Die Welt der Spiele und des E-Sports ist längst nicht mehr unpolitisch. Während Spielehersteller Blizzard auf einer Convention in den USA seine Produkte feiert, stehen am Eingang Demonstranten und protestieren für die Befreiung Hongkongs. Warum ausgerechnet hier?
Das Gaming-Großereignis Blizzcon ist in diesem Jahr nicht mit einem spektakulären Trailer oder einer großen Neuankündigung gestartet - sondern mit einer Entschuldigung.
"Wir haben den hohen Standards, die wir uns selbst setzen, nicht entsprochen. Wir haben unser Ziel verfehlt. Das tut mir leid und ich übernehme die Verantwortung", sagte der Präsident des Spiele-Herstellers Blizzard Entertainment, J. Allen Brack, bevor die große Show mit Trailern und Ankündigungen am Wochenende losging.
Was war passiert? Rund einen Monat zuvor hatte Blizzard einen Spieler aus einem Hearthstone-Turnier ausgeschlossen, weil er sich politisch geäußert hatte.
Ng Wai "Blitzchung" Chung hatte in einem Interview im offiziellen Stream des Turniers Skibrille und Gasmaske aufgesetzt und sich für die Befreiung seiner Heimat Hongkong ausgesprochen.
Unter Berufung auf die Turnierregeln erhielt er von Blizzard daraufhin eine Sperre für ein Jahr, seine Preisgelder wurden ihm aberkannt.
Proteste von Spielern und Mitarbeitern
Die Sperre führte zu massiven Protesten in der Community: Aufrufe zum Boykott von Blizzard-Spielen, "Befreit Hongkong"-Aufrufe in den Chats der E-Sport-Übertragungen und Solidaritätsbekundungen von E-Sportlern und anderen Persönlichkeiten der Szene, die zu weiteren Sperren führten.
Auch Mitarbeiter von Blizzard protestierten und betonten die Werte des Unternehmens, die unter anderem den Punkt "Jede Stimme ist wichtig" enthalten.
Blizzard reagierte erst Tage später auf den Protest und entschied sich, die Sperre auf sechs Monate zu verkürzen sowie das Preisgeld doch auszuzahlen. Gleichzeitig machte das Unternehmen klar: Für politische Botschaften, egal aus welcher Richtung, sei bei den E-Sport-Events kein Platz.
Damit orientiert sich das Unternehmen auch an den Vorgaben im klassischen Sport - bei den Olympischen Spielen etwa sind politische Äußerungen der Teilnehmenden ebenfalls untersagt.
Blizzard-Chef rechtfertigt Entscheidung
Bei der Blizzcon in Anaheim, die von Blizzard als Hausmesse für Neuerscheinungen veranstaltet wird, setzten sich die Proteste fort. Vor dem Eingang verteilten ein paar Dutzend Demonstranten Flugblätter und kostenlose T-Shirts mit Pro-Hongkong-Aufdrucken. In Anspielung auf den chinesischen Präsidenten Xi Jinping trugen Besucher Winnie-Puuh-Kostüme.
In einem Interview mit dem US-Spielemagazin "PC Gamer" rechtfertigte J. Allen Brack die Entscheidung, die sechsmonatige Sperre für Blitzchung aufrecht zu erhalten.
"Wir wollen, dass sich die offiziellen Übertragungen auf das Spiel konzentrieren." Der Inhalt von Blitzchungs Äußerung sei nicht das Problem gewesen - sondern dass es im offiziellen Stream um etwas anderes als das Spiel ging.
Blizzard schreibe den Spielern und Mitarbeitern beispielsweise nicht vor, was sie über soziale Medien veröffentlichen dürfen.
Dass die Sperre von Blitzchung und weiteren Spielern erhalten bleibt, sehen die Demonstrierenden kritisch. Die Entschuldigung zu Beginn der Blizzcon sei ein guter Schritt gewesen, sagte Demo-Organisator Charles Lam vom Hongkong-Forum Los Angeles. "Nach der Entschuldigung muss er aber auch entsprechende Taten folgen lassen."
Globales Publikum mit unterschiedlichen Werten
Blizzard befinde sich in einem Spagat, den man auch von anderen Unternehmen und deren Umgang mit China kenne, sagte Christian Schiffer, Spielejournalist und Herausgeber des Magazins "WASD".
"Ich möchte Blizzard da nicht in Schutz nehmen, aber vielleicht ist das auch einfach eine neue Situation." Das Spiel richte sich an ein globales Publikum, wo es unterschiedliche Werte gebe. "Und dann läuft sowas halt auch schief."
Es komme nun auf die künftigen Handlungen von Blizzard an. "Aber es ist auch zu einfach gedacht, so eine Entschuldigung als Kosmetik abzutun", sagte Schiffer. "Seien wir doch froh, dass es dieses Statement gibt. Dann kann man sich in Zukunft darauf beziehen." © dpa
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