Der akute Corona-Lockdown ist zwar schon seit einigen Wochen vorbei, dennoch gibt es immer noch Menschen, die ihrem Beruf noch nicht wieder nachgehen können. Unter ihnen vor allem diejenigen, die in der Club- und Partyszene arbeiten: Betreiber, Türsteher, Barkeeper und natürlich DJs. Wir haben mit zwei Mitgliedern des DJ-Kollektivs SNC Crew über die Krise, Clubkultur und den fehlenden Einsatz der Politik gesprochen.
Stellt euch doch erstmal vor. Wer seid ihr?
Emanuel Mayr: Eigentlich sind wir zu dritt, heute nur zu zweit, weil unser dritter Mann Felix Andorf gerade noch im Urlaub ist. Wir sind die SNC Crew und haben uns 2012 gegründet.
Valentin Pacher: Als wir mit dem Auflegen angefangen haben, waren wir alle noch unter 18 Jahre alt. Wir waren miteinander befreundet und haben gemerkt, dass wir die gleiche Musik hören. Und dann dachten wir uns, dass wir ja zusammen auflegen könnten. So hat sich das entwickelt, dass wir uns dann als ein DJ-Kollektiv zusammengeschlossen haben.
Emanuel: Wir alle haben unsere Wurzeln in Ingolstadt und sind dort auch stark mit dem "Suxul" verbunden. Das ist der Club, der uns großgezogen hat.
2013 haben wir dort das erste Mal aufgelegt und inzwischen haben wir alle schon mal dort gearbeitet oder arbeiten immer noch dort. Hauptberuflich sind wir drei aber in der Musikbranche tätig.
Ihr macht also auch einen Teil eures Einkommens mit dem Auflegen?
Valentin: Das kann man so sagen. Wir arbeiten alle drei auch in anderen Jobs – in der Tontechnik, im Marketing und im Eventmanagement – aber einen Teil unseres Einkommens machen wir durch Live-Auftritte als DJs.
"Man wird ziemlich im Stich gelassen"
Als Teil einer Berufsgruppe, die auf Live-Auftritte vor Publikum angewiesen ist: Wie habt ihr die Coronakrise bislang erlebt?
Emanuel: Ich konnte während der Zeit meinen Schwerpunkt etwas mehr auf meinen anderen Job im Marketing legen. Während der Krise habe ich auch mein Studium abgeschlossen und habe jetzt einen Teilzeitjob in einer Marketing-Agentur angenommen.
Das erleichtert mir das Finanzielle natürlich auch ein bisschen. Sonst würde ich jetzt eher blöd dastehen.
Valentin: Ich arbeite in einem Münchner Club, der jetzt natürlich nach wie vor geschlossen ist. Derzeit bin ich dort in Kurzarbeit.
Kriegt ihr von der Regierung Hilfe?
Emanuel: Nein, da wird man ziemlich im Stich gelassen. Für das "Suxul" gab es eine kleine Soforthilfe. Wir als Crew haben uns auch informiert, hatten da aber keinen Anspruch drauf.
Wir haben jetzt fehlende Einnahmen, da uns das ganze Live-Geschäft weggebrochen ist. Diese Soforthilfen von der Regierung gelten nur für laufende Kosten wie Mietflächen und nicht Lebenshaltungskosten oder ähnliches. Da wir nichts angemietet haben, haben wir darauf keinen Anspruch.
Man kann also für ausgefallene Live-Auftritte keinen Ersatz einfordern, auch wenn man darauf angewiesen ist?
Emanuel: Nein, unseres Wissens nach nicht. Wir sind aber auch nicht in der KSK (Künstlersozialkasse, Anm. d. Red). Von der gibt es eine kleine Unterstützung, aber da ist ja auch nur ein Bruchteil der Künstler drin.
Valentin: Generell hatte ich das Gefühl, dass es sehr viel Verwirrung gab. Niemand wusste so wirklich, wo man sich melden muss, für wen die Hilfe gilt und wie man sie beantragt. Man wurde immer weiterverwiesen.
Emanuel: Jedes Bundesland hat dann auch noch seine eigenen Vorschriften. Das war alles ziemlich konfus. Eigentlich war man komplett auf sich selbst angewiesen. Das ist schlicht und ergreifend für viele Leute existenzbedrohend. Gerade DJs, die das komplett in Vollzeit machen, aber auch Clubbetreiber.
Valentin: Dazu muss man sagen, dass das kein Business ist, wo man sich großartige Rücklagen schaffen kann. Man arbeitet da quasi von Wochenende zu Wochenende. Die meisten Clubs müssen Kredite aufnehmen, wenn sie noch eine Chance haben wollen.
In Berlin ist der Clubbetrieb "verhalten"
In Bayern sind Clubs und Diskotheken nach wie vor geschlossen, in Berlin haben manche Clubs bereits unter gewissen Hygienebedingungen wieder geöffnet. Hattet ihr seit Beginn von Corona noch Live-Auftritte unter Auflagen, zum Beispiel in Berlin?
Emanuel: Wir haben ein einziges Mal beim "Stadturlaub" in Ingolstadt gespielt. Da gab es für DJs die Möglichkeit aufzulegen.
Das war vor einem bestuhlten Publikum mit entsprechendem Abstand und eher zur Entspannung als zum Feiern gedacht. Aber das stellt natürlich keine Alternative zum Club- und Festivalbetrieb dar.
In Berlin war ich zwischenzeitlich auch einmal und habe mir das angeschaut: Es war sehr verhalten. Es gab eine Art Biergarten und eine kleine Tanzfläche auf der man mit Mundschutz tanzen durfte. Das war zwar nett, aber auch nicht das Wahre.
Aber es ist erstmal ausgeschlossen, dass wir in dieser Zeit überregionale Bookings bekommen, weil die Berliner Clubs versuchen jetzt natürlich auch erstmal ihre lokalen DJs zu pushen.
"Ein Live-Auftritt lebt auch vom Körperkontakt"
Habt ihr auch nach Alternativen zum klassischen Auflegen gesucht?
Emanuel: Wir haben schon zwei Livestreams im "Suxul" gespielt und wir hosten monatlich eine Show auf Radio 80.000 in München. Die Radioshow haben wir aber auch schon vor Corona gemacht. Das ist im Moment die einzige Möglichkeit in Kontakt mit Zuhörern zu bleiben und Livemusik zu spielen.
Seht ihr den Livestream als echte Alternative?
Emanuel: Nein. Natürlich ist das etwas komplett anderes als ein Live-Auftritt. Wenn wir live spielen, dann lebt das auch davon, dass man verschwitzt aneinander im Club steht und Körperkontakt hat.
Valentin: Ja genau, Livestreams sind schon eine gute Möglichkeit, aber langfristig gibt es schon ein Überangebot. Im Hinblick auf Reichweite bringen sie teilweise nichts mehr.
Es gibt die Unterscheidung der Regierung zwischen systemrelevanten und nicht systemrelevanten Berufen. DJs oder Clubbesitzer fallen unter Letzteres. Wie seht ihr diese Einteilung?
Emanuel: Es zeigt sich für mich von Wochenende zu Wochenende mehr, dass Clubkultur eben doch auf eine Weise systemrelevant ist.
Ich merke in Ingolstadt, wie manche Leute nur noch auf der Straße herumhängen, dort trinken und nicht wissen wohin mit sich. Es liegt ja auch in der Natur des Menschen, dass man am Wochenende gerne ausgeht und soziale Kontakte knüpft.
Ich finde, man merkt gerade, wie das fehlt. Es herrscht auch eine gewisse Grundaggressivität.
Valentin: Vor allem für junge Menschen ist so ein Ausgleich am Wochenende wichtig.
Emanuel: Ja, natürlich beziehe ich das auf die jüngere Generation. Bei Leuten über fünfzig ist das Clubleben vielleicht nicht mehr ganz so relevant, aber die gehen ja auch gerne auf Konzerte oder in Bars. Vor allem für Leute zwischen 18 und 40 ist ein Clubbesuch am Wochenende aber was Schönes.
Valentin: Clubkultur ist ja eben auch Kultur und Kultur ist in meinen Augen durchaus systemrelevant.
Emanuel: Vor allem in Bayern ist das ein Punkt, der noch nicht so wirklich angekommen ist. Wenn hier der Blasverein ein Konzert spielt, dann ist das Kultur, aber wenn man als DJ in einem Club auflegt oder seine eigene Musik produziert wird das nicht als Kultur angesehen.
Wo wir gerade von Kultur sprechen: Ihr habt euch künstlerisch betätigt und Masken für eure Zuhörer gestaltet. War das eine Idee zur allgemeinen Stärkung der Moral?
Emanuel: Das war eine recht spontane Idee. Vor allem unser Logo – ein Smiley – macht sich ja ganz gut auf einer Maske. Das zaubert vielleicht ein paar Leuten ein Lächeln ins Gesicht.
Vielen Dank für das Interview.
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