GNTM-Finale 2019: Es ist Simone, die einen in Zukunft morgens von der Duschgelflasche aus angrinsen wird. Die 21-Jährige hat sich in der Finalshow von "Germany's next Topmodel" durchgesetzt und 100.000 Euro nebst Werbeverträgen gewonnen. Der Zuschauer kam bei der absurden Show hingegen weniger glimpflich davon und es wird ein Weilchen dauern, bis man sich wieder traut, den Fernseher einzuschalten.
Es ist dieser Moment, ein paar Minuten nach 22 Uhr, da will man, dass das alles nur noch aufhört. Da steht
Und als dann das Kuscheltier unter dem Klumschen Gekreische den Reisegutschein des Werbepartners in die Kamera hält, hat man das Gefühl, als läge irgendwo in einer Ecke des Düsseldorfer ISS Domes ein übermotivierter TV-Show-Regisseur, der mit einem Gläschen Einhorn-Milch voller Stolz auf sein Werk anstößt.
Und in der Tat muss man ihm einfach auch als Mensch Respekt zollen, denn es kann nicht leicht gewesen sein, den an absurden Momenten nun wirklich nicht armen Abend noch mit dieser Pseudo-Vermählung zu toppen.
GNTM-Finale: Ein absurder Moment jagt den nächsten
Da wäre zum Beispiel dieses Fotoshooting, bei dem sich Sayana und Simone auf einem Berg halbnackter Männer räkeln müssen, deren Schweiß Heidi Klum zuvor mit einem Laubbläser getrocknet hat, um im Anschluss Thomas Gottschalk zu fragen: "Gefällt dir das, wenn du so schwitzige Männermuskeln siehst?"
Oder: der Moment, in dem Heidi plötzlich den drei Finalistinnen völlig ohne erkennbaren Zusammenhang erklärt, dass alle drei eine Runde weiter sind, und man den Verdacht hat, dass das spontane Aussteigen der vierten Finalistin, Vanessa, vielleicht ein bisschen zu spontan war, um den Ablauf der Show noch einigermaßen plausibel anzupassen.
Oder: der Moment, als sich Sayana, Simone und Cäcilia für eine Entscheidung vor dreieckige Bodenlichter stellen müssen und Cäcilia nun ihren Kindern erzählen kann: "Wir haben damals im GNTM-Finale "1, 2 oder 3" gespielt und plötzlich musste ich gehen, weil mein Dreieck nicht geleuchtet hat. Ich weiß, Kinder, das klingt dämlich, aber eine andere Begründung habe ich nicht bekommen."
Oder: die Momente, in denen Vorjahres-Teilnehmerin "Klaudia mit K.", während irgendein Mitarbeiter ständig ein riesiges K hinter ihr hertragen muss, als Backstage-Reporterin eine Runde Bullshit Bingo nach der anderen spielt, als müsse sie kompensieren, dass sie Heidi Klum immer noch nicht einen eigenen Nachnamen wert ist. Oder, oder, oder.
"Topmodel"-Erfinderin Tyra Banks zu Gast
Dabei beginnt der Abend für GNTM-Verhältnisse eigentlich nur durchschnittlich absurd. Man kaufte Heidi Klums Comedy-Double Martina Hill für einen Eröffnungssketch ein – leider ohne eine Pointe gleich mit einzukaufen und bittet dann die drei Finalkandidatinnen mit einer kleinen Revue-Nummer in die Halle.
So weit, so normal. Das erste Mal skeptisch wird man, als die Kandidatinnen für den "Personality-Award" vorgestellt werden und alle drei Nominierten ganz tief ins Gesülzeglas greifen: "Du kannst alles erreichen, wenn du deinen Traum verfolgst", erklärt etwa Theresia, als würde GNTM nicht jede Woche genau das Gegenteil beweisen.
Nach ein paar Rückblicken, wie viel Zeit man in den vergangenen Wochen als Zuschauer der Show dafür verschwendet hat, Stars beim Face-Marketing zuzusehen, kommt ein weiterer Star auf die Bühne:
"Das wissen die meisten Leute gar nicht: Sie hat 'Topmodel' erfunden", stellt Klum ihren Gast vor und wer jetzt eine Entschuldigung von Tyra Banks erwartet hat, sieht sich enttäuscht.
Stattdessen erzählt Banks voller Stolz, dass es inzwischen 40 internationale Versionen der Show gibt. "Aber wir müssen sagen: Deutschland, euer Finale ist echt mega!", rundet Banks ihren Beitrag mit einem sicher nett gemeinten Kompliment ab, und als wolle man ihr das Gegenteil beweisen, bricht sich ab diesem Moment der Wahnsinn seine Bahn.
Cäcilia kommt für den "Walk des Abends" mit einem roten Riesenkleid, auf dem "Gott ist eine Frau" steht, auf die Bühne und hält eine kurze Rede, die mit dem Satz endet: "Wir Frauen können die Welt verändern, wenn wir es nur wollen!"
In der Tat eine schöne Botschaft, die ein wenig durch die Tatsache an Wirkung verliert, dass sich Cäcilia offenbar vor Wochen entschieden hat, eben nicht die Welt zu verändern, sondern stattdessen lieber bei "Germany's next Topmodel" mitzumachen.
Nach Cäcilia legt Simone einen ähnlichen Auftritt mit der Botschaft hin: "Hiermit möchte ich euch sagen, dass alles möglich ist." Man ist sich zwar sicher, dass Simone das ganz anders gemeint hat, aber als danach die ausgeschiedenen Kandidatinnen in einer Show, in der jungen Frauen beigebracht wird, wie man am besten "hot" und "sexy" zur Verfügung steht, mit einer choreografierten Demo dem Feminismus zwar keinen inhaltlichen, sondern maximal einen ästhetischen Impuls geben, kann man Simones Worte auch als Drohung verstehen.
Germany's next Topmodel? Nicht so wichtig
"Welt verändern", "alles erreichen", "alles ist möglich" - die Show selbst schenkt denen, für die sie eigentlich gemacht wird, an diesem Donnerstagabend in Düsseldorf allerdings nur wenig Beachtung.
Nach 15 Wochen sieht man im Finale die Kandidatinnen mal als Kulisse für Theresias Eheschließung, mal als Steigbügelhalter für Taylor Swifts Album-Vermarktung, mal als Background-Tänzerinnen der Jonas Brothers oder auch mal als herumstolzierende Begleitung beim Auftritt von Tokio Hotel.
Und so endet mit Simones Krönung zu "Germany's next Topmodel" 2019 ein Abend, der auf so vielen Ebenen schlimm war: als Botschaft für junge Frauen, als TV-Show, als Hochzeit, als Fernsehunterhaltung, als Tinnitus, als Dauerwerbeveranstaltung und vor allem als Model-Wettbewerb.
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