Sieht man sich die derzeitige Fernsehlandschaft einmal an, kann man den Eindruck gewinnen, dass deutsche TV-Macher nur noch Shows wollen, in denen sich C-Promis zum Affen machen. Trauriger Tiefpunkt waren gestern Abend "Die Kirmeskönige" bei RTL. Zeit, sich einmal aufzuregen.
Es ist ja wirklich nicht so, dass wir Zuschauer nicht wüssten, was Leiden ist. Wir haben "Das große Schlüpfen" ertragen. Wir haben "Die große ProSieben Völkerballmeisterschaft" überlebt und auch den "Großen RTL2 Promi Kegelabend".
Wir haben gelitten und geweint, geflucht und gebettelt, unser Augenlicht riskiert und versucht, zu vergessen. Und wir haben den Sendern immer wieder eine neue Chance gegeben.
Dass die Zeit großer Samstagabendshows wohl vorbei ist – geschenkt. Dass man nicht pausenlos Fernsehperlen produzieren kann – kein Problem. Dass Ende August auch die Kreativität noch ein bisschen im Sommerloch steckt – Schwamm drüber.
Aber was RTL gestern Abend auf die Bildschirme schickte, zeigt, dass da gerade etwas richtig falsch läuft im deutschen Fernsehen.
"Die Kirmeskönige": Fernsehen für die Schießbude
Was war passiert? RTL hatte sich entschieden, dem gestrigen Fernsehabend das Motto Jahrmarkt zu geben. Dazu sollten sich zwölf mehr oder weniger bekannte Fernsehgesichter wie
Nun ist es nicht so, dass man bei dieser Ausgangslage große Fernsehkunst erwarten konnte: Kirmes-Geschäfte, Kindergeburtstagsspielchen und K-Promis - es ist egal, wie man diese drei Komponenten miteinander kombiniert, es kommt nichts Gutes dabei raus.
Als ob das nicht genug wäre, hielt man es offenbar für eine gute Idee,
Dass sich die beiden seit langem kennen und mögen, hat den "Kirmeskönigen" aber alles andere als gutgetan. Ein halbherziges "Chacka chacka" hier, ein lauer Altherren-Witz dort - selten schmeckte eine Moderation so abgestanden.
"Wie geil ist bitte Konny Reimann?" - Gar nicht
Balder und von Sinnen – nicht nur deshalb erinnerte "Die Kirmeskönige" an die Anfänge des deutschen Privatfernsehens, als mit albernen Spielchen und einfachsten Mitteln TV-Unterhaltung gemacht wurde.
Aber damals hatte man bei RTL einfach noch wenig Geld und noch weniger Erfahrung, aber den Mumm, einfach mal drauflos zu machen. Das war schrill, laut, anders, provokativ und hat der deutschen Fernsehunterhaltung den sprichwörtlichen Stock aus dem Allerwertesten gezogen, ob man das nun mochte oder nicht.
Heute hingegen meint RTL es ernst, wenn der Sender alles, was irgendwann einmal an einer Fernsehkamera vorbeigehuscht ist, auf einen Rummelplatz schickt, um Hau-den-Lukas zu spielen oder Rutschen hoch zu laufen.
Da muss man als Zuschauer in diesen vier (!) Stunden dann Zeuge werden, wie ein Detlef Sowieso nach einer Achterbahnfahrt angeschlagen in die Kamera rülpst und wie der Off-Sprecher diesen ganzen Unsinn mit Sätzen wie "Wie geil ist bitte
Dazwischen tragen Balder und von Sinnen ihre alten Frotzeleien von damals auf und testen die Grenzen des guten Geschmacks mit Eingebungen wie "Sie sahen aus wie Wichtel mit Tampon-Angeln" (von Sinnen) und "Die Finnen haben darauf hingewiesen, alte Lappen nicht wegzuwerfen" (Balder).
Das hat nichts mehr mit dem Anarcho-TV früherer Zeiten zu tun, hier passiert nichts mehr aus finanzieller Verlegenheit heraus. So eine Sendung muss andere Gründe haben: Ideenlosigkeit, Überheblichkeit, kein Interesse am Zuschauer, keine Lust mehr, gutes Fernsehen zu machen – suchen Sie sich etwas aus.
"Keine Lust, dämliche Shows zu moderieren"
Nun wird der Zuschauer, der sich über Jahre und Sendergrenzen hinweg an solchen Unfug gewöhnt hat, gerne zum Argument greifen, er wolle ja nicht 24 Stunden am Tag nur gehaltvolle Dokus ansehen, schließlich brauche man ja auch einfach einmal etwas zum Berieseln, zum Abschalten. Braucht man nicht.
Natürlich will niemand 24 Stunden am Tag nur Arte sehen, aber das (Fernseh-)Leben ist zu kostbar für das immer gleiche C-Promi-Spielchen-Format-Fernsehen. Es ist zu kostbar, sich so etwas auszudenken. Es ist zu kostbar, so etwas zu produzieren und es ist erst recht zu kostbar, sich so etwas anzusehen. Und abschalten kann man mit allem anderen besser.
Fernsehen, auch seichtes, kann wunderbar sein und hat das in der Vergangenheit immer wieder gezeigt. Es kann kreativ sein, provokant, aufregend, emotional, spannend und witzig. "Die Kirmeskönige" hatte nichts davon und zumindest Hugo Egon Balder scheint das auch zu wissen.
Vor kurzem verkündete er im Hamburger Abendblatt, dass er seine Zukunft in der Schauspielerei sehe. "Ich habe keine Lust, in meinem Alter noch dämliche Shows zu moderieren", erklärt Balder. Hätte er nur schon früher damit angefangen.
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