Unter dem Künstlernamen Peter Balboa hat Peter Brugger einen Song über Fußball-Star Thomas Müller veröffentlicht. Wird der Sänger der Sportfreunde Stiller ("’54, ’74, ’90, 2006") in Zukunft häufiger auf Solopfaden wandeln? Im Interview klärt Brugger über seine musikalischen Pläne auf.
"Einer wie keiner" heißt der offizielle Titelsong zur gleichnamigen Dokumentation über Fußball-Weltmeister
Im Interview mit unserer Redaktion spricht der 52-Jährige über "echte Typen" im Fußball und in der Musik sowie über seine Zukunftspläne als Solosänger und Bandmitglied. Außerdem teilt Brugger seine Erinnerungen an die kürzlich verstorbene Sängerin AnNa R. von Rosenstolz.
Herr Brugger – oder möchten Sie lieber mit "Peter Balboa" angesprochen werden?
Peter Brugger: Diesen Künstlernamen habe ich mir irgendwann einmal selbst gegeben. Darunter läuft mittlerweile mein Soloprojekt – und eben auch der Song zur Thomas-Müller-Doku, den ich gemeinsam mit meinem guten Freund Tobias Kühn geschrieben habe.
Sind Sie "Rocky"-Fan?
Ja, ich bin ein großer "Rocky"-Fan. Mich verbindet mit Rocky Balboa, dass ich annähernd die gleiche Anzahl an Muskeln habe. Auch die Proportionen sind ähnlich (lacht).
Von der Box-Ikone Rocky Balboa zur Fußball-Legende Thomas Müller: Warum ist der Ex-Nationalspieler für Sie "Einer wie keiner"?
Meiner Meinung nach sticht Thomas unter den vielen Fußballprofis deutlich heraus – weil er eben so ist, wie er ist. Dazu gehört auch die Art und Weise, wie er Fußball spielt: auf der einen Seite strange, auf der anderen Seite genial. So einen Mix kenne ich von keinem anderen Spieler. Außerdem hat er immer einen speziellen Spruch drauf. Ob auf oder neben dem Platz: Thomas Müller macht die unerwarteten Dinge.
Sterben diese "echten Typen", die immer einen lockeren Spruch auf den Lippen haben, im Profifußball zusehends aus?
Ich glaube, dass Typen wie Thomas Müller oder Mehmet Scholl auch heute noch nachkommen. Vielleicht zeigen sie es nur weniger. Heutzutage wird ja jede Äußerung zigmal umgedreht. Die Gefahr, sich einen Shitstorm einzuhandeln, ist riesig. Fußballer werden mittlerweile frühzeitig entsprechend geschult, zum Beispiel in Internaten. Viele der Jungs sind so vorgeprägt, dass sie sich gar nicht mehr trauen, ihrem Charakter freien Lauf zu lassen.
Ist das in der Musikbranche anders?
Ich kann mir vorstellen, dass es in der Musikbranche leichter ist, das auszuleben, was einem gerade in den Sinn kommt. Du hast mehr Freiheiten, kannst eher du selbst sein. Ob das dann allerdings Gehör findet, steht wiederum auf einem anderen Blatt. Es ist immer die Frage, wie sehr du als Musiker in Schablonen hineinpassen musst, um auf der einen oder anderen Plattform stattfinden zu können.
Wie haben sich die Sportfreunde Stiller ihre Freiheiten seit fast 30 Jahren bis heute bewahren können?
Unser Glück ist, dass wir zu dritt sind. Wir haben einander immer Feedback geben können. Das ist einfacher, als seinen Weg komplett alleine gehen zu müssen. Gleichzeitig mussten wir uns immer miteinander auseinandersetzen. Und natürlich knirscht es da hin und wieder mal. Uns war es aber immer wichtig, dass wir über keinen von uns dreien hinweggehen. Wenn also einer von uns Bedenken hat mit einer Idee oder einem Song, dann lassen wir die Finger davon.
Als Peter Balboa müssen Sie sich Ihr Feedback extern einholen. Wie gefällt Thomas Müller denn der Song?
Wir haben uns bei der Premiere der Dokumentation getroffen. Auch wenn Thomas an dem Abend natürlich einen Mordstrubel um sich herum hatte, nahm er sich die Zeit und bedankte sich bei mir für den Song. Er sagte auch zu mir, dass der Titel hervorragend zur Doku passen würde. Ich weiß aber nicht, ob das Lied läuft, wenn er bei sich zu Hause auf dem Sofa sitzt (lacht). Seinen Musikgeschmack kenne ich nicht.
"Natürlich knirscht es da hin und wieder mal."
Sind weitere Solonummern geplant?
Ich lasse das auf mich zukommen. Erstmal steht an, dass wir mit den Sportfreunden Stiller neue Lieder schreiben. Anlässlich des dann 30-jährigen Jubiläums würden wir im nächsten Jahr gerne eine neue Platte veröffentlichen. Zudem wird es eine fette Tour ("30 wunderbaren Jahre") geben. Dennoch würde es mir natürlich Spaß machen, hin und wieder als Peter Balboa mal etwas rauszupfeffern. Ich denke da an Songs, die in diesen Sportfreunde-Stiller-Kosmos vielleicht nicht so gut hineinpassen …
Was passt besser zu Peter Balboa als zu den "Sportis"?
Oft schreibe ich zu Hause Lieder und sammle Ideen. Diese Songs spiele ich dann Flo (Florian Weber; Anm. d. Red.) und Rüde (Rüdiger Linhof) vor. Doch nicht immer finden meine Ideen bei den beiden Anklang oder stimmen einfach nicht mit dem Band-Vibe überein.
Nennen Sie uns bitte ein Beispiel.
Zum Beispiel habe ich eine gewisse Vorliebe für den Vibe, den alte, klassische Schlager transportieren. Diese großen Melodien oder poppigen Elemente passen manchmal nicht so gut zu den Sportfreunden. Genau solche Ideen könnte ich in Zukunft als Peter Balboa verwirklichen. Ich könnte auch ganz schräge Sachen machen. Es ist in gewisser Weise ein "sich Freischwimmen" von der Band, deren musikalischer Style schon etwas festgelegter ist.
Die Band hat zwischenzeitlich eine längere Pause eingelegt – zwischen 2016 und 2022 ist kein Album erschienen. Was waren die Gründe dafür?
Die Energie und die Atmosphäre haben damals bei uns nicht mehr gepasst. Von daher war es in der Rückschau die richtige Entscheidung. Es wäre ein Krampf gewesen, wenn wir einfach weitergemacht hätten. Nachdem ein bisschen Zeit vergangen war, konnten wir unsere Zusammenarbeit auch wieder mehr wertschätzen. Das, was uns auseinandergebracht hat, haben wir einmal aufgearbeitet – um uns dann wieder darauf zu konzentrieren, was uns verbindet. Aus diesem Prozess ist letztendlich ein schöner Restart entstanden.
Würde es die Sportfreunde Stiller heute überhaupt noch geben, wenn Sie diese Auszeit nicht eingelegt hätten?
Ich glaube, nein. Wären wir darüber hinweggegangen, hätte es wahrscheinlich das Ende unserer Band bedeutet. Hart war es trotzdem. Wir alle mussten ein paar schwere Momente durchstehen. Im Endeffekt war dieser Rückzug aber wichtig und richtig. Mit diesem Schritt haben wir uns eine gemeinsame Zukunft beschert.
Sie tragen Ihre Haare mittlerweile deutlich länger. Steckt ein Statement dahinter?
An ein paar Stellen sind meine Haare tatsächlich länger geworden, an anderen Stellen wiederum weniger (lacht). Ich habe sie während der Corona-Zeit wachsen lassen, weil die Friseure ja geschlossen hatten. Seitdem bin ich einfach nicht mehr hingegangen. Und ich wollte endlich mal wieder eine Matte haben.
"Wir alle mussten ein paar schwere Momente durchstehen."
Wird es zur WM 2026 einen neuen Fußballsong à la "’54, ’74, ’90, 2006" geben, der das DFB-Team zum Titel schießen soll?
Ich fürchte nicht. Die sind mittlerweile gut genug, um es auch ohne uns zu schaffen. Ich bin jedenfalls beeindruckt, wie es Julian Nagelsmann und den Nationalspielern gelungen ist, das Ruder herumzureißen. Die Heim-EM war wirklich toll, der Spirit erinnerte an das Sommermärchen von 2006. Wenn wir als Sportfreunde Stiller jetzt versuchen würden, unsere Erlebnisse von damals noch einmal aufzuwaschen, würde der Schuss nach hinten losgehen. Der Song wurde in allen Stadien und auf jeder Fanmeile gesungen. So etwas kann man nicht wiederholen.
Kann denn Stefan Raab, wie von ihm versprochen, mit Abor & Tynna ("Baller") den ESC-Sieg wiederholen?
Da ich das nur am Rande verfolgt habe, kann ich nicht viel dazu sagen. Wichtig ist mir nur, dass die Deutschen da entspannt und mit Freude rangehen. Diese Verbissenheit empfinde ich häufig als schwierig. Denn obwohl es sich beim ESC um einen Wettbewerb handelt, ist es doch in erster Linie ein buntes Musikfest der Toleranz. Und das gefällt mir daran.
Gestandene Acts tun sich offenbar schwer damit, für Deutschland beim ESC anzutreten. Warum ist das so?
Beim ESC kann man eine richtige Klatsche kriegen. Wer sich diesem Risiko aussetzt, muss sich schon sehr stark mit dieser Geschichte identifizieren. Der ESC war nie so wirklich unsere Welt. Von daher kommt eine Teilnahme für uns auch nicht infrage.
Die deutsche Musikwelt trauert um AnNa R. Wie werden Sie die ehemalige Rosenstolz-Sängerin in Erinnerung behalten?
Diese Nachricht hat mich sehr getroffen. Wir sind uns früher gelegentlich begegnet. Ich fand sie wahnsinnig cool. AnNa R. war besonders, eine wunderbare Frau, die Punk und Pop gleichermaßen verkörperte. Mir tut es echt weh. Sie ist viel zu früh aus dem Leben gegangen. Ich kann nur sagen: herzliches Beileid an alle Angehörigen und Freunde. Ruhe in Frieden, liebe AnNa!
Über den Gesprächspartner
- Peter Brugger ist ein deutscher Sänger und Gitarrist. Der in Germering bei München geborene Musiker ist Gründungsmitglied der Sportfreunde Stiller. Unter diesem Namen veröffentlichte die Band 2000 ihr Debütalbum "So wie einst Real Madrid". Zu den populärsten Songs zählen die Titel "Das Kompliment" und "’54, ’74, ’90, 2006".