Die EAV spielt wieder in ausverkauften Hallen. "Werwolf-Attacke - Monsterball ist überall" heißt das womöglich vorletzte Album von Österreichs Kultband. Sänger Klaus Eberhartinger schlüpft auf der Tour in diverse Rollen und Kostüme, um die Botschaften der mit bissigem Witz gespickten Lieder zu transportieren. Im Interview spricht das EAV-Mastermind über die Grenzen von Satire, seine Ängste und den IS.

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Ihr aktuelles Album heißt "Werwolf-Attacke – Monsterball ist überall". Wovor hat sich Klaus Eberhartinger als Kind gefürchtet?

Klaus Eberhartinger: (lacht) Vor allem möglichen! Dämonen, vorm Schwarzen Mann, vorm Wupartl. Womit meine Mutter immer gedroht hat, wenn ich nicht brav bin. Vorm Krampus natürlich, eh klar.

Hat Ihre Mama da öfter mal gedroht?

Jaaaa (lacht) - ja, die hat mich gern geschreckt.

Gibt es heute noch Dinge, vor denen Sie sich fürchten?

Ja. Ich fürchte mich vor den Ereignissen, die da noch kommen werden. Vor der Dummheit fürchte ich mich am meisten. Dummheit ist schlimmer als Ebola. Sie ist die Ursache für Intoleranz, für Rassismus, für Ungleichheit, für Umweltkatastrophen.

Und Sie haben das Gefühl, dass diese Dummheit zunimmt?

Natürlich. Was wir jetzt erleben, ist erst die Spitze eines Eisbergs, der in den nächsten zehn, 20 Jahren, diverse Titanics zum Kentern bringen wird. Dazu kommen diese Religionskriege, die im Endeffekt wirtschaftlich motiviert sind. Das hängt auch mit Dummheit zusammen. Dummheit kannst du schlecht begeistern, aber ganz schnell fanatisieren. Die sind nur Mittel zum Zweck in einem größeren Spiel. Die Machtblöcke sollen neu definiert werden. Putin will seine Sowjetunion zurück, Erdogan will ein Kalifat haben und die Chinesen sind die neuen Superkapitalisten dieser Welt.

Der radikale Islamismus ist auch ein wichtiges Thema auf Ihrer Platte.

Da gibt es verschiedene Geschichten. Islamisten oder religiöse Fanatiker sind verbohrt, da gibt es kein Hinterfragen. Das kenne ich aus Kenia. Gegen die kannst du nichts machen. Du kannst sie eindämmen und im Land möglichst nicht tolerieren und sie da, wo sie kriminell werden, einsperren. Toleranz hört bei Intoleranz auf. Das ist mit Neonazis dasselbe: Mit so Leuten braucht man nicht reden.

In Internetforen werden junge Leute angeworben, die in einem Alter sind, in dem man sich gern auf Sinnsuche begibt und in unserer Gesellschaft mit Perspektivenlosigkeit konfrontiert ist. Denen bietet man ein wertgestütztes System, in dem auch die Frau ihren Platz hat... Dass ihr Leben dann praktisch aus ist, das sagt man ihnen erst, wenn sie dort sind.

Der deutsche Journalist und Autor Jürgen Todenhöfer war zehn Tage in Syrien beim IS. Er ist der Meinung, dass wir im Westen den "Islamischen Staat" maßlos unterschätzen. Glauben Sie das auch?

Unterschätzen? Ich glaube, dass die Leute, die sich wirklich damit beschäftigen, das nicht tun. Aber ich glaube auch, dass wir da noch ganz schön etwas zu tun bekommen. Der IS ist hervorragend organisiert und vor allem unglaublich gut finanziert. Reiche Geschäftsleute aus dem arabischen Raum, Katar, Saudi-Arabien, pumpen Geld hinein. Auf Raubzügen hat der IS alle Banken ausgeräumt. Die haben Kohle und ein gewisses Know-how, wie man Territorien annektiert, wie man in den Guerrilla-Krieg zieht und wie man Gesellschaften aufbaut.

Der New Yorker A.J. Jacobs hat ein interessantes und herrlich komisches Buch über einen Feldversuch geschrieben: Er hat probiert, ein Jahr nach der Bibel zu leben. Er verbringt allein zwei Wochen damit, alle Regeln herauszuschreiben, die es in der Bibel so gibt. Heraus kommt, dass er zum Beispiel Frauen nicht die Hand geben kann, weil er menstruierende Frauen nicht anfassen darf, aber schlecht jede Frau fragen kann, ob sie gerade ihre Tage hat.

Die Bibel... das sind alles metaphysische Konstrukte. Das ist von Menschen aus dieser Zeit geschrieben. Es ist eigentlich unglaublich, dass man das noch glauben kann.

Ich kenne Moslems, die Alkohol trinken, obwohl es verboten ist. Schweinefleisch würden sie aber nie anrühren. Dass diese Regel aus einer Zeit kommt, als Schweinefleisch verseucht war und Mohammed sie deswegen ausgab, das wird niemals hinterfragt. Eine Gesundheitsregel wird zum Dogma.

Bei Charlie Hebdo waren sich alle wieder einig. Man darf die Würde der Religion nicht antasten. Da habe ich mir gedacht, da schau her. Wer legt denn das aus? In einer offenen Gesellschaft darf jeder alles sagen.
Charlie Hebdo war als Magazin nicht besonders erfolgreich. Die haben 30.000 Stück verkauft. Aufgrund dieses Skandals verkaufen sie jetzt über zwei Millionen. Ich finde die Karikaturen nicht lustig, die sind ja in den 1960er-Jahren hängen geblieben und sehr analfixiert. Aber gegen einen Angriff auf solche Medien, auf die Meinungsfreiheit aufstehen: Das muss man machen.

Sie sagen über Ihr eigenes Album, dass es sehr politisch und sehr böse ist. Wo ziehen Sie die Grenze, was Satire darf und was nicht?

Wenn es um das sich lustig machen über persönliche, tragische Schicksale geht. Man macht keinen Witz über Ebola oder HIV. Man macht Witze über verzopfte Haltungen solchen Sachen gegenüber. Die Grenze ist, wo die Menschenwürde eines anderen verletzt wird.

Wobei die Würde ein Gummibegriff ist. Wenn Papst Franziskus, den wir alle so lieb gewonnen haben, sagt, man kann schon auch ein Kind züchtigen, solang man seine Würde nicht verletzt. Wie soll ich jemandem eine Watschn runterhauen, ohne die Würde zu verletzen? Hexenverbrennung auf kleiner Flamme. Wie geht das? Das sind schon sehr dubiose Aussagen. Ich weiß, wie er es meint, aber da muss er aufpassen. Es gibt Grenzen in der Ethik, der Moral.

Loten Sie die Grenzen in Ihrer Arbeit aus?

Ja, schon immer wieder. So wie Monty Python. Das ist das mit der flachen Hand in die Scheiße hauen, damit es schön spritzt. Das ist Sarkasmus, die Überhöhung, die ist erlaubt. Wir haben das bei diesem Album mit dem Song "Lederhosenzombies" gemacht.

Wie haben Sie diesen "Lederhosenkrieg" mit Andreas Gabalier erlebt?

Ein Schreiberling einer Tageszeitung - noch dazu der Haus- und Hofschreiber vom Gabalier - hat aus der Nummer herausgelesen: "EAV rockt gegen Gabalier". Ich habe das zuerst nicht ernst genommen. Was aber dann von einer Gruppe von Fans gegen uns losgebrochen ist, war unglaublich.

Wenn man beschimpft wird als linkslinkes Arschloch oder "Rotfunksklave" und gesagt wird, wir sollen uns doch mit der Conchita Wurst über die Häuser hauen und Österreich in Ruhe lassen... Das kommt aus einem sehr rechten Eck. Da war der Heimatbegriff schon einmal, der sich dann alles einverleibt hat, auch die Tracht.

Worum geht es in dem Lied "Lederhosen-Zombies" tatsächlich?

Das ist eine Nummer, die uns nicht gar so wichtig ist, mit einem Thema, das uns nicht so wichtig ist. Man pinkelt ein bisschen den alpenländischen Ballermann an, der immer mehr um sich greift. Und der leider auch das Oktoberfest komplett erfasst hat. Ich kenne genug Bayern und Münchner, die sich vom Oktoberfest abgewendet haben. Gesoffen wurde immer schon, aber jetzt wird Alkoholgroßhandel betrieben und die Tracht wird zum Faschingskostüm.

Hat Andreas Gabalier das Lied als Beleidigung aufgefasst?

Zuerst überhaupt nicht. Erst, als so viel zitiert worden ist... Irgendjemand hat behauptet, ich bezeichne seine Fans als Komatrinker, und das mache ich natürlich nicht. Ich habe ihm dann erklärt, dass es um diese Unsitte geht, dass sich Leute im Trachtenlook ins Nirwana saufen. Trachtenlook hat mit Tracht so viel zu tun wie ein Arschgeweih mit Rotwild. Er hat zurückgeschrieben, passt scho.

Gabalier selbst ist auch schon einmal in die Schusslinie gekommen, der "Süddeutschen Zeitung" nämlich, weil er auf einem Albumcover eine Haltung eingenommen hat, die an ein Hakenkreuz erinnert. Das geht schnell. Wenn er bei "Sing meinen Song" nicht Xavier Naidoo in den Arm genommen hätte , hätten sich da wohl ein paar Leute draufgestürzt.

Mit der Hymnendebatte hatte er vielleicht auch etwas anderes im Sinn.

Da glaube ich, das hat er sehr bewusst gemacht. Soweit ich weiß, hat er sich schriftlich geben lassen, dass er in Spielberg die Hymne in der alten Form singt.

Zumindest hatte man in der Debatte danach den Eindruck, dass die Situation ein wenig ausgeartet ist.

Naja, ausgeartet... Ich bin auch nicht dafür, dass man das Liedgut unbedingt wegen der politischen Korrektheit umtexten soll. Das ist eine andere Art von Fundamentalismus. Ich verstehe die Frauenhaltung, die sagt, das ist ja nicht irgendein Lied, sondern die österreichische Bundeshymne. Und dass da nur Söhne vorkommen, ist eigentlich nicht okay. Frauen, die jahrzehntelang für ihre Rechte und die Gleichberechtigung gekämpft haben... Das macht das Lied nicht schöner und nicht hässlicher. Da hätte man mit mehr Verständnis für die Frauenrechte reagieren können.

In dem Song "Was ist los" geht es um einen Bürozombie, der ganz pflichterfüllend durch sein Dasein wankt. Was war der Hintergrund?

Es ist gar nicht der Bürozombie, der da pflichterfüllend ist. Es geht um das Getriebensein der Leute, das so modern gewordene Burnout-Syndrom. Das hat es früher nicht gegeben, dieses Nachhetzen, Termine, es wird immer mehr verlangt in immer kürzerer Zeit. Und schon hängst du im Hamsterradl.

Was war der schlimmste Job Ihres Lebens?

(überlegt) Ich habe viele Jobs gemacht, als ich jung war. Ich habe mein Studium finanzieren müssen. Ich habe in der Schwermetallindustrie gearbeitet, Schmelzöfen bedient, habe Fenster geputzt in Schweden, auf Akkord in Bäckereien gearbeitet, aber das sind nicht schlimme Jobs. Das ist mir eigentlich wurscht.

Der schlimmste Job war der in der Metallfarbenindustrie. Flüssiges Metall. Da hast du Schichten, die nur sechs Stunden dauern, weil die Arbeit so erschöpfend ist. Die anderen Geschichten waren einfach anstrengend. Ich habe in Belgien in einer Bäckerei gearbeitet und dann Sachen ausgefahren. Wenn du 14-Stunden-Tage hast, jeden Tag, das kostet Kraft.

Heute gibt es genug Leute, die mehrere Jobs haben, weil sie nicht auskommen. Ich sage ja, die Verteilung stimmt nicht mehr. Die Firmen haben Geld, da wird gejammert auf hohem Niveau. Auf der anderen Seite gibt es die Steuerdebatten und dann zahlen Apple, Ikea, McDonald's bei uns keine Steuern.

Griechenland ist auch so eine Widerspiegelung. Natürlich haben das korrupte Regierungen komplett versaut. Deswegen haben die Griechen jetzt anders gewählt. Aber die jetzt anzuspucken, weil sie sagen, so geht es nicht mehr weiter... Dort wird ja nichts mehr investiert. Die Leute haben kein Geld. Man muss auch eine Wachstumsdebatte führen, nicht nur eine Spardebatte. Und nicht immer neue Kredite geben, damit die alten Schulden zurückgezahlt werden können. Da muss man irgendwann umdenken.

Spielen Sie auf die Aktion der "Bild"-Zeitung an, die kürzlich gegen die "gierigen Griechen" mobil gemacht hat?

Das habe ich gar nicht mitbekommen. Die "Bild"-Zeitung hat aufgerufen, gegen die Griechen Stimmung zu machen? Um die Griechen im eigenen Land auch noch zu diskriminieren? Das verstehe ich überhaupt nicht. Die Griechen sind doch nicht geldgierig. Die, die jetzt an der Macht sind, sind Linksradikale, das stört sehr viele. Dass sich die jetzt mit den Rechtsradikalen auf ein Packl hauen müssen, heißt, dass sie schon ziemlich verzweifelt sind. Die wollen nur Wahlversprechen einlösen, aber so einfach geht das nicht.

Der Grexit ist eine andere Sache. So schnell kannst du gar nicht schauen, sind die Russen und Chinesen dort. Ob das so gut ist? Putin würde sich freuen. Man muss den Griechen schon eine Chance geben, die Dinge umzusetzen, die die alten Regierungen nur versprochen haben. Die Superreichen gehören geschröpft, der Korruption muss man Einhalt gebieten. Aber Stimmung gegen ein Land zu machen, finde ich doch eigenartig.

Kommen wir zurück zur Musik. 1978 gab's die Premiere als EAV. Sie sind seit 1981 dabei. Können Sie Ihre alten Lieder noch hören oder haben Sie davon genug?

Die ganz alten Lieder werden ja nicht mehr gespielt. Weil die auch nicht so gut waren, muss ich sagen. Andere Sachen wie "Banküberfall", "Fata Morgana" oder "Ding Dong" sind schon noch lustig. Aber immer wenn es ein neues Album gibt, spielen wir sicher 60 bis 70 Prozent neue Nummern.

Thomas Spitzer ist nach fünf Jahren wieder auf die Bühne zurückgekehrt, wird sich nach den Aprilkonzerten aber wieder verabschieden. Sie haben Ihr Verhältnis einmal verglichen mit einer langjährigen Ehe. Was ist Ihr Beziehungsgeheimnis?

Man reißt sich in einer langjährigen Ehe ja auch nicht den Schädel ab. Man kommuniziert schneller, genauer. Manche Sachen nerven halt, aber die werden toleriert. Man muss nicht dauernd zsammpicken. Man hat dann auch getrennte Schlafzimmer.

Sie haben kürzlich angedeutet, dass Sie über ein Ende der EAV nachdenken.

Es kam die Frage, ob wir nicht aufhören wollen. Ich kann mir vorstellen, dass wir noch ein Album machen. Das wird auch ziemlich sicher kommen, vielleicht Ende des Jahres. Es ist etliches Material liegen geblieben. Dann, in der Folge, kann man schon über eine Abschiedstournee nachdenken - zumindest über die erste davon. (lacht) Die Rolling Stones machen das seit zehn Jahren.

Klaus Eberhartinger (64) ist in Braunau am Inn (Oberösterreich) aufgewachsen. Seit 1981 ist er Sänger der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, besser bekannt als EAV. Seit Mitte der 1990er-Jahre lebt Eberhartinger häufig die Hälfte des Jahres in Kenia, wo er ein Haus gekauft hat. Er tritt regelmäßig als Gast in der ORF-Rateshow "Was gibt es Neues?" auf und moderiert seit 2011 gemeinsam mit Mirjam Weichselbraun die Tanzshow "Dancing Stars".
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