde. Ein 100-Millionen-Dollar Budget und Action-Star Dwayne "The Rock" Johnson gibt's obendrauf. Doch am Ende wurde "San Andreas" selbst über weite Strecken zu einer Katastrophe.
Eigentlich verwunderlich: In der heutigen Zeit werden in Hollywood Milliarden in Special- und Sound-Effects gesteckt, 3D-Filme wie am laufenden Band produziert. Doch die Filmindustrie hat bisher ein Thema weitgehend ignoriert, welches wie prädestiniert fürs Blockbuster-Kino ist: Erdbeben. Außer dem überaus mäßigen "Aftershock" mit seinen noch mäßigeren Remakes wurde das Thema kaum aufgegriffen. Klar, bei anderen Naturkatastrophen-Filmen wie "2012", "Twister" oder "Vulcano" rumort und kracht die Erde auch, doch hier wütet irgendwie alles: Erde, Vulkane und Wirbelstürme.
"San Andreas" schlägt nun genau in diese Bresche. Die Zeit wäre reif für einen Hollywood-Blockbuster, der mit einem Budget von 100 Millionen Dollar und dem Action-Star Dwayne "The Rock" Johnson als Hauptdarsteller auffährt. Tja, sie wäre reif. Denn nicht nur das Erdbeben bei "San Andreas" ist eine Katastrophe. Der Film ist es zu weiten Teilen auch.
"San Andreas": stereotype Figuren, lahme Handlung
Der befürchtete Tag ist gekommen: Als sich die berüchtigte San-Andreas-Verwerfung verschiebt, bebt in Kalifornien die Erde. Nicht nur das: Noch nie wurde ein Beben dieser Stärke gemessen. Und es macht San Francisco dem Erdboden gleich. In dieser Situation versuchen sich Helikopter-Rettungspilot Ray (Dwayne Johnson) und seine Noch-Ehefrau Emma (Carla Gugino) gemeinsam von Los Angeles nach San Francisco durchzuschlagen. Sie wollen ihre einzige Tochter Blake (Alexandra Daddario) suchen und in Sicherheit bringen.
Die Story von "San Andreas" ist schnell erzählt und dümpelt ohne nennenswerte Überraschungen vor sich hin. Das liegt vor allem an den arg stereotypen Figuren. Innerhalb weniger Minuten nach deren Einführung weiß man bereits, wie sie im späteren Verlauf der Geschichte reagieren werden. Damit soll nicht die schauspielerische Leistung von "The Rock" und Co. geschmälert werden. Sie hatten einfach keine Chance, aus dem vorgefertigten Charakter-Schema F auszubrechen.
(Lesen Sie diesen Absatz nur, wenn Sie den Film komplett spoilerfrei sehen wollen) Ray ist der Noch-Ehemann, der seiner Ex hinterhertrauert. Emma ist die Noch-Ehefrau, die ihn auch noch nicht abgeschrieben hat. Ihr Neuer, Daniel (Ioan Gruffudd), ist ein Selfmade-Man, zwar nett, aber irgendwie ein wenig eigensinnig. Und Blake ist die Tochter, ein hübsches Ding, die im Laufe des Films nur einmal auf einen etwa gleichaltrigen und auch recht ansehnlichen Mann trifft. Dann bebt die Erde und alles kommt, wie es kommen muss. Kommen Ray und Emma wieder zusammen? Wird Daniel zum großen Retter? Verliebt sich Blake in den jungen Kerl? Sie wissen die Antworten bereits.
Bombast-Effekte mit Schönheitsfehlern
Bei "San Andreas" stehen also nicht die Story, sondern die Effekte im Vordergrund. Als wir Regisseur Brad Peyton zu einem Interview getroffen haben und ihn mit unserem Vorwurf konfrontiert haben, musste er lachen: "Nein, das komplette Gegenteil. Wir haben den Fokus auf die Charaktere und Story gelegt." Er räumte aber ein, dass es eine "gewisse Sprache" zwischen den Charakteren gebe.
3D und Special Effects sind ja für Hollywood-Popcorn-Kino eigentlich schön und gut. In der Tat sieht es recht imposant aus, wenn zum Beispiel der Hoover-Damm zusammenbricht und zerbröselt. Doch das alleine macht keinen guten Film aus. Dazu haben sich auch Schönheitsfehler in "San Andreas" eingeschlichen. Zu Beginn des Films stürzt ein Auto in den Abgrund, die Kamera fängt die Szene mehrere Sekunden lang ein. Blöd nur, dass man klar und deutlich erkennt, dass im Inneren des Wagens ein Crash-Test-Dummy mit blonder Perücke und steifen, ausgestreckten Armen sitzt.
Fazit: Krach-Bumm-Bang alleine hilft auch nix
Alles in allem bietet "San Andreas" typisches Hollywood-Klischee-Kino: vorhersehbare Charaktere und Story und viel Krach-Bumm-Bang durch Special Effects, jedoch auch hier mit einigen Makeln. Das Fazit lautet: reinsetzen, Hirn ausschalten, Popcorn reinschaufeln und den Film nach zwei Stunden gleich wieder vergessen. Oder am besten einfach daheim blieben.
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