Am 17. Februar 2012 trat Christian Wulff wegen Korruptionsvorwürfen vom seinem Amt zurück. Im Anschluss erhob die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen den ehemaligen Bundespräsiden. Die Verfilmung der Staatsaffäre "Der Rücktritt" zeigte Sat.1 am Dienstagabend - nur zwei Tage, bevor im Prozess Wulff die Akte geschlossen wird. Das Leben des einstigen Bundespräsidenten hat sich seitdem grundsätzlich verändert.

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Mit Kai Wiesinger in der Rolle des Christian Wulff zeigte der Sat.1-Film "Der Rücktritt" in Form eines Doku-Dramas die Tage und Vorfälle bis zur Amtsabgabe: Die Gefälligkeiten von Unternehmerfreunden, ein Privatkredit für sein Eigenheim, den Wulff im niedersächsischen Landtag nicht offengelegt hat. Doch trotz massiver Vorab-Berichterstattung floppte der Fílm bei den Zuschauern. Nur 2,78 Millionen schalteten ein.

Dabei hat die Geschichte alle Zutaten, die eine Staats-Affäre braucht. Die "Bild"-Zeitung bringt die Geschichten um den Bundespräsidenten im Dezember 2011 trotz einer persönlichen Intervention Wulffs beim Chefredakteur ins Rollen. Nach und nach werden neue Details bekannt. Wulff ist daraufhin nicht mehr zu halten. Als Konsequenz tritt das Staatsoberhaupt nach nur sieben Monaten von seinem Amt zurück. Mit seiner Rücktritts-Rede endet auch der Film. Doch die Affäre ist zu diesem Zeitpunkt längst nicht vom Tisch.

Die Staatsanwaltschaft Hannover hat nur auf diesen Moment gewartet: Im Februar 2012 wird das Ermittlungsverfahren gegen Wulff eingeleitet. Weil er, so der Verdacht der Justiz, in unzulässiger Weise Privatinteressen mit seinem früheren Amt als niedersächsischer Ministerpräsident vermischt und mutmaßlich Gesetze gebrochen hat. Im Oktober 2012 lässt die Staatsanwaltschaft Hannover jedoch verlauten, die Ermittlungen gegen Wulff nicht auszuweiten, sondern lediglich im Fall Wulff-Groenewald weiter zu ermitteln.

Damit wird der günstig erscheinende Zinssatz der BW-Bank, mit dem Wulff den Kredit seines Unternehmer-Freundes Egon Geerkens ablöste, Wulffs Flitterwochen bei Versicherungschef Wolf-Dieter Baumgartl, das Buchsponsoring des Versicherungschefs Carsten Maschmeyer, ein Mallorca-Urlaub in Maschmeyers Finca und die Anzeige, nach der Wulff diverse geldwerte Vorteile nicht versteuert habe, als strafprozessual unverdächtig eingestuft und nicht weiter verfolgt.
Die Staatsanwaltschaft Hannover gibt Christian Wulff und David Groenewold bis zum 8. April die Möglichkeit, ein Schuldeingeständnis abzugeben und daraufhin das Verfahren gegen eine Zahlung von zusammen 50.000 Euro einzustellen. Nur einen Tag später lehnen beide ein Geständnis ab, da sie hoffen, freigesprochen und damit rehabilitiert zu werden. Daraufhin erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Wulff wegen Vorteilsnahme im Amt, das Landgericht Hannover lässt das Verfahren im August 2013 zu.

Der Prozess endet am Donnerstag

Seit dem 14. November 2013 läuft der "Wulff-Prozess". Insgesamt 46 Zeugen sollen gehört werden. In der Öffentlichkeit wurde der Staatsanwaltschaft wiederholt ein "übertriebener Prozess" vorgeworfen. Es gehe ja nur um 700 Euro und Wulff sei durch seinen Amtsverlust genug gestraft. Dem entgegnet diese, dass der Wulff gewährte Vorteil in jedem Fall über der von Gerichten anerkannten "Geringfügigkeitsschwelle" liege.

Doch ein Schuldspruch scheint mittlerweile unwahrscheinlich. Die Kammer sehe die Vorwürfe der Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung nicht bewiesen, sagte Richter Frank Rosenow in einer Zwischenbilanz im Dezember. Das Gericht mag weder in dem speziell untersuchten Fall des Oktoberfestbesuchs 2008 noch im sonstigen Alltag der Angeklagten Anhaltspunkte für Korruption erkennen. Anfang Februar wies Rosenow noch einmal daraufhin, dass er zum Ende des Verfahrens kommen möchte. Anklage und Verteidigung, so Rosenow, sollten sich für den 20. Februar auf ihre Plädoyers vorbereiten. Am 27. Februar soll dann auch das Urteil verkündet werden.

Christian Wulff findet langsam in die Normalität zurück

Amt weg, Frau weg, Ehre beschädigt - kaum ein Spitzenpolitiker ist in so kurzer Zeit so tief gestürzt wie Christian Wulff. Auch auf das Mitgefühl aus der Bevölkerung konnte der Gescheiterte nicht zählen. 86 Prozent der Befragten gaben im November 2012 in einer Forsa-Umfrage an, kein Mitleid mit Wulff zu haben.

Knapp zwei Jahre nach seinem Rücktritt, hat sich der ehemalige Präsident zumindest optisch wieder gefangen. Bei seinen selten gewordenen Auftritten waren Wulff die Strapazen anzusehen, er war schmal geworden. Frühere Freunde aus der Politik mieden ihn und hielten öffentlich Abstand. Immerhin sieht der 54-Jährige heute körperlich deutlich kräftiger aus als in der Zeit nach der Trennung von seiner Frau im Januar 2013. Damals war er erheblich abgemagert. Doch auch wenn er den emotionalen Schock überwunden zu haben scheint – sein Gefühlsleben ist wohl weitaus weniger neusortiert wie das seiner Noch-Gattin. "Ich liebe meine Frau noch immer", bekannte er unlängst in einem "Stern"-Interview. "Wir waren doch so ein junges, tolles Präsidentenpaar."

Auch der Film hebt den Zusammenhalt des einstigen Präsidentenpaares hervor. "Das Leben als First Lady habe ich mir anders vorgestellt", sagt Bettina Wulff alias Anja Kling in "Der Rücktritt". Sie hält in der Öffentlichkeit zu ihrem Gatten, zeigt in privaten Momenten aber auch ihre emotionale Erschöpfung. Die Ehe übersteht diese schwere Zeit aber nicht.

Doch Wulff soll nach der Trennung von seiner Frau Bettina seit Ende 2013 frisch verliebt sein. Die "Bild" berichtet von einer attraktiven Blondine, die der Zeitung zufolge einige Jahre jünger als Wulff ist und in den vergangenen Wochen bereits mehrmals an der Seite des 54-Jährigen bei romantischen Abendessen in der Hauptstadt gesehen worden sein soll.

Der Gefallene wohnt inzwischen in einer bescheidenen Dachgeschoss-Wohnung im feinen Stadtteil Hannover-Waldhausen. Von hier aus geht er im nahen Stadtwald joggen oder radeln. „Seine Art, sich selbst Luft zu machen“, sagt Wulff-Freund und Musiker Heinz-Rudolf Kunze zur "Bild". Wulff musste sich neu orientieren, privat wie geografisch. Dennoch muss sich der Ex-Präsident finanziell keine Sorgen machen. Als einstiges Staatsoberhaupt - möglicher Skandal oder nicht - lebt er von einem stattlichen Ehrensold von 199.000 Euro pro Jahr. Dazu kann er Dienstwagen und Chauffeur und ein Büro auf Staatskosten nutzen.

Doch was macht Wulff offiziell? Ein Vertrauter Wulffs erzählte der "Bild", der ehemalige Präsident bekomme weiter viele Einladungen, auch aus dem Ausland. Vormittags bereitet sich Wulff am heimischen Schreibtisch auf Vorträge und Reden vor, spricht auf Kongressen (Deutsch-Japanische Gesellschaft), an der Uni Heidelberg ("Gesellschaft im Wandel") oder am Comer See vor Islamvertretern. Auf Reisen ist der frühere Bundespräsident weiter gern, fährt mit Freunden nach Mallorca und Capri. Zuletzt war Wulff im Oktober eine Woche in Thailand.

Bettina Wulff seit dem Rücktritt sehr aktiv

Bettina Wulff war nach dem Rücktritt ihres Mannes deutlich aktiver. Sie gründete eine eigene PR-Agentur, arbeitete im Sommer 2012 für das Medizintechnik-Unternehmen Otto Bock als Markenbotschafterin bei den "Paralympics" in London. Im Herbst 2012 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen an die Zeit mit Christian Wulff in einem Buch ("Jenseits des Protokolls"), verkaufte davon rund 6.000 Exemplare. Zudem engagiert sie sich für das Kinder- und Jugendprojekt "Welträume" und für Behinderte. Bettina Wulff scheint ihr Selbstbewusstsein wiedergefunden zu haben.

Seit der Trennung lebt sie allein mit ihren beiden Söhnen im Haus in Großburgwedel. Ein Grund dafür sei, dass der gemeinsame Sohn der Wulffs, Linus, in dem Ort den Kindergarten besucht. Den neunjährigen Leander hatte Bettina Wulff mit in die Ehe gebracht. Auch beziehungs-technisch hat die heute 40-jährige einen Neuanfang gewagt, ist seit längerem mit dem erfolgreichen Münchener Unternehmer Stefan Schaffelhuber zusammen

Bettina und Christian Wulff scheint zumindest ihre platonische Liebe nicht verloren gegangen zu sein. Als Bettina in dem Prozess gegen Christian als Zeugin geladen war, bezieht sie auf Nachfrage des Richters Stellung zum aktuellen Verhältnis zu Christian Wulff: "Wir haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis, wir sehen uns regelmäßig." Bei ihrer Ankunft im Gericht hatte sie ihren Noch-Mann mit einem Kuss auf die Wange begrüßt. (sst)

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