Es ist die Folge von "Ich bin ein Star, lasst mich wieder rein!" auf die alle gewartet haben. Im Vorfeld wurde bekannt, dass Schlagersänger Michael Wendler sich bei den Aufzeichnungen schwer verletzte. Das Ergebnis überrascht dann aber doch. RTL nutzt den Unfall schamlos aus – und verpasst dem Wendler einen minutiös inszenierten Imagewechsel.
Es ist kaum zu glauben. Endlich ist er da, wo wohl nur er selbst sich schon immer gesehen hat. Der Mann, der Mythos, der
Aus genau diesem Grund thront er in der achten Folge des Dschungelcamps in Überlebensgröße auf einer Leinwand. Zu Hause in seinem Anwesen in Dinslaken. Der Arzt hat es angeordnet. Im Hintergrund ein Kamin, breit wie eine Drei-Zimmer-Wohnung. Davor irgendetwas aus Gold. Wie wahrscheinlich auch der Rest des Schlosses. Die restlichen Teilnehmer im Studio in Köln,
Aus dem Wendler wird "der Michi"
Wie konnte es so weit kommen? Wie wurde aus einem der am meisten verlachten Teilnehmer von "Ich bin ein Star, holt mich hier raus?" "der Michi"? Der Wendler hat sich bei seinem Einsatz im Sommerdschungelcamp schwer verletzt. Die Hand ausgekugelt und gebrochen, Not-OP, Schrauben, Nägel und wahrscheinlich noch ein paar Stahlträger wurden verbaut. Und RTL ist schuld daran. Aus 53 Metern seilt sich der Schlagerstar kopfüber mit Blick nach unten ab, doch das Seil ist zu lang, er schlägt mit den Händen auf dem Boden auf.
Und so wird man in Folge acht Zeuge einer einzigartigen Situation: Die ganze Sendung dient nur dazu, ein neues Bild vom Wendler zu zeichnen. Der Einfühlsame, der Kumpel, der Teamplayer, die Wildsau. Bisher dachte das nur einer von ihm: der Wendler selbst. Jetzt soll es die ganze Fernsehnation erfahren. Ob der Grund für den Sinneswandel wirklich ein schlechtes Gewissen ist, oder die Angst, dass der Sänger den Sender bis auf seinen letzten Trash-TV-Euro verklagt, es wird wohl bis zur nächsten "Bild"-Schlagzeile ein Geheimnis bleiben.
Sie lieben jetzt nicht mehr nur den DJ
Die achte Folge des Sommerdschungelcamps gerät so zum Paradebeispiel, wie schnell sich die Gunst der Zuschauer wenden kann. Das gleiche erlebte man in Staffel acht in Australien: Tagelang musste die nervtötende Larissa Marolt eine Prüfung nach der anderen absolvieren, bis sich die restlichen Kandidaten gegen sie verschworen. Und plötzlich liebten sie die Zuschauer. Aus Mitleid. Beim "Michi" ist es nicht anders. Der war bis zu diesem Zeitpunkt eine Witzfigur. Ein größenwahnsinniger Schlagersänger, der von sich selbst nur in der dritten Person spricht. Einer, der unumwunden zugab, sich für den größten Star der Branche zu halten. Ein Exot in einer Sparte der Musikbranche, die besonderen Wert darauf legt, volksnah zu sein. Und ausgerechnet der verletzt sich im Kampf um die Gunst der Fans. Und plötzlich sind das nicht mehr nur die, die den DJ lieben, sondern auch die Dschungelzuschauer.
RTL hat dieses Potenzial schnell erkannt. So schrecklich der Unfall gewesen sein mag, er brachte der neuen Show die nötige Publicity. Ganz zufällig landete die Nachricht vom Sturz kurz vorher in den Schlagzeilen, von "Bild" bis zum "Spiegel". Die Ausstrahlung am Freitagabend ist nun die Kür. Der Sender zieht alle Register. Perfekte Teamarbeit mit Melanie Müller in der Kanalisation von Köln beim Gummientenfischen aus der Güllerinne. Ein romantischer Flirt kommt auch noch dazu. Am Ende hat sich sogar das toughe Ex-Pornosternchen Melanie Müller ein wenig verliebt. Wie sollte sie auch anders, bei einem Mann, der die ganze Show über mit dieser samtenen Stimme säuselt, die sofort alle Schlüpper in Luft auflöst.
"Wir können gleich weitermachen"
Der Höhepunkt ist natürlich der Unfall. RTL ist sich nicht zu schade, ihn detailliert zu zeigen. Am Seil gleitet der Wendler nach unten, dann schlägt er auf. Alles schön im Bild. Auch, wie souverän er reagiert. "Alles gut", sagt er. "Wir können gleich weitermachen." Im Krankenhaus ist er trotz Not-OP cool wie ein Action-Star: "Die wollten mich ungeduscht operieren." Fehlt nur noch ein "Jippi ja Jeh, Schweinebacke!" Als dann auch noch Dr. Bob verkündet, dass "dieser Mann bis zum letzten Tag im Dschungel bleiben wird", haben die Zuschauer zu Hause keine Wahl: Sie schicken den Wendler, pardon, "den Michi" in die Finalshow am Samstag.
Der Schlagersänger in seinem Chalet in Dinslaken ist sichtlich gerührt. Dass sein altes Ego noch irgendwo im "Michi" schlummert, das merkt man nur an einer Stelle der Show. Als er vor der Videoleinwand erklärt: "Wer mich nicht kennt, der kommt nicht aus diesem Land." Spätestens nach dieser Sendung könnte er damit tatsächlich Recht haben.
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