Die kurze Nachricht: The Hoff is back. Die lange Nachricht: RTL+ bringt David Hasselhoff zurück auf die Bildschirme. In der schwarzhumorigen Agententhriller-Serie "Ze Network" spielt David Hasselhoff … David Hasselhoff. Und das aus einem guten Grund.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Vock dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bei der Be- und Verurteilung von Stars aus der Unterhaltungsbranche wird gerne übersehen, dass hier nicht die Maßstäbe aus der 9-to-5-Angestelltenwelt gelten. Karrieren laufen hier nicht nur nicht linear, sondern oft genug in unterschiedlichen Wellen. Sie sind auch individueller, als es ein Karriereleiterkletterdenken zulässt. Wer sollte denn in künstlerischen Berufen auch den persönlichen Erfolg des Künstlers definieren? Nur die Kinokasse? Die Streamingzahlen? Die Einschaltquoten? Die Boulevard-Presse? Die Boulevard-Presse-Leser?

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Und dennoch: Selbst wenn man die Maßstäbe, in denen Erfolg und Karrieren pauschal gemessen werden, einmal weglässt, kann man sagen, dass sich die berufliche Karriere des David Hasselhoff doch ein wenig von der seiner Kollegen unterscheidet. Er spielte die Hauptrolle in "Knight Rider" und "Baywatch", die eine Kult, die andere eine der erfolgreichsten Serien der TV-Geschichte und er landete mit "Looking for Freedom" in Deutschland einen Mega-Hit.

Aber es gibt eben auch die andere Seite. Die, in der er veralbert wird, weil er angeblich glaubt, den Mauerfall ersungen zu haben und auch die, in der ein Video auftaucht, in dem er betrunken und auf dem Boden sitzend einen Cheeseburger isst. Und vielleicht gelingt es Hasselhoff genau deshalb nicht, trotz seiner kommerziellen Erfolge als das wahrgenommen zu werden, was er sein möchte: ein ernstzunehmender Künstler.

David Hasselhoff: "Ich will echte Rollen!"

Manch ein Schauspieler würde an dieser Stelle vielleicht die Flinte ins Korn werfen und einfach Golf spielen. David Hasselhoff aber macht es anders und nimmt diese, seine, Geschichte mit und lässt daraus etwas machen: "Ze Network".

In der Serie, die ab dem 1. November in acht Folgen bei RTL+ zu sehen ist, spielt Hasselhoff sich einfach selbst. Dabei trifft er auf Henry Hübchen, der sich ebenfalls selbst spielt und das ist alleine deshalb schon so reizvoll, weil Hübchen quasi der deutsche Gegenentwurf zu David Hasselhoff ist: anerkannter Charakterdarsteller, aber mit seinen Werken meilenweit von den kommerziellen Erfolgen, etwa von "Baywatch", entfernt.

Hasselhoff trifft Hübchen – für so einen Plot, egal, wie er dann ausfällt, muss man erst einmal viel Fantasie haben. Genau die hatten die Drehbuchautoren Arend Remmers und Christian Alvart und sogar noch reichlich mehr davon. Denn "Ze Network" ist mit "schräger Agententhriller", wie RTL die Serie nennt, gut beschrieben. Und darum geht es: David Hasselhoff hat genug. Genug von dusseligen Gast-Auftritten in dusseligen Szenen. "Ich will echte Rollen! Ich bin 70 Jahre alt, besorgt mir etwas, das meine Zeit wert ist!", fordert Hasselhoff von seinem Agentur-Team.

Gesagt, getan, der Grünschnabel der Agentur, auf den die Betreuung Hasselhoffs abgeschoben wurde, findet ein ungewöhnliches Angebot. Ein Stück eines Theatergenies soll in einem Theater "östlich von Berlin" aufgeführt und vielleicht der Auftakt eines Welterfolgs werden. Weil die Zeit drängt, sagt Hasselhoff zu, doch weil er "Ost-Berlin" und nicht "östlich von Berlin" verstanden hat, ist Hasselhoff etwas verärgert, als sein Fahrer ihn, kaum in Deutschland gelandet, nach Görlitz bringt.

"Ze Network": eine schwarzhumorige Komödie

Auf der Fahrt lernt er auch seinen Kollegen Henry Hübchen kennen, der ihn mit einer Anekdote überrascht. Er kenne Hasselhoff, denn er sei nicht nur Schauspieler, sondern vor dem Mauerfall auch Mitglied des Spionage-Netzwerks "Ze Netzwerk" gewesen, das auf westliche Promis angesetzt wurde. Der Westen habe mit einem Gegen-Netzwerk reagiert und Hübchen "wüsste schon ganz gerne, ob die andere Seite noch existiert."

Und damit sind Hasselhoff und Hübchen mittendrin in besagtem "schrägen Agententhriller", denn schon am ersten Abend steht Hasselhoff blutüberströmt vor Hübchens Hotelzimmer, weil in seinem eigenen eine als schauspielernde Influencerin namens Andra Shandra getarnte Spionin bei einem misslungenen Anschlag explodiert ist. Nicht schräg genug? Dann sorgen die schwarzhumorigen Dialoge für noch mehr Schrägheit. Ein Beispiel?

"Ist ja ein richtiges Blutbad", stellt Henry Hübchen fest, als sie im mit Leichenteilen übersäten Hotelzimmer stehen. "Buchstäblich. Überall Blut", antwortet Hasselhoff. "Ich weiß, darum hab ich's ja gesagt. War 'n Witz", entgegnet Hübchen, was wiederum Hasselhoff verärgert: "Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, Witze zu machen, Henry!" Das sieht Hübchen anders: "Galgenhumor. Manchmal ist das alles, was uns bleibt. Versuch's mal! Sag was Witziges, dann fühlst du dich besser!" Hasselhoff überlegt kurz und sagt dann mit Blick auf die blutige Sauerei: "Anscheinend hatte Andra Shandra mehr im Kopf als wir dachten."

Ist Hasselhoff ein guter Schauspieler, wenn er Hasselhoff gut schauspielert?

Ja, "Ze Network" funktioniert über sehr weite Strecken wunderbar als sarkastische Komödie, denn solche witzig-derben Dialoge gibt es zuhauf. Aber, so absurd der Plot auch ist, die Serie funktioniert auch als wendungsreicher Agententhriller, vor allem, je weiter die Geschichte voranschreitet. Denn dann sind die meisten Momente abgehandelt, in denen weder Humor noch Spannung im Vordergrund stehen, sondern Hasselhoffs Geschichte, seine Ambitionen, sein Ruf, seine Karriere und die Deutungshoheit über all das.

Das passiert oft genug mit einem Augenzwinkern, manchmal mit einem selbstironischen, manchmal aber auch mit einem, das nicht vollkommen den Ernst aus der Sache lassen will. Und ein ganz anderes Mal lässt dieses Augenzwinkern den Zuschauer alleine mit der Entscheidung, wie ernst das alles gemeint ist. Etwa, als sich Hasselhoff in Gefahr wähnt, aber eigentlich in einer Theaterszene steckt. Da streckt er den vermeintlichen Angreifer nieder und fordert in einer Wutrede seine Kontrahenten heraus. Die Regisseurin ist begeistert von der Intensität Hasselhoffs: "Wenn das kein großartiges Schauspiel war, was dann?"

Ja, es steckt viel Hasselhoff und noch mehr Hasselhoff-Interpretation in "Ze Network" und es macht über weite Strecken Spaß, sich jenseits des Humors der vielen Anspielungen, die die Serie enthält, mit den Gedanken dahinter auseinanderzusetzen und zu sehen, wohin sie führen. "Hier in Deutschland bin ich nur ein unwichtiges Symbol für Freiheit und Frieden!", versucht Hasselhoff in Hübchens Hotelzimmer zu ergründen, warum man ihn umbringen wollen könnte und Hübchen antwortet: "Genau! Nicht alle wollen Frieden und Freiheit. Vielleicht bist du wichtiger als du denkst!"

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David Hasselhoff: nur "der Typ aus Baywatch"?

"Bin ich hier nur der Typ aus 'Baywatch'?", fragt Hasselhoff an anderer Stelle einmal die Regie-Assistentin, als ihm Zweifel kommen, ob er nur der Kassenmagnet des Stücks ist, egal, ob er gut schauspielert oder nicht. "Ich hab noch nie 'Baywatch' geguckt. Also: Für mich bist du nur ein Typ", antwortet die junge Frau und fährt nach einem kurzen Zögern fort: "Ein Typ, der einen Hammer-Lester abgibt." Das wirft natürlich wiederum die Frage auf, ob Hasselhoff für "Ze Network" nicht auch nur einfach "der Typ aus Baywatch" ist.

Was also ist "Ze Network"? Ein Agententhriller? Ein schräger Agententhriller? Eine schwarze Komödie? Eine Satire? Ein Rehabilitationsversuch von David Hasselhoff? Eine gute Gelegenheit für RTL, Hasselhoff als Zugpferd zu nehmen? Vielleicht alles zusammen. Vielleicht auch einfach nur eine gute Gelegenheit für Hasselhoff, einmal etwas zu machen, worauf er Lust hat und zu sehen, was passiert. Weil es ihm wurscht sein kann, was die Leute über ihn und seine Karriere sagen.

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