Das Leben ist schön, heißt es oft und da mag was dran sein. Genauso oft kann das Leben aber auch eine ziemliche Enttäuschung sein. Das gilt für Weltstars ebenso wie für Zahnarzthelferinnen aus Colorado, ganz egal, wie viele Fische man noch entdeckt. Genau darum geht es in der neuesten Podcast-Folge der Kaulitz-Brüder. Aber Vorsicht: Diese Satire könnte Sie enttäuschen.
"Wir kommen gerade frisch aus Vegas, gerade gelandet", plaudert
"Ich hatte so einen im Tee", berichtet Bill nämlich von einem Konzertbesuch in Las Vegas und gesteht: "Ich hatte auch einen kleinen Filmriss und das schon am Tage in Vegas." "Ihr wart gut angezündet", kann Tom hinzufügen und das merke er daran, dass Bill Geschichten mehrfach erzähle. Über den weiteren Kurzurlaub erzählt Bill, er hätte bereits mittags an Espresso Martinis genascht, im Flieger sei es weitergegangen und heute sei er deshalb mit Hitzewellen und Panikattacken erwacht. "Ich bin so richtig verkatert", fasst Bill seinen aktuellen Status zusammen.
Nun sitzen also Tom, Bill und Bills Kater vor dem Mikrofon und bevor hier irgendwelche Pegel zu schnell sinken, greift das Kaulitzsche Gesetz, das besagt, dass man nie nüchtern in eine Podcast-Folge starten darf. Also rührt Tom wie immer einen Cocktail zusammen und entscheidet sich diesmal für einen Colletti Royale. "Er sieht leichter aus, als er ist", erzählt Tom und meint damit, dass ein Colletti Royale sehr viel Alkohol enthalte. "Ist wirklich viel Alkohol drin", erklärt Tom die Idee des Drinks.
Was das Leben so enttäuschend macht
Aber Tom hat in der vergangenen Woche noch mehr erlebt als Alkohol, zum Beispiel einen Zahnarztbesuch. Dort sei er mit der Zahnarzthelferin in ein Gespräch übers Reisen gekommen, in dem die Dame folgendes Statement abgegeben habe: "Ich möchte nicht reisen." Sie kenne ihre Heimat Colorado und sei nach Los Angeles gezogen, aber von der Stadt enttäuscht gewesen. Überhaupt: "Egal, wo ich hingefahren bin in meinem Leben – es war immer eine Enttäuschung." Das wiederum enttäuscht Bill und Tom, denn die beiden meinen unisono: "Reisen ist das Schönste auf der Welt."
Tom geht in seiner Freude über das Reisen sogar noch einen Schritt weiter: "Ich würde gern das Universum entdecken und so weiter", erklärt der Gitarrist und hält enttäuscht fest: "Wir haben noch nicht mal alle Fische entdeckt!" Zu seiner Überraschung wirkte die Frau trotz all der unentdeckten Fische nicht traurig über ihre Reiseunlust, weiß vielleicht aber auch nicht das, was Bill weiß: "Die geht dann natürlich auch ohne große Begeisterung durchs Leben, stell ich mir vor", küchenpsychologisiert der Tokio-Hotel-Sänger.
Ich persönlich kann beide Sichtweisen verstehen. Es ist ja nicht so, dass einem das Leben nicht genügend Gelegenheiten gibt, von ihm enttäuscht zu sein: der Rentenbescheid, das erste Mal, Frozen Joghurt, die letzte Staffel "Lost", der 1. FC Köln, WhatsApp, Markus Söder, "Wellness-Oasen", der Thermomix, Leggins, Autobahnraststätten, Röstzwiebeln, Brieffreundschaften, 48-Stunden-Deos, Boomer, Wohnlandschaften, die Nebenkostenabrechnung, Kutschen oder Wilhelmshaven. Es ist eine nicht enden wollende Tragödie.
"Reisen ist das Schönste auf der Welt"
Das Leben ist also voller Enttäuschungen und das Schlimme daran ist: Manche kann man einfach nicht vermeiden. Hätte man mir zum Beispiel vorher erzählt, wie das Erwachsensein wirklich ist, hätte ich abgelehnt. Erwachsensein, das klingt als Kind nach Freiheit, Spaß und unendlich viel Süßkram, die Realität ist aber: Steuererklärung, "Let’s Dance" und Vorsorgeuntersuchungen. Die meisten Enttäuschungen resultieren eben aus den Erwartungen, die man hatte, bevor sie zu Enttäuschungen wurden. Wäre die Zahnarzthelferin in Colorado geblieben, würde sie Los Angeles vielleicht immer noch für eine tolle Stadt halten.
Gleichzeitig kann ich natürlich auch Bill verstehen, wenn ihm die Begeisterungsfähigkeit fehlt, weil man aus Angst vor Enttäuschungen nicht aus seiner Komfortzone kommt. Klar, zu sagen "Reisen ist das Schönste auf der Welt", ist für zwei superreiche weiße junge Männer ein kleines bisschen leichter, als für Menschen, die mal nicht so eben durch die Welt düsen können. Aber Reisen ist trotzdem schön – egal, ob es mal eine Enttäuschung gibt. Das Leben ist eben nicht perfekt und wenn bei einem First-Class-Flug mal nicht der Champagner schnell genug nachgeschüttet wird, dann kriegen wir das schon hin.
Außerdem ist "Enttäuschung" auch immer Definitionssache. Zum Beispiel so ein Ausflug nach Las Vegas. Der mag für die einen alles andere als eine Enttäuschung sein, weil man es sich bei Alkohol und Glücksspiel mal so richtig gutgehen lassen kann. Manch ein anderer mag hingegen von Leuten enttäuscht sein, die nur mal eben so zum Saufen und Geld verprassen in die Wüste fliegen. Das dürften vor allem Leute sein, die sich wegen der Klimakrise Sorgen machen und finden, dass reiche Leute mit ihrem Lebensstil einen erheblichen Beitrag dazu leisten. Enttäuschung ist, was im Kopf passiert.
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Was wäre, wenn?
Deshalb bin ich zum Beispiel auch wegen der vielen unentdeckten Fische nicht so enttäuscht wie Tom. Damit muss ich mich einfach abfinden. Mittwochs zum Beispiel sitze ich immer an einer Satire über einen Podcast, danach noch aufräumen, kochen, Wäsche machen und ein bisschen Sport. Da bin ich realistisch, das mit den vielen unentdeckten Fischen werde ich heute nicht mehr schaffen. Das kann sonst nur in einer Enttäuschung enden, das muss wer anders machen. Enttäuschungen vermeiden heißt auch, Delegieren lernen.
Eine andere Enttäuschung, so scheint es, wird mir ebenfalls erspart bleiben und da muss ich mich bei Bill und Tom Kaulitz und ihrem Cocktail-Ritual bedanken. Eigentlich würde mich nämlich mal interessieren, wie sich denn eine Podcast-Folge der Kaulitz-Brüder anhört, in der die beiden nüchtern sind. Wissen wir ja nicht. Worüber würden die beiden sprechen? Auch noch übers Saufen und Zocken? Alles andere wäre für mich eine Enttäuschung.
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