Günter Wallraff ist der Mister Undercover Deutschlands: Als Türke "Ali" rackerte er sich "Ganz unten" ab, als "Hans Esser" erlebte er die alltäglichen Machenschaften der "Bild"-Zeitung, bei Burger King deckt er schwere Hygienemängel auf. Anlässlich seines 73. Geburtstags schauen wir zurück auf Wallraffs spektakulärste Fälle.

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1983 setzte sich Günter Wallraff eine schwarze Perücke auf, klebte sich einen Schnurrbart an und gab sich den Namen "Ali". Zwei Jahre lang lebte und arbeitete er als türkischer Gastarbeiter mitten in Deutschland. Auf einem Bauernhof wurde er wie ein Tier gehalten, bei McDonald's musste er für einen Hungerlohn unter katastrophalen hygienischen Zuständen schuften und sich bei Thyssen-Krupp unter furchtbaren Arbeitsbedingungen abrackern, auf dem Bau wurde er von den Kollegen schikaniert.

Mit einer versteckten Videokamera nahm Wallraff das alles auf. Der daraus entstandene Film "Ganz unten" und das gleichnamige Buch rüttelten die deutsche Gesellschaft auf. Konkrete Veränderungen gab es in der Handhabung der Leiharbeit, Gesetze und Sicherheitsbestimmungen wurden verschärft. "Ali" stürzte auch McDonald's in eine tiefe Krise. Hygienemängel wurden zwar beseitigt, aber der Ruf der Burgerkette war erst einmal beschädigt.

Günter Wallraff und "Bild": eine lebenslange Feindschaft

Eine besondere und schon seit Jahrzehnten andauernde Feindschaft verbindet Wallraff mit der "Bild"-Zeitung. Er will die Methoden des Boulevardblatts einfach nicht hinnehmen. "Auf einige Feindschaften bestehe ich. 'Bild' gehört dazu", erklärte Wallraff in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Vier Monate lang arbeitete Wallraff 1976 als "Hans Esser" in der Hannoveraner "Bild"-Redaktion. In dem darauffolgenden Bestseller "Der Aufmacher" klagte er unsaubere journalistische Recherchemethoden an. Der Presserat rügte die "Bild" daraufhin mehrmals - aber auch Wallraff selbst: Seine verdeckte Recherche sei unzulässig gewesen.

Doch hat sich die "Bild"-Zeitung durch Wallraff verändert? Schwer zu sagen. Die Auflage ist seit den 80er-Jahren kontinuierlich gesunken. Doch das muss nicht bedeuten, dass sich die Deutschen vom Boulevardjournalismus abgewendet haben. Durch das Internet, das Privatfernsehen und eine wachsende Konkurrenz an Boulevardblättern hat die "Bild"-Zeitung wohl lediglich ihre Monopolstellung eingebüßt.

Bei Burger King hat Wallraffs Undercover-Einsatz dagegen einiges bewirkt. Zusammen mit RTL deckte er 2014 extreme hygienische Mängel und systematisches Mobbing auf. Die Umsätze von Burger King gingen daraufhin spürbar zurück. Das Unternehmen reagierte auf die Enthüllungen, kündigte seinem betroffenen Franchise-Partner, dessen Filialen geschlossen wurden. Ob die Burger-Kette wirklich langfristig umdenkt, bleibt abzuwarten.

Kein Job, sondern eine Lebensaufgabe

Mit seinen Reportagen redet Wallraff nun seit über vierzig Jahren der deutschen Gesellschaft in ihr soziales Gewissen. Ob er ein Jahr lang als Schwarzer durch Deutschland reist, sich zu den Obdachlosen auf die Straße legt oder inkognito erlebt, wie Paketzusteller ausgebeutet werden – Wallraff will denen eine Stimme geben, die sich nicht wehren können. Er maskiere sich, um die Gesellschaft zu demaskieren, beschrieb Wallraff selbst einmal treffend seine Arbeitsweise. Eine Arbeitsweise, für die er auch oft kritisiert wird: Durch seine Undercover-Einsätze fehle ihm die im Journalismus benötigte Objektivität, so der allgemeine Vorwurf.

Auch von Stasi-Vergangenheit, Ghostwritern, Sozialbetrug und PR-Aktivitäten für McDonald's war schon zu lesen. Wallraff lässt sich jedoch von seinen Kritikern nicht aufhalten. Er ist ein Mann der Tat, für den der Journalismus nur Mittel zum Zweck ist. Wallraffs oberstes Ziel ist es, Deutschland nachhaltig zu verändern. Dabei anzuecken und zu polarisieren, nimmt er gern in Kauf. Mister Undercover zu sein, das ist für ihn kein Job, sondern eine Lebensaufgabe.

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