Dass Thomas Müller in kurzen Hosen herum rennt, ist nichts Ungewöhnliches. Ebenso, dass er von Fans und Medienvertretern umringt wird. Dass er aber einen Schläger in der Hand hält, statt einen Fußball zu treten, ist sehr wohl ungewöhnlich. Normalerweise kickt er für den FC Bayern München. Heute aber spielt Thomas Müller Golf – beim "ProAM-Turnier" in Eichenried bei München.
Der 23-Jährige steht am zehnten Loch. Er trägt ein oranges Polo-Shirt, eine beige, kurze Hose, weiße Sportschuhe und einen weißen Golfhandschuh an der linken Hand. Er sieht aus wie eine Mischung aus Fußball- und Golfspieler – was er in diesem Moment ja auch ist. Um
Der Bayern-Profi geht zum Abschlag. Mit dabei: sein spitzbübisches Grinsen, für das er bekannt ist. Er blickt über den Golfplatz und fixiert dann den Ball. Gleichzeitig fixieren etwa 100 Zuschauer Müller. Einer nach dem anderen zückt die Kamera und drückt ab. Ansonsten aber: Stille. Der 23-Jährige holt aus, schwingt seinen Schläger und trifft den Ball mit einem schnalzenden "Klack". Müller verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse, der Ball landet im Bunker. Doch der Fußball-Profi kommentiert seinen Fehlschlag in typischer Müller-Augenzwinker-Manier: "Vom Bunker schlag ich am liebsten ab." Erleichterung, der Müller Thomas hat einen Witz gemacht. Der Lärmpegel steigt wieder an. Das Publikum lacht und klatscht artig. Ist er nicht lustig, der Thomas?
Hemmschwelle soll durch Promis sinken
Bei den BMW Open ist es Tradition, dass einen Tag vor Beginn des offiziellen Turniers Promis spielen. "Sie helfen dabei, den Golfsport bekannter zu machen und vielleicht auch die Hemmschwelle ein bisschen runterzunehmen", sagt Marco Kaußler, Turnierdirektor der BMW Open. Dem Golfsport hängt noch immer der Ruf eines teuren, elitären Sports an. Die Zahl der Golfspieler in Deutschland wächst zwar seit der ersten Auflage der BMW Open 1989 stetig an. Rund 635.000 Menschen spielen laut Deutschem Golfverband heute Golf - etwa siebenmal so viele als vor 25 Jahren.
Doch in den deutschen Medien spielt die Sportart keine große Rolle. Turniere werden nur auf dem Pay-TV-Sender "Sky" übertragen. Ein Golfmagazin läuft bisher lediglich auf den Sport-Spartensendern "Sport1" und "Eurosport". Die Einschaltquoten überschreiten selten die 100.000er-Marke. Der Medienkonzern ProSiebenSat.1 zeigt ab dem 29. Juni ebenfalls ein Golfmagazin, allerdings nur auf "Sat.1 Gold", einem Spartensender für die ältere Zielgruppe.
Nur wenige hundert Meter neben Müller kommt Max Kieffer am Loch 17 an. Er ist der aufstrebende Nachwuchsgolfer Deutschlands und im gleichen Alter wie Müller. Derzeit liegt Kieffer auf Rang 301 der Weltrangliste, doch die Tendenz zeigt deutlich nach oben. Außer den beiden Autoren folgen ihm keine Medienvertreter und schon gar keine Fans. Wäre da nicht sein Caddie, dessen Trikot mit Kieffers Namen bedruckt ist, würde ihn wohl kaum jemand erkennen.
Ob man ihm ein paar Fragen stellen darf? Er nickt schüchtern. Sein Caddie weist darauf hin, dass das Gespräch bitte stattfinden solle, während er zum nächsten Abschlag geht. Die Zeit dränge schließlich. Doch Kieffer lässt sich nicht hetzen. Er bleibt stehen, nimmt sich die Zeit. Er gibt zu, dass er im Hinblick auf die BMW Open nervös ist. Unter Druck sei er aber "eigentlich immer ganz gut". Nach einigen Minuten verabschiedet sich Kieffer wieder und geht seinem Ball hinterher. Sein Caddie wartet schon. Außer ihm und den drei Amateuren, mit denen Kieffer spielt, ist keiner dabei.
Kaymer und Kieffer - die "neue Generation"
Neben Kieffer nehmen noch drei weitere deutsche Golfprofis regelmäßig an Top-Turnieren teil: Alex Cejka, Marcel Siem und
Doch in den Medien stehen derzeit nicht die sportlichen Erfolge Kaymers im Vordergrund, sondern private Äußerungen des Golfprofis. Kaymer, mittlerweile in die Top 30 der Weltrangliste abgerutscht, sprach einen Tag vor dem "ProAM-Turnier" in einer Pressekonferenz schonungslos über sein Leben als Golfprofi. Dass er sich oft allein fühle, dass er gerne öfter bei seiner Familie wäre. Das Leben des Martin Kaymer ist den Medien eine gut platzierte Meldung wert. Sportlich findet Kaymer in den Medien nur statt, wenn es bei ihm läuft. Ansonsten verkommen seine Leistungen zur Randnotiz.
Ganz anders ist das bei Wladimir Klitschko. Wie Thomas Müller ist auch Klitschko einer der zahlreichen Promis, die am "ProAM-Turnier" teilnehmen. Er ist aktuell Box-Weltmeister im Schwergewicht. Seine letzte Titelverteidigung gegen den Italiener Francesco Pianeta verfolgten rund 8,31 Millionen Zuschauer. Quoten, von denen der Golfsport nur träumen kann. Klitschko spielt in einem Team mit Ernie Els. Klitschko, 1,98 Meter groß, und Els, 1,90 Meter, sind nicht nur aufgrund ihrer Körpermaße echte Größen ihrer Sportart.
Zur Abrundung drei Flaschen Pils
Einen Unterschied gibt es aber zwischen ihnen. Während sich um den ukrainischen Boxer rund 30 Journalisten tummeln, ist es in der Nähe von Els ruhig. Nach dem neunten Loch dürfen die Medienvertreter mit Klitschko reden, so wurde es vor dem Turnier vereinbart. Eine PR-Frau schleppt noch eilig eine schwarze Box mit dem Logo einer bekannten Biermarke auf den Rasen. Zur Abrundung stellt sie noch drei Flaschen Pils darauf. Eine Minute später lehnt sich Klitschko an ebendieser Box an. Er trägt schwarze Schuhe und eine schwarze, kurze Hose dazu ein weißes Poloshirt und ein schwarzes Cap - das Outfit eines Golfers. Seine muskulösen Arme und Beine, aus denen die Adern hervortreten, können den Boxer in Golfer-Klamotten aber nicht verstecken.
Drei Mikrofone werden dicht an Klitschko gehalten, sieben Kameramänner stehen direkt dahinter. Dazwischen wuseln noch mehrere Fotografen umher und suchen die perfekte Position für einen Schnappschuss. Klitschko lässt sich davon nicht beirren. Er antwortet routiniert, hört den Fragen zu, lächelt ab und zu. Fragen zum Thema Golf muss Klitschko nur wenige beantworten, die Medien interessieren sich mehr für seinen nächsten Weltmeisterschafts-Kampf. Während des Interviews mit Klitschko geht Els bereits zum zehnten Loch weiter und schlägt ab. Ihm folgen keine Journalisten.
Ernie Els hat die BMW Open übrigens gewonnen. Martin Kaymer landete mit zwei weiteren Spielern auf dem geteilten vierten Rang. Eine tolle Leistung des Deutschen. Nachwuchsstar Max Kieffer war wohl ein wenig zu nervös, er musste sich mit fünf weiteren Profis den 35. Platz teilen. Aber das war in den Medien nur eine Randnotiz. Die Sport-Redaktionen haben längst Besseres zu tun. Thomas Müller und seine Teamkollegen beim FC Bayern haben einen neuen Trainer: Pep Guardiola. Golf ist wieder Nebensache.
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