- Der Schweizer Schriftsteller Martin Suter hat das Leben von Ex-Fußballprofi Bastian Schweinsteiger als biografischen Roman verfasst.
- Normalerweise beschäftigt er sich in seinen Büchern mit nicht-sportlichen Themen.
- Ist ihm das ungewöhnliche Projekt gelungen?
Der Fußball liefert oft den besten Stoff für Romane. Der Schweizer Autor
"Roman bedeutet, dass die Ereignisse, die darin vorkommen, auch frei erdacht sein dürfen", macht Suter gleich im Vorwort deutlich. Er schreibt, dass Ähnlichkeiten mit Personen oder Übereinstimmungen von Namen realer Personen zufällig seien. Dieses Andichten sei "freundlich gemeint".
Suter bewegt sich auf für ihn unbekanntem Terrain
Der Schriftsteller schreibt sonst über einen rosaroten Elefanten, der in der Dunkelheit leuchtet ("Elefant") oder im Roman "Die dunkle Seite des Mondes" über einen Anwalt, der nach der Einnahme halluzinogener Pilze zum Mörder wird. Bekannt sind auch seine für die ARD verfilmten "Allmen"-Krimis.
Sportlerbiografien bewegen sich auf einem anderen Terrain, lesen sich oft ähnlich, haben teils die gleichen Autoren, deren Visitenkarten in der Fußball-Blase herumgereicht werden. Die Einzigartigkeit des Projekts ist ihm zugute zu halten. Aber ist er der Vermischung der Genres Roman und Biografie gerecht geworden?
Die erfolgreiche Karriere des gebürtigen Oberbayern Schweinsteiger begann beim Dorfverein FV Oberaudorf und endete 2019 beim US-Club Chicago Fire. Dazwischen holte er in 342 Bundesliga-Partien acht Deutsche Meisterschaften mit dem FC Bayern München, den Titel in der Champions-League 2013, und er gewann 2014 die Weltmeisterschaft mit der deutschen Nationalmannschaft.
Schweinsteiger: "Ich wollte keine klassische Biografie"
Schweinsteiger sei häufig um Erlaubnis für eine autorisierte Biografie gebeten worden, doch er habe immer abgesagt. Als ein Freund von Suter geschwärmt habe, sei er neugierig geworden und habe die Idee gut gefunden.
"Ich wollte keine klassische Biografie haben, das ist nicht meine Natur. Daher fand ich die Idee des biografischen Romans passend", sagte Schweinsteiger auf der Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin.
Der Beginn, in dem Episoden aus der Jugend in kurzen Geschichten aneinandergereiht werden, liest sich wie ein Kinderbuch. Bis auf die Anekdote, dass der junge Schweinsteiger – im Buch oft "Basti" genannt - versehentlich nach dem Seitenwechsel den Ball in einem Jugendspiel ins eigene Tor bugsierte und daraufhin der ganze Sportplatz lachte, bleibt es auf den ersten Seiten recht ereignisarm.
Die episodische Erzählform, die viele Geschichten verknappt, dürfte Leseinnen und Leser fragend zurücklassen, wenn "Basti" in einer kurzen Passage seinem Mitschüler schildert, dass nun ein Schaf namens "Dolly" geklont wurde.
Roman hat liebenswürdige Szenen und zeigt Schweinsteigers Schlitzohrigkeit
Der Roman, der am 26. Januar erscheint, spielt seine Stärken aus, wenn er beschreibt, wie der damalige Bayern-Trainer Felix Magath Schweinsteiger nicht als Spieler erkannt hat. Es gibt liebenswürdige Szenen, wenn er heimlich ein Mädchen nachts in das Schwimmbad ins FCB-Trainings-Zentrum mitnimmt. Gerade an diesen Stellen kommt die Schlitzohrigkeit des Ex-Profis heraus. Auch die Passage, in der der 29-jährige Schweinsteiger nach dem WM-Finale in ein Loch fällt und alleine auf der Terrasse bei einigen Bieren über Kinder, seine sportlichen Pläne und die Zukunft mit seiner damaligen Freundin nachdenkt, wirkt sehr eindrücklich.
Die Schwierigkeiten hat der Roman-Leser wohl am ehesten mit der eigenen Verifizierung der Geschichten. Hardcore-Schweinsteiger-Fans, die zur wichtigsten Zielgruppe des Buchs gehören dürften, werden viele Anekdoten und Verweise kennen. Als oberflächlicher Kenner des heute 37-Jährigen fragt man sich doch bei der ein oder anderen Passage, ob das wirklich so passiert ist. Obwohl Suter schreibt, dass er den Roman "faktengetreu, aber mit literarischer Freiheit geschrieben" hat, zieht sich das Hinterfragen durch das ganze Buch.
Doch es ist nicht nur eine biografische Erzählung über das Leben des Fußball-Weltmeisters geworden, sondern auch über das seiner Frau, der früheren Weltklasse-Tennisspielerin Ana Ivanović. Wirklich tiefergehend erlebt man Schweinsteiger erst zum Ende des Romans, wenn das Kennenlernen mit Ivanović beschrieben wird.
Schweinsteiger verrät seine Lieblingspassage
Auf der Pressekonferenz wurde er nach seiner liebsten Passage im Buch gefragt: "Meine Lieblingsstellen sind unsere Hochzeit natürlich, die Geburt der Kinder...". "Das sagst du nur, weil ich hier bin", unterbrach ihn Ehefrau Ana lachend. "Nein, nein. Das waren so Momente, wo ich gerne auf die Uhr drauf gedrückt und sie gestoppt hätte."
Insgesamt fehlt bei den vielen kurzen Ausschnitten der stärkere Fokus auf einzelne Anekdoten. Für den allgemeinen Fußball-Fan wären nähere Eindrücke und Beschreibungen Schweinsteigers rund um die vielen Turniere mit der Nationalmannschaft spannend gewesen. Und auch der wohl bitterste Moment, als er 2012 im Champions-League-Finale in der Münchener Allianz-Arena den entscheidenden Elfmeter vergeigte und damit Chelsea das Spiel gewann, wird nur recht kurz thematisiert. Reichlich wenig, wenn man bedenkt, dass Schweinsteiger das Erlebnis als den "dunkelsten Moment" seiner Karriere bezeichnet. © dpa
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.