Futuristische Rollenspiel-Action für Retronauten: "The Outer Worlds" kombiniert Science-Fiction-Elemente aus den 50-ern mit einem kräftigen Schuss "Fallout" und bitterbösem Humor.

Eine Kritik
von Robert Bannert

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Eine Alien-Welt irgendwo in den nicht ganz so unendlichen Weiten von "The Outer Worlds": Am nächtlichen Firmament glänzt ein leuchtendes Sternenzelt - darunter eine verlassene Arbeitersiedlung aus hastig zusammengeschweißten Wohn-Modulen. Aus Kühlrippen an den Hauswänden zischt heißer Dampf auf die Straße, ansonsten herrscht Totenstille. Offenstehende Türen führen in meist unbewohnte, armselige Gebäude - voller Kisten mit den Hinterlassenschaften längst ausgewanderter Bewohner. Ein menschenleeres Schlaraffenland für Abenteurer und Beutesammler - wäre da nicht eine Gruppe von Räubern, die sich langsam mit gezückten Blastern aus dem Nebel schält. Dann fauchen auch schon die ersten leuchtend-roten Laserstrahlen durch die Dunkelheit.

Szenen wie diese sind in dem gnadenlosen Universum von "The Outer Worlds" an der Tagesordnung - denn das Science-Fiction-Abenteuer vom Rollenspiel-Experten Obsidian Entertainment orientiert sich überdeutlich an Bethesdas "Fallout"-Reihe. Egal, ob morbide Stimmung, dreckiger Look, Spielsystem oder Sound: Die Reise durch einen kleinen, von stilvollem Retro-Futurismus geprägten Kosmos wirkt wie ein Ausflug ins nukleare Wasteland der altehrwürdigen Spielereihe, den man auf andere Planeten verlegt hat.

Der Eindruck stammt nicht von ungefähr: Das inzwischen von Microsoft aufgekaufte und für "The Outer Worlds" verantwortliche US-Studio Obsidian steckte einst hinter dem hochgelobten "Fallout: New Vegas" von 2010 - eine Episode, die vor allem durch ihre ausgefeilten Charaktere und eine sich weit verzweigende Geschichte punktete, auf deren Entwicklung der Spieler aktiv Einfluss nehmen konnte.

Meisterhafte Erzählung

Alles Tugenden, die nun auch "The Outer Worlds" kennzeichnen: Das Action-Rollenspiel ist in einem zwar farbenfrohen, aber von "Fallout"-verwandter Untergangsstimmung gezeichneten Sternenreich angesiedelt und besticht vor allem durch seine interessanten, oft schrägen Figuren - darunter zum Beispiel ein zwielichtiger Vikar auf der Suche nach einem verbotenen Buch. Oder ein kauziger Wissenschaftler nach dem Vorbild von Doc Brown ("Zurück in die Zukunft"), der den Helden zu Spielbeginn aus einem Jahrzehnte-lange Kälteschlaft weckt, damit er eine Ansammlung terranischer Kolonien vor dem Untergang rettet.

Auch die verschiedenen Begleiter, von denen der Spieler zwei Stück mit auf Abenteuerreise nehmen darf, faszinieren durch ihre plastische Scharfzeichnung. Ebenso wie die fein verästelte Handlung, die sich zwischen all diesen Figuren entfaltet: Hier erweist sich Entwickler Obsidian einmal mehr als meisterhafter Erzähler und Dialogschreiber, bei dem man fast jede Herausforderung mit unterschiedlichsten Taktiken angehen kann.

Etwas weniger gut gelungen ist den Rollenspiel-Experten aus Kalifornien leider die Spielwelt, die von diesen Figuren bewohnt wird: Visuelles Design und sogar der düster-deprimierende Soundtrack bemühen sich zwar nach Kräften darum, Ton- und Inszenierungs-Art der "Fallout"-Reihe aufzugreifen.

Nur bieten die Planeten im "Outer Worlds"-Kosmos leider keine riesigen und frei begehbaren Areale. Stattdessen sind die meisten Städte und Außenbereiche auf den bereisbaren Planeten so stark begrenzt, dass trotz stattlicher Fertigkeiten- sowie Attribute-Liste kaum genug Freiraum zur Charakter-Entwicklung bleibt - ein Umstand, der vermutlich dem kleinen Entwicklungs-Budget geschuldet ist, mit dem Obsidian auskommen musste.

Action-Gefechte ohne Taktik-Komponente

Weil die "Outer Worlds" ebenso wie das Bethesda-Wasteland aus der Ego-Perspektive erforscht werden, verlässt sich Obsidian für die Gefechte gegen Wegelagerer, bullige Alien-Trolle oder schießwütige Roboter auf Shooter-artige Echtzeit-Gefechte: Der Spieler wechselt auf Tastendruck zwischen vier ausgerüsteten Klingen, Keulen, Energiewaffen oder Projektil-Geschützen, um seinen Feinden nach Action-Art die Leviten zu lesen.

Eine taktische Kampf-Komponente wie das "Fallout"-V.A.T.S., bei dem der Held verschiedene Trefferzonen anpeilen darf, gibt es zwar nicht, dafür wechselt er immer wieder in den Zeitlupen-Modus, um besser auf gegnerische Angriffe reagieren zu können oder die Feinde mit neckischen Extra-Effekten zu behindern.

Fazit

Obwohl die Spielwelt und die manchmal etwas hakeligen Shooter-Gefechte dem großen Vorbild "Fallout 4" nicht das Wasser reichen können, ist der Trip in die "Outer Worlds" nach dem enttäuschenden Multiplayer-Abenteuer "Fallout 76" ein willkommenes Trostpflaster. Besonders wer gut geschriebene Geschichten mehr schätzt als eine imposante Blockbuster-Inszenierung, kommt mit dem ehrgeizigen Rollenspiel-Projekt auf seine Kosten. Dialog-Allergiker nehmen allerdings Abstand: Die meisten "Outer Worlds"-Bewohner sind geradezu penetrante Plaudertaschen.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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