- Mit beeindruckender Geschwindigkeit wechselt die Stimmung zwischen "für die Ukraine"-Rhetorik und "hast-du-toll-gemacht"-Bekundungen.
- Kandidat Eros ist kein Gott der "begehrlichen Liebe".
- Prognose: Deutschland wird beim ESC im hinteren Mittelfeld landen.
Wieso hat man eigentlich nicht auf
Da sang sie davon, wie Deutsche in Italien mickriges Trinkgeld geben und italienische Nudeln zerschneiden.
Hintergrund ist natürlich, dass der ESC in Turin ausgetragen wird. wo
Das Lied scheint heute aktueller zu sein als vor genau 40 Jahren, als Nicole mit ihrem Lied als erste Deutsche den ESC-Titel abräumte.
Und auch die Ukrainerin Jamala sang erneut ihr Antikriegslied "1944", mit dem sie 2016 den ESC gewann. Der ESC-Vorentscheid changierte zwischen Barbara Schönebergischen Kalauern, Ukrainekonflikt und "hast-du-ganz-ganz-toll-gemacht"-Bekundungen. In beeindruckender Geschwindigkeit.
Das waren die Sänger:
Eros Atomus
Eros Atomus feiert sich selbst in He-Man-Manier. Breitbeinig steht er vor einem Bild mit Abendsonnenlicht, seine Gitarre auf dem Rücken, die Windmaschine lässt seine Goldmähne wehen.
Verschmitzte Blicke in die Kameras, nebenbei, so als sei diese Koketterie mit sich selbst und den Zuschauern gar nicht gewollt. Ob er ergriffen ist, von seinem Spiegelbild, wenn er es in der Linse erblickt? Sicher ist nur das: Ergriffen ist er, wenn er ergriffen spricht.
Sein Lied "Alive" schrieb er, nachdem ein Rollstuhlfahrer ihm seine Geschichte erzählt hat; eine Aufforderung, das Leben zu leben. Eros ist übrigens der Gott der " begehrlichen Liebe". Das sagt zumindest Wikipedia. 123 Punkte, fastletzter Platz, verdient.
Felicia Lu? Wer ist Felicia Lu? "Ich glaube, ich bin der langweiligste Mensch auf dem Planeten", gibt sie zu, da sie nichts anderes mache als Musik. Und da sie so langweilig ist und nichts anderes mache als Musik, schreibe sie auch – ganz bescheiden – für andere Künstlerinnen und Künstler.
Sie performt ihren persönlichsten Song "Anxiety", der von sozialen Ängsten handelt, mit denen sie selbst auch umgehen muss. Ihr persönlichster und wichtigster Song. Darüber witzelt man nicht. Dem hört man würdig zu.
Sie sang ihn, verschwand von der Bühne und damit in der Einöde der Popnichtigkeiten. Bisher dachte ich immer, dass die soziale Phobie die Angst davor ist im Mittelpunkt zu stehen und bewertet zu werden.
Ihrer weiblichen Konkurrentin Emily Roberts hat Felicia Lu, die den schönen Nachnamen Kürbiß trägt, zweierlei voraus. Sie trifft die Töne und hat zwei verschiedene Augenfarben. Deswegen: 139 Punkte, vierter Rang nach demokratischer Abstimmung.
Nico Suave und Team Liebe
Mir ist langweilig. Deswegen bastel ich aus dem Namen "Nico Suave und Team Liebe" Anagramme. "Aasblumen tonic idee". Gute Idee, da ist noch Gin und Tonic Water im Kühlschrank. Schön kalt und eine Zitrone ist auch noch da.
Nico Suave und Team Liebe mache aus, dass sie ja keine Band seien. Die drei flankierenden Musiker dürfen sich völlig gleichberechtigt um den Hamburger Herrn Suave herumtümmeln. Sie singen und gospeln, und das haben sie geübt und das klingt nicht mal schlecht.
Es beweist zumindest, dass jeder von den Sängern mindestens ein Ohr hat, womit er hören kann, was die anderen machen. Und dann hat Herr Suave auch noch den Text vergessen.
Aber darüber kann er mit seiner Hip Hop Attitüde "hinwegfreestylen". Nico Suave und Team Liebe bekommen mit 157 Punkten einen dritten Platz.
Emily Roberts
Emilys Musik steht für Ehrlichkeit und Offenheit und erzählt kleine Geschichten über ihr Leben, sagt sie. Ob die anderen nur verlogenes Zeug da herumsingen?
Diese Ehrlichkeit und Offenheit drückt sich vor allem in ihren Musikvideos aus, wo sie dann zu sehen ist, in einem Pickup-Truck, der mit Schaum befüllt ist. Ihr Lied "Soap" erreicht mit 53 Punkten einen soliden letzten Platz.
Ich erinnere mich, wie es früher war. Als ich böse Wörter in den Mund genommen habe, sagte die olle Frau Nachbarin immer, dass man mir den Mund mit Seife auswaschen müsse.
Maël und Jonas
Da sitzen sie, die beiden, die offenbar selbst keine Ahnung haben, wie sie gelandet sind, wo sie gelandet sind. War es zu viel Bier, oder wie kamen sie auf die Idee, sich beim Eurovision Song Contest zu bewerben?
Zwei Koblenzer und ein Vater am Keyboard, Familienprojekt ohne große Stimmen, doch wenigstens springt hier der Funke etwas über. Muss ja technisch nicht perfekt sein.
Aber wenn man mitbekommt, dass die Musiker sich selbst nicht so ernst nehmen, dann ist das sympathischer als jede durchdramaturgisierte Geschichte. Gut gemacht, Maël und Jonas. Ein Lichtblick am Garagenbandhimmel. 185 Punkte, leider nur zweiter Platz.
Malik Harris
Ein Multinstrumentalist, der weiß, wie eine Loop-Station funktioniert und rappt und aussieht, als hätte er sich ein Beispiel am jungen Eminem genommen. Für das Studieren war er nicht geeignet.
Denn er wollte immer nur Musik machen, er konnte gar nicht anders, als immer nur Musik zu machen. Zumindest sagt der Landsberger das. Jetzt tut er das. Bespielt das Klavier selbst, das Schlaginstrument und dann schließlich die Gitarre.
Zwar mehr Showeffekt als ernstzunehmende Originalität, aber ordentlich performt. Seinem Papa, Talkshow- und Dschungelcamplegende Ricky Harris, kommen die Tränen. Freude und Eierkuchen. Malik Harris, 208 Punkte, erster Platz.
Prognose
Dieses Jahr wird Deutschland im Eurovision Song Contest im hinteren Mittelfeld überzeugen.
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