"Das Traumschiff" hat traditionell nur wenig mit der Realität zu tun – sonst hieße es ja nicht "Traumschiff". Das ist auch völlig in Ordnung, schließlich darf man sich von der Realität gerne mal eine Auszeit nehmen. Doch die Weihnachtsfolge, die Kapitän Parger und Co. diesmal nach Utah führt, nimmt es mit der Auszeit von der Realität ein bisschen zu ernst. Moment, Utah? Ja, Utah – und genau das ist das Problem.
Tatendurstig wippt der schwarze Motorradhelm in der Hand, während sein Träger leichten Schrittes den Pier entlang läuft. Die silberne Pilotenuhr am Handgelenk und den Rucksack locker über einer Schulter hängend, schreitet Staff-Kapitän Martin Grimm (
Selbst für einen "Traumschiff"-Kalauer nur mittelmäßig, in der Sache ist die Frage allerdings berechtigt, gehört ein Motorradhelm ja eher nicht zum Kopfbedeckungsrepertoire eines Kapitäns. Aber wir sind ja hier auf dem "Traumschiff" und da hat ein so prominent im Drehbuch platzierter Helm natürlich seinen Grund, wie Kapitän Grimm bestätigt: "Ganz im Gegenteil. Ich habe mit einem alten Freund in Utah eine Motorradtour geplant."
Klimakrise – war da was?
"Ach so!", mag sich der eine denken, ein anderer hingegen: "Moment mal! 'Traumschiff' und Utah? Wie bitte soll das denn funktionieren?" In der Tat hat der US-Bundesstaat Utah keinen direkten Zugang zum Meer. Noch nicht einmal einen indirekten. Genau genommen gar keinen. Vom Pazifik ist man in Utah so ungefähr 1.000 Kilometer entfernt. "Traumschiff"-Kapitän Max Parger (Florian Silbereisen) ist zwar ein regelrechter Tausendsassa, aber wie er das Schiff 1.000 Kilometer übers amerikanische Festland steuern soll – da ist offenbar selbst den "Traumschiff"-Autoren nichts eingefallen.
Aufgefallen ist die "Traumschiff"-Utah-Problematik hingegen einem Passagier: "Bin ich ja mal gespannt, wie wir mit dem Ding nach Utah kommen", fragt Markus Becker (Martin Bruchmann) beim Boarding Liebhold und die löst das Ganze auf: "Wir starten von Los Angeles aus und dann fliegen wir weiter nach Utah." Eine Traumschiff-Flug-Motorrad-Kombination also, und so plausibel Grimm, Becker und Liebhold dieses Vorgehen auch erscheint, muss man an dieser Stelle doch einmal kurz innehalten.
Denn es zeugt schon von einem ziemlichen Verdrängungsvermögen der Drehbuchautoren, wenn man sich eine Geschichte ausdenkt, in der ein Kapitän zuerst mit einem Kreuzfahrtschiff nach Los Angeles fährt, um von dort aus mit allen Passagieren für einen Landgang inklusive Motorradtour nach Utah zu fliegen. Eine umweltschädlichere Verkehrsmittelwahl hätte man sich nur ausdenken können, wäre Staff-Kapitän Grimm mit einem SUV auf die Brücke gefahren.
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Damit die echte heile Welt noch eine Weile hält
"Oaar, schon wieder Klimakrise!", mag man da stöhnen und das zum Teil sogar zu Recht. Aber eben nur zum Teil. Denn natürlich ist das "Traumschiff" keine Klimakonferenz und soll es auch nicht sein. Hier regiert die heile Welt und das ist auch in Ordnung. Nicht in Ordnung ist aber, wenn man glaubt, dass mit Kreuzfahrten und Flügen zwei der klimaschädlichsten Verkehrsmittel überhaupt zu einer heilen Welt dazu gehören müssen. Dabei gehören gerade die nicht zu einer heilen Welt – zumindest, wenn man möchte, dass die echte Welt noch eine Weile hält.
Auch Seichtunterhaltungssendungen wie "Das Traumschiff" prägen die Realität, indem sie uns zeigen, was in Ordnung ist und was nicht. Und diese Art zu reisen ist 2023 definitiv nicht in Ordnung und die Drehbuchautoren verschenken hier die große Gelegenheit, Unterhaltung und Problembewusstsein zu verbinden. So einen Unfug können wir uns einfach nicht mehr leisten, auch nicht beim "Traumschiff" und die Folge hätte das ausgehalten. Schließlich hält sie noch ganz andere Sachen aus.
Zum Beispiel den Auftritt von Jens Kessler (Ingolf Lück). Kessler ist ein alter Bekannter und kommt zum Boarding in Virenschutz-Anzug und Sauerstoffmaske. Der Hypochonder habe nämlich wegen einer drohenden Krankheit prophylaktisch Medikamente eingenommen, die wiederum sein Immunsystem geschwächt hätten. Sicher fühlt er sich nur in den Händen von Schiffsärztin Jessica Delgado (Collien Ulmen-Fernandes). Die ist von dem Passagier aber nur mittelmäßig begeistert, schließlich ist mit Kreuzfahrtdirektor Oskar Schifferle (Harald Schmidt) ein weiterer Hypochonder an Bord.
"Es ist einfach eine scheiß Situation für uns beide"
Bei Markus Becker, dem Entdecker des "Traumschiff"-Utah-Problems, liegt der Fall anders. Er ist mit Frau Annika (Teresa Klamert) an Bord, um die Ehe zu retten. Denn Annika hatte ihren Mann mit einem Arbeitskollegen betrogen und nun soll eine Reise auf dem Traumschiff die beiden einander wieder näher bringen – oder wie es Markus ausdrückt: "Es ist einfach eine scheiß Situation für uns beide." Doch es wird noch unangenehmer, denn beim Landgang in Utah bleiben die beiden mit dem Auto liegen und werden von einem zufällig deutsch sprechenden Cowboy gerettet.
Klingt merkwürdig, ist aber tatsächlich die am wenigsten absurde Geschichte der Folge. Denn Grimm, Parger und Grimms Freund Stefan (Wolfgang Fierek) werden erst von einem mysteriösen Van auf der Straße bedrängt, ehe sie der örtliche Sheriff (Kai Pflaume), der auf wundersame Weise kein Deutsch spricht, aber versteht, wegen fehlender Papiere einbuchtet. Derweil liefern sich Kessler und Schifferle an Bord einen nicht minder hanebüchenen Hypochonder-Wettstreit um die Aufmerksamkeit von Schiffsärztin Delgado. Hätte man diese Kreativität doch nur in das "Traumschiff"-Utah-Problem gesteckt.
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